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Hinter einer Maske ist gut aufreißen. Die Kommissare Peter Faber (Jörg Hartmann) und Martina Bönisch (Anna Schudt) besuchen inkognito ein „Pick up“-Seminar.

© dpa

Der „Tatort“ aus Dortmund: Die Menschwerdung von Faber

Masken und Machos: Der Dortmunder „Tatort“ mit Anna Schudt und Jörg Harmann schaut in Schlafzimmer.

Entwarnung für alle, die mit dem „Tatort“ ein bisschen Ablenkung suchen: Die aktuelle Folge aus Dortmund trägt zwar den Titel „Masken“, hat aber mit Viren oder einer Pandemie rein gar nichts zu tun. Wohl aber mit dem Maskenspiel im Allgemeinen, dem Verstellen und Verstecken, dem Ausschmücken und Schauspielern, das sich Menschen zu eigen machen, um den eigenen und fremden Erwartungen gerecht zu werden – als starker Mann oder starke Frau, als zuverlässiger Polizist oder zuverlässige Partnerin.

Nicolas Schlüter (Daniel Kötter), der beim Joggen von einem Auto angefahren und noch einmal mit Absicht überrollt wird, war bis zu seinem Tod Polizist. Nicht deshalb gibt es allerdings zahlreiche Tatverdächtige: Allein 28 Frauennamen stehen in dem Notizblock, den die Polizei in Schlüters heimlich angemietetem Apartment findet. Der Beamte, obwohl gerade werdender Vater, pflegte ein besonders eigenartiges und abstoßendes Maskenspiel: möglichst viele Frauen aufreißen, die man aber nach einem Mal Sex umgehend wieder in die Wüste zu schicken hat. „Es geht nicht um Spaß. Es geht um Macht“, erläutert Zahnarzt Johannes Oberländer (Simon Böer), dem Schlüter als Konkurrent in die Quere gekommen sein könnte. Mit Aufreißtipps in Seminaren, Büchern und Webvideos versuchen sogenannte „Pick-up-Artists“ seit Jahrzehnten ein gutes Geschäft zu machen – ein realer Aspekt der nicht zu leugnenden „toxischen Männlichkeit“, die in dieser „Tatort“-Folge eine Rolle spielt.

[„Tatort: Masken“, ARD, Sonntag, um 20 Uhr 15]

Das Seminar und die plumpen Sprüche, mit denen Oberländer unter dem Jubel des männlichen Publikums den Anheizer gibt, verharmlost eigentlich die zum Teil subtilen Methoden solcher, nun ja, „Aufreißkünstler“. Dass Oberländer ein Zahnarzt ist, bedeutet wohl, dass Männer aus allen Schichten das Zeug zum „Arschloch“ (Kommissarin Martina Bönisch) haben. Interessant ist die Seminarszene aber deshalb, weil Bönisch (Anna Schudt) im Saal sitzt und ihr eifersüchtiger Kollege Peter Faber (Jörg Hartmann) von Oberländer auf die Bühne geholt wird. Da schwingt in jedem Wort auch deren eigene ungeklärte Beziehung mit. Bönisch ist mit Rechtsmediziner Sebastian Haller (Tilman Strauß) liiert, was Faber nicht erst in dieser Folge ziemlich beschäftigt.

So freundlich und zuvorkommend wie nie

Bei dem Kommissar, der einst als tragische Figur nach dem Mord an seiner Frau und seiner Tochter eingeführt wurde und sich als psychisches Wrack oft genug nur dank Bönischs Unterstützung aufrecht halten konnte, ist eine Art Menschwerdung zu beobachten: Faber kann zwar immer noch unverschämt und zynisch sein, aber in „Masken“ sieht man ihn so freundlich und zuvorkommend wie nie – und erstmals sogar in einer zärtlichen Liebesszene. Schlüters Vorgesetzte Katrin Steinmann (Anne Ratte-Polle), Leiterin einer Polizeiwache, hat es ihm angetan. Allerdings kennen sich auch Steinmann und Bönisch. Beide hatten gemeinsam die Ausbildung in der Polizeischule absolviert und sich seitdem aus den Augen verloren.

Die Frage, was damals zwischen den beiden jungen Polizistinnen lief, ist nur ein Aspekt in diesem Dortmunder Fall, der – abgesehen von der Tätersuche – vor allem von der psychologischen Spannung zwischen den Figuren lebt. Und vom feinen Spiel von Schudt, Hartmann und Ratte-Polle, die seit 20 Jahren auf deutschsprachigen Theaterbühnen zu Hause ist, etwa in der Berliner Volksbühne und im Schauspielhaus Zürich. In Kino und Fernsehen scheint sie weniger auf große und populäre Rollen Wert zu legen, sondern auf Herausforderndes und Ungewöhnliches.

[Alle Folgen des True-Crime-Podcasts Tatort Berlin des Tagesspiegels finden Sie hier]

Bei dieser „Tatort“-Folge von Regisseurin Ayse Polat („Im toten Winkel“) sowie von Arnd Mayer und Claudia Matschulla (Drehbuch) stehen die beiden anderen im Dortmunder Team weniger im Fokus. Pawlak (Rick Okon) steckt im Stress, weil die Mutter seiner kleinen Tochter Mia nach wie vor verschwunden ist.

Die neue Kollegin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) erweist sich in ihrem zweiten Einsatz als Hilfe – und als Menschenkennerin, denn auf die Pick-up-„Kunst“ von Paul Lohse (Jonas Friedrich Leonhardi), dem Schlüter Freundin Simone (Kyra Sophia Kahre) ausgespannt hatte, fällt sie nicht herein. Im Gegensatz zu Lohse war Schlüter ziemlich „erfolgreich“ und hinterließ nicht nur seine schwangere Ehefrau Simone, sondern auch eine peinlich berührte Rechtsmedizinerin und die offenbar verliebte Jessica Reimann (Michelle Barthel), die als Polizistin auf der Wache ihrer Mutter arbeitet. Dass es ihr nicht gelungen ist, hinter Schlüters Maske zu blicken, trifft Jessica besonders hart.

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