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Mitten zwischen die Augen: Um den Familienbetrieb vor dem Ruin zu retten, greift Biggi Lohmann (Katharina Marie Schubert) schon mal zur Schusswaffe.

© HR

"Tatort" mit Wolfram Koch und Margarita Broich: „Fargo“ aus Frankfurt

Wie im Original ächzt Hessen unter eisiger Kälte: Der HR-„Tatort: Falscher Hase“ lässt sich von den Coen-Brüdern inspirieren.

Das Prädikat, den „Tatort“ mit den meisten Toten in Auftrag gegeben zu haben, hat der Hessische Rundfunk seit der Episode „Im Schmerz geboren“ sicher. In der vor fünf Jahren ausgestrahlten Folge des ARD-Sonntagskrimis mit Ulrich Tukur als Kommissar Murot und Ulrich Matthes als genialer Gegenspieler kommen bis zum bitteren Ende 50 Figuren zu Tode, die meisten davon in einem Shootout nach bester Westernmanier.

Damit wäre man bereits bei der zweiten Besonderheit, für die besonders die „Tatorte“ aus Hessen berühmt-berüchtigt sind: Krimi-Experimente, die auf bekannten Genrevorlagen beruhen, so wie vor zwei Jahren, als die Frankfurter Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) die Spukhausgeschichte „Fürchte dich“ aufführten.

Nach Western und Horror folgt an diesem Sonntag der nächste Genreausflug. Regisseurin Emily Atef („Drei Tage in Quibéron“) , die mit Lars Hubrich auch das Drehbuch schrieb, hat „Falscher Hase“ als Krimi- Groteske im „Fargo“-Stil der Coen-Brüder angelegt [„Tatort: Falscher Hase“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 25], nur dass der Mittlere Westen der USA in den mittleren Westen der Bundesrepublik verlegt wurde und es in diesem Fall keinen schwangeren Sheriff – Marge Gunderson als Frances McDormand – gibt, sondern zwei gewiefte Kriminalkommissare, die sich kein X für ein U vormachen lassen.

Der grobe Plot der deutschen „Fargo“-Adaption ist durch das Format vorgegeben. Eine an sich eher banale Tat – in diesem Fall ein geplanter Versicherungsbetrug – wächst sich zum veritablen Kapitalverbrechen aus. Das Ehepaar Hajo (Peter Trabner) und Biggi Lohmann (Katharina Marie Schubert) sieht zur Rettung des in wirtschaftliche Schlagseite geratenen Mittelstandsbetriebs keinen anderen Ausweg, als einen Diebstahl vorzutäuschen, bei dem die gelagerten kostbaren Seltenen Erden entwendet werden.

„Deutschlands dümmste Verbrecher“

Und damit niemand auf die Idee kommen könnte, bei dem Raub wäre es nicht mit rechten Dingen zugegangen, ist Hajo sogar bereit, sich von seiner Frau ins Bein schießen zu lassen. Doch immer dann, wenn Amateure wie die Lohmanns ein perfektes Verbrechen planen wollen, geht dieses freilich schief – in diesem Fall mit fatalen Folgen für den eigentlich krankgeschriebenen Wachmann (Thorsten Merten), der plötzlich im Zimmer steht und einen Schuss mitten zwischen die Augen abbekommt.

Der Treffer sitzt so perfekt, dass die Kriminaltechnik sofort auf Profis als Täter schließt, wenngleich der griesgrämige Brix auch einen Montagsschuss nicht ausschließt. Seine Kollegin Janneke wird hingegen von Beschützerinstinkten für die Ehefrau des angeschossenen Firmeninhabers überwältigt – und schwärmt für deren Rezept für den als „Falschen Hasen“ bekannten Hackbraten mit Eifüllung .

Für die Lohmanns wird die Lage derweil immer komplizierter. Der versuchte Versicherungsbetrug ist nicht unbemerkt geblieben, zu den Amateuren gesellen sich zunächst ein paar Kleinkriminelle, deren Verbindung zur organisierten Kriminalität noch ganz andere Verbrechertypen auf den Plan ruft.

„Deutschlands dümmste Verbrecher“, so würde der Boulevard vermutlich einen Fall wie diesen titulieren, und dies trifft sicherlich auf die kleinkriminellen Trittbrettfahrer zu. Die Naivität der Lohmanns hingegen hat etwas durchaus sympathisches, zumal sie sich ganz offensichtlich auch nach zwanzig Ehejahren noch wie zwei frisch Vermählte lieben und den Diebstahl nicht zuletzt deshalb vortäuschen, um die Mitarbeiter nicht entlassen zu müssen.

Der „Falsche Hase“ trifft den Ton der Coen-Vorlage, zu der es ja nicht nur den Kinofilm mit seinen beiden Oscars gibt, sondern zugleich zwei sehenswerte Serienstaffeln. Wie im Original ächzt Hessen im „Tatort“ unter eisiger Kälte, die kaputte Heizung im Präsidium wird zum Running Gag. Auch das kleinbürgerliche Ambiente stimmt, so wie beim Gelsenkirchner Barock im Wohnzimmer des getöteten Wachmanns.

Den hat es offenbar nicht gestört, dass er seine Ehefrau wegen seiner Arbeitszeiten so gut wie gar nicht mehr gesehen hat. „Wenn Sie nicht gekommen wären, hätte ich das vielleicht gar nicht gemerkt“, erzählt die Frau den Kommissaren, als diese ihr die Todesnachricht überbringen. Am Ende jedoch ist der „Tatort“ ein „Tatort“ und nicht „Fargo“. Spannend ist dabei nicht zuletzt die Frage, welchen Schluss Emily Atef für den „Falschen Hasen“ vorgesehen hat.

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