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Kontrastprogramm mit Götz George: Der Staatsanwalt a. D. Jasper Dänert ist das genaue Gegenteil von Schimanski. Foto: ARD

© WDR/Erik Lee Steingroever

Wer war ich? Wer bin ich?: Findet Jasper

Götz George spielt in „Nacht ohne Morgen“ einen feingeistigen Pensionär auf der Suche nach sich selbst. Ein Seelenkrimi in der gelungenen Regie von Andreas Kleinert.

Wer die „Krimiisierung“ des fiktionalen Fernsehprogramms beklagt, wird „Nacht ohne Morgen“ vielleicht nicht einschalten. Denn da heißt es in der Ankündigung: Götz George in der Rolle des einst in Potsdam tätigen Staatsanwaltes Jasper Dänert bemüht sich um die Aufklärung eines zwanzig Jahre zurückliegenden Falles … Aber dieser Film ist nicht wirklich ein Krimi. Anders gesagt: der „Fall“ führt zum Aufklärer zurück, die Frage, die hinter den Ermittlungen zu stehen pflegt: Wer war es? verwandelt sich in: Wer war ich? und in: Wer bin ich? Der pensionierte Staatsanwalt Jasper Dänert sucht sich selbst.

Und das wird höchste Zeit. Denn er hat nicht mehr lange zu leben. George überzeugt diesmal nicht als Raubein, sondern als Feingeist, als Herr mit gemessener Gestik und undurchdringlicher Miene, wenn er nicht gerade seiner Krankheit wegen – ein inoperables Sarkom – in Zuckungen und Ohnmachten fällt. Dänert hat ein wunderschönes Haus mit Pool und seit achtzehn Jahren eine wunderschöne Frau (Barbara Sukowa), aber beide bedeuten ihm offenbar wenig. Denn im Haus und neben der Frau fremdelt er sichtlich. Lebendig wird er nur, wenn er mit der Polizistin Larissa (Fritzi Haberlandt) in Brandenburg nahe Luckenwalde die längst verwehten Spuren sucht, die zu dem kurz nach der Wende getöteten Jungen namens Jimmy führen könnten.

„Nacht ohne Morgen“ nennt sich das psychologische Drama. Der Film ist darüber hinaus ein faszinierender Bilderbogen, der aus dem ärmlichen Brandenburg ebenso wie aus dem wohlhabenden Villenambiente berückende Veduten hervorzaubert. Man schaut und staunt, aber anders als bei einem Ferienortprospekt möchte man nicht hinfahren, sondern die Geschichte dieser Orte hören. Die Kamera von Johann Feindt weckt weniger Neugier auf die Wirklichkeit als auf deren Poesie – und das ist das Beste, was eine Filmkamera vermag.

Andreas Kleinerts Regie evoziert keine Wie-war-das-damals?-Spannung, sie stellt eine Wie-ist-es-heute?-Frage, wobei die Düsternis, die der Schatten des Todes wirft, in keiner Szene fehlt. Aber die kühle Distanz, die zum Filmgeschehen einzuhalten der Regisseur den Zuschauer auffordert, verhindert, dass man nur bedrückt dasitzt.

Wer den Fernsehapparat einschaltet, um sich zu freuen, kann sich diesem Film ruhig aussetzen – sofern er Freude hat beim Betrachten ausgesuchter Bilder, beim Genuss inszenierter Gegensätze wie lärmende Schickeria hier und ländliche Verlorenheit dort, oder kapriziöse Ehefrau hier und schlichtes Landei (reizend: Fritzi Haberlandt als Polizistin) dort und schließlich noch Freude am Gegensatz eines George, wie man ihn als Schimanski kennt und wie man ihn hier erlebt. Ein schärferer Kontrast ist kaum vorstellbar.

Das Drehbuch von Karl-Heinz Käfer überragt ebenfalls den Standard, man hört keine abgehangenen Fernseh-Phrasen, es reden Menschen. Als Dänert auf einer Party gefragt wird, was er denn jetzt so mache als Pensionär, ob er seine Memoiren schreibe, antwortet er: Sowas Ähnliches. Memoiren kann man auf vielerlei Arten verfertigen. In diesem Film „schreibt“ Dänert sie vermittels seiner Suche nach Jimmy. Wer den Jungen auf dem Gewissen hat, ist letztlich nicht wichtig. Dänert: „Ich will wissen, wer der Junge war.“ Um sodann zu verstehen, wer er selber ist.

„Nacht ohne Morgen“, 20 Uhr 15, ARD

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