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Verkaufsargumente sind Pegida und Flüchtlinge für die "Superillu" weniger, Ost-Stars dagegen sehr. Jedenfalls in der aktuellen Ausgabe.

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Wie reagiert die "Superillu" auf Pegida?: Die Redaktion hält dagegen

Die „Superillu“ gilt als das Zentralorgan des Ostens. Bei Pegida und Flüchlingen sieht man im Magazin die Aufgabe, dass "aus Polarisierung keine Radikalisierung" wird.

An der Wand lehnt ein Fotobuch über Helmut Kohl, davor liegen zwei weinrote Handschuhe. Gregor Gysi hat sie mal übergestreift, bei einem Fototermin für die „Superillu“, 20 Jahre her. Neben Kohl, neben den Handschuhen sitzt der Politikchef der „Superillu“ in einem Sessel. Gerald Praschl sagt in der Besucherecke seines Büros: „Ich denke, wir müssen jemandem wie Pirinçci nicht auch noch eine Plattform geben.“

Also ist Akif Pirinçci nicht im aktuellen Heft und im nächsten auch nicht. Der Schriftsteller Pirinçci hatte bei einer Pegida-Versammlung 30 Minuten lang rechtsradikale Hassparolen verbreitet. In Dresden. In Sachsen. Im Herzen des „Superillu“-Kerngebiets.

Der Anschlag auf OB-Kandidatin Reker ist großes Thema

Stattdessen ist der Mordanschlag von Köln im aktuellen Heft prominent platziert. Das Attentat eines fremdenfeindlichen Arbeitslosen auf die Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker. Das ist für Praschl wichtiger, hier schließt sich der Kreis zu Pegida. „Natürlich ist es Spekulation, inwieweit Hassparolen, wie sie bei Pegida verbreitet werden, den Täter ermuntert haben. Diskussionswürdig ist es auf jeden Fall.“ In der Ausgabe vom 22. Oktober schreibt Praschl: „Bei einer Pegida-Demo schockte ein Teilnehmer mit einem Galgen, der offenbar zum Lynchmord an Kanzlerin und Vizekanzler auffordert.“

Pegida, Hassparolen, ein Mob, der vor dem Flüchtlingsheim im sächsischen Heidenau Brandsätze zündet, die dunklen Seiten Deutschlands rücken eine Zeitschrift in eine besondere Rolle. „Superillu“ spürt die Seele der Menschen zwischen Ostsee und Thüringer Wald, ihre Sehnsüchte, ihr Gefühl von Heimat. Bei einer wöchentlichen Auflage von knapp 300.000 verkauften Exemplaren lesen 21 Prozent aller Menschen in Ostdeutschland über 14 Jahre Geschichten über die Harzer Schmalspurbahn und Pianos mit Oberlausitzer Innenleben. „Wir schreiben für Menschen, die ihrer Region verbunden sind“, sagt Praschl. „Superillu“ aus dem Burda-Verlag mit Sitz in Berlin gibt die Tonlage vor, sie ist Orientierungshilfe (und vielleicht mehr als das).

Die "Superillu" hält dagegen

Aber jetzt brüllen Menschen, die ihrer ostdeutschen Region verbunden sind, ihren Hass und ihre Wut heraus. Und „Superillu“ muss darauf reagieren. Wie reagiert sie? Verharmlost sie? Hält sie dagegen?

Die Wochenzeitschrift hält vor allem dagegen, mit Reportagen über Flüchtlinge, ihr Schicksal, ihre abenteuerliche Flucht, ihre Situation in der neuen Heimat. „Das Thema hat sehr viele Facetten, und wir versuchen, dass diese sich bei uns auch im Blatt wiederfinden“, sagt Praschl. „Superillu“-Reporter waren am Hauptbahnhof in Budapest, als dort verzweifelte Flüchtlinge warteten, ein US-Korrespondent schilderte im Blatt seine Eindrücke über Pegida, eine Serie beschäftigte sich mit den Hintergründen der Flüchtlingskrise und der Flüchtlingslager.

Khava Vagapova steht für diese Geschichten. Sie ist sehr blass und schmal, als „Superillu“-Reporter sie im Flüchtlingsheim Eisenhüttenstadt treffen. Eine 23-Jährige aus Tschetschenien, mit einem zwei Tage alten Baby im Arm. Es wurde im Heim geboren. Eine Geschichte, die ins Herz trifft. Und ein Kampf mit Symbolen. Hassparolen gegen Bilder eines unschuldigen Babys.

Das Blatt hält auch mit vielen Informationen dagegen. Eine Pegida-Parole lautet: „Stoppt die Islamisierung“. Also rechnet „Superillu“ vor, „dass die allermeisten Muslime in Deutschland nicht dem Islamismus anhängen“. Praschl hatte schon im Januar eine Reportage aus Zaatari in Jordanien geschrieben, dem größten Flüchtlingslager des Nahen Ostens. Die Versorgung ist gut, „aber wenn ich hier fünf Jahre wohnen müsste, hätte ich auch die Nase voll und würde gehen“, sagt er.

Im Blatt geht’s weniger markig zu

Aber er ist Politikchef einer Illustrierten, nur bunte Bilder, nur einfühlsame Reportagen, auch das wären inzwischen Zerrbilder. „Ich habe Verständnis für Menschen, die Angst haben vor dem, was sich verändern könnte.“ Die Stimmung kippt im Land, Praschl will sie aufnehmen. „Es ist klar zu sehen, dass die Diskussion Deutschland sehr polarisiert, verständlich, es ist ja auch eine Schicksalsfrage. Bedenklich ist aber, wenn aus Polarisierung Radikalisierung wird.“

Die Frage ist, ob nun auch die Linie seines Blattes kippt. Sicher nicht, signalisiert Praschl. „Unsere Aufgabe ist es, dass aus Polarisierung keine Radikalisierung wird. Dazu müssen wir noch ganz viele weitere Fakten bringen.“ Im nächsten Heft wird „Superillu“ ausführlich über die Hintergründe des Bürgerkriegs in Syrien berichten. Sein persönlicher Trennstrich ist auch klar gezeichnet. „Mit offensichtlich Rechtsradikalen lässt sich bei allem Bemühen um eine Kultur des Ausgleichs schlecht diskutieren.“

Das hört sich markig an, jedenfalls in diesem Büro. Im Blatt geht’s weniger markig zu. Klassische Kommentare gegen Hassparolen und Attacken auf Ausländer fehlen. Als in Heidenau Flammen vor dem Heim loderten, begann Stefan Kobus, der Stellvertreter des Chefredakteurs, sein Editorial so: „Die Kolumne zu schreiben, um Sie auf dieses Heft einzustimmen, fällt schwer. In Worte zu fassen, was wir hier in der Redaktion dachten und fühlten, als wir ...“ von den Szenen in Heidenau hörten? Nein, Entsetzen löste der Mord an einer 17-Jährigen aus dem sächsischen Robschütz aus. Immerhin aber schrieb „Superillu“ von „schockierenden Ereignissen“ in Heidenau.

Aber selbst die dosierte Kritik reicht. Praschl erhält Dutzende Briefe mit wüsten, sinnfreien, rechtsextremen Beschimpfungen. Manchmal antwortet er dann trocken: „Es wäre schön, wenn man sich mit Fakten beschäftigen würde.“

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