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Auf dem Sprung. Fünf junge Sportlerinnen suchen die Herausforderung, ungewiss, ob Talent und Training für die Olympischen Spiele reichen.

© WDR/Awounou/Pongratz

WDR-Reihe „Generation F“: Die wahren Olympionikinnen

„Generation F“ zeigt Sportlerinnen ohne Starruhm, dafür mit großen Träumen.

Die Winterspiele im kontrollsüchtigen China führen der Welt noch deutlicher als Sotschi 2014 vor Augen, wie das IOC Baron de Coubertins Jugendfest auf dem Altar von Profit und Kumpanei, Macht und Korruption opfert. Nichts an dieser olympischen Virusvariante verdient daher unsere vertiefte Aufmerksamkeit – abgesehen von einer Gruppe Menschen, die wenig dafür kann, dass Thomas Bach gern mit Despoten kuschelt: seine Athletinnen und Athleten. Zum Beispiel Laura Nolte und Deborah Levi.

Beide weilen zurzeit in Peking, um dort das zu tun, was nahezu alle Protagonistinnen der imponierenden WDR-Reihe „Generation F“ beteuern: sich einen Traum zu verwirklichen. Den Traum von Olympia. Den Traum der Medaille. Den Traum des Dabeiseins. Um praktisch jeden Preis.

Dummerweise träumt ihn die Zweierbob-Besatzung nicht nur aus Sicht politischer Fachleute in der perfidesten Diktatur seit 1945. Ebenso dummerweise aber können sich Nolte und Levi nun mal nur dort mit den Besten der Besten messen. Nicht mehr. Nicht weniger. Aber mehr als genug für ein Dokumentarfilmformat, das abseits aller ideologischen Randaspekte des Weltsports sehenswerter ist als die olympische Karikatur von Peking.

[ „Generation F“, ARD-Mediathek]

Und es spricht unbedingt für die ARD-Mediathek, dass in der Reihe nicht nur außergewöhnliche Sportlerinnen porträtiert werden, sondern solche, die ein Stück abseits vom Rampenlicht anderer stehen. Den Auftakt macht eine Weitspringerin. Statt der amtierenden Olympiasiegerin Malaika Mihambo etwa hat Christiane Schwalm Maryse Luzolo auf begleitet: geboren in Frankfurt und auf ihrem Weg nach Tokio so schwer vom Verletzungspech gebeutelt, dass die Tochter kongolesischer Eltern allein schon Stoff für fünf Folgen „Generation F“ böte, die bislang abgedreht wurden.

Vor fünf Jahren das hoffnungsvollste Talent der deutschen Leichtathletik verdrehte sie sich beim Training so schwer ihr Sprungbein, dass die Karriere beendet schien. Mithilfe eines halben Dutzends Vertrauter vom Trainer über den Freund bis zur ganzen Familie aber schaffte sie es zurück in die Spur und wer das Ergebnis nicht kennt: bitte keinesfalls googlen. Lieber Generation F“ schauen und sich von Luzolos fröhlichem Kampfgeist, ihrer Leidenschaft, der Leidensbereitschaft mitreißen lassen.

Brennen ohne abzuheben

Denn das ist es, was die Reihe insgesamt bemerkenswert macht. Von der Schwimmerin Julia Mrozinski (8. März) über die Speerwerferin Nina Hoffmann (12. April) und das Bob-Duo Nolte und Deborah Levi (10. Mai) bis zu den Cheerleaderinnen Dolphins Allstars (14. Juni) begleitet das Erste Sportlerinnen online, die wirklich brennen, aber nie abheben.

Die wir beim Trainieren und Wettkämpfen, Verlieren und Siegen, Leiden und Jubeln beobachten, aber auch als Menschen im Alltag. Zwei Filmminuten zum Beispiel, nachdem Maryse Luzolo 76 Tage vor Olympia 2021 deutsche Jahresbestleistung springt, sitzt sie bei ihrer Mama in Frank-furt und lässt sich die Haare machen. Beide zum Niederknien sympathisch. Kein Wunder.

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Es liegt schließlich in der Porträtnatur des Fernsehens, die Porträtierten ein wenig anzuhimmeln. Der ehrbare Regisseur Thomas Schadt ist zum 70. Geburtstag von Franz Beckenbauer dabei zwar so tief in des Kaisers Hintern gekrochen, dass er bis heute nicht mehr ganz herausgefunden hat; doch wenn Maryse Luzolos Leidenswegbegleiter zum Auftakt dieser dokumentarischen Annäherung beteuern, ihre Freundin, Tochter, Auszubildende „hat immer gekämpft“, also „alles gegeben“ und „nie aufgegeben“, gehen sie weit übers pathetische Durchhaltestakkato von „DSDS“ bis „GNTM“ hinaus.

Hier lässt das marketingtaugliche Gefasel schließlich echte Taten glaubhafter Träume folgen, die ihnen weder Dieter Bohlen noch Heidi Klum einflüstern, sondern allenfalls der ei-gene, schier unbeugsame Siegeswille. Und so ist „Generation F“ mehr als ein Spiegelbild der Selbstoptimierungsgesellschaft im Dauerkampf um die Ware Aufmerksamkeit.

Sie zeugt von echter Begeisterung mit einer Prise Opferbereitschaft. „An den eigenen Träumen festhalten und weitermachen“ – was Maryse Luzolo aus Sicht ihrer kleinen Schwester Olivia zum Vorbild macht, mag vielleicht zu melodramatisch klingen; es ist Ausdruck einer tie-fen Überzeugung vom Potenzial, das ebenso mitreißt wie die einzelnen Teile dieser kleinen Porträtreihe. Mehr jedenfalls als die gekauften Diktaturspiele von Peking.

Jan Freitag

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