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Lieber zu zweit als ganz allein.  Bombenentschärfer Conny Stein (Wolfgang Stumph) findet das Flüchtlingskind Olli (Mia Kasalo) in einem stillgelegten Industriegelände. Stein wird sich des Kindes annehmen und gegen dessen Abschiebung kämpfen.

© ZDF

Fast ein+ Anti-Pegida-Film: Dresdner können auch anders

Der ZDF-Film „Blindgänger“ mit Wolfgang Stumph führt vor, wie ein Recht-und-Ordnung-Dresdner zum Kämpfer gegen die Abschiebung eines Kindes wird.

Das passt doch. Pegida hat den wöchentlichen Marsch durch Dresden von Montag auf Sonntag verlegt. Also kann sich die islamfeindliche Bewegung in die Zuschauer einreihen, die am Montag um 20 Uhr 15 das ZDF einschalten. Da startet der Film „Blindgänger“, ein Titel von aktueller Doppeldeutigkeit.

Erzählt wird die Geschichte von Conny Stein (Wolfgang Stumph), dem Bombenentschärfer des Dresdner Kampfmittel-Räumdienstes. Stein muss in Rente gehen. Seine Frau Sanna (Ulrike Krumbiegel) hat schon die Koffer besorgt für die Reisen, die sie eine Ehe lang nicht machen konnte und nun aber mit Conny machen will. Der aber vergrault seine Frau. Ruhestand? Nie wieder im zärtlichen Zwiegespräch mit der Bombe? Conny Stein – nomen est...– ist unverändert in seinen Beruf verliebt und im Umgang selbst mit Sanna schroff, ungelenk, unsensibel. Bei einem weiteren und wirklich allerletzten Einsatz trifft der Entschärfer auf die zehnjährige Olli (Mia Kasalo), die sich im Keller versteckt hielt. Das Mädchen ist einer Razzia entkommen, es soll, obwohl in Deutschland aufgewachsen, nach Tschetschenien abgeschoben werden.

Conny Stein müht sich nach Kräften, Olli auf Abstand zu halten. Überkorrekt, wie er ist, bringt er das Mädchen zum Ausländeramt. Hier setzt seine persönliche Kehrtwende ein. Nach einer ruppigen Auseinandersetzung mit dem Behördenmitarbeiter Mike Zirske (Franz Dinda) kommt sein Recht-und-Ordnung-Deutschlandbild ins Wanken. Ollis Schicksal wird seine Aufgabe – und dann sein Schicksal. Und er steht vor einer doppelten Herausforderung: Seine Frau Sanna ist ausgezogen, hat einen Jugendfreund wiedergetroffen. Der Film „Blindgänger“ bekommt zwei Erzählstränge, die in Conny Stein zusammenlaufen.

Produktionen mit Wolfgang Stumph, bei denen Peter Kahane stets Regie führt und – wie hier zusammen mit Simone Kollmorgen – Drehbuch schreibt, sind in der Erzählweise, bei der Inszenierung und beim Tempo erwartbare Arbeiten. Da steht nichts und niemand kopf, die Wendungen sind so wenig abrupt wie Schwenks und Schnitte, ein Wolfgang-Stumph-Film strömt, er saust nicht.

„Blindgänger“ fügt sich in diese Filmografie ein, und auch wieder nicht. Stumphs Kommissar Stubbe war von geerdeter Menschlichkeit, einer, der bei allem Streben nach Gerechtigkeit im Täter einen gescheiterten Menschen sah. Conny Stein ist ein anderer, als Entschärfer ein Solist, einer, der in seiner Selbstverbissenheit die Bomben mehr liebt als Umgebung und Ehefrau. Sein Hobby? Zünder nachbauen. Das ist einer, der seine Fürsorge für andere auf extreme Weise in sich entdecken muss. An Olli, die eigentlich Olga heißt und mit ihrer Schwester Elena (Natalia Belitski) Deutschland verlassen soll. Conny, der Stein, wandelt sich, dramatisch, existenziell.

„Blindgänger“ nimmt in seinen harten Momenten Anleihen beim Sozialdrama, figuriert im Hauptfilm als Sozialromanze (wer hier Sozialkitsch herausliest, der hat sich verlesen). Mia Kasalo spielt die zehnjährige Olli hinreißend, und Wolfgang Stumph wäre nicht ein überzeugender Bombenentschärfer und kein nachdenklich machender Menschwerder, wenn er nicht diese eine Geste, nicht diesen einen Spielzug mehr hätte, den es zum Charakter braucht. „Blindgänger“ will den Zuschauer weniger anspannen als anrühren. Trotzdem trifft die Produktion Herz und Hirn.

Und es wäre nicht die geringste Leistung des Films, seines Themas und seines Ensembles, wenn am Montagabend mehr Dresdner vor dem Fernseher sitzen, als bei Pegida am Sonntag mitmarschiert sind.

„Blindgänger“, ZDF, Montag, um 20 Uhr 15

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