zum Hauptinhalt
Ramy (Ramy Youssef, re.) sucht Rat beim charismatischen Sheikh Malik (Mahershala Ali).

© Craig Blankenhorn / Hulu

Die Comedyserie "Ramy": Leben mit Koran und Youporn

Wie wächst ein junger Muslim in New Jersey auf? Die Comedyserie „Ramy“ spielt klug mit Stereotypen über das multikulturelle Amerika.

Von Andreas Busche

Gewaltsame Ausschreitungen vor der Moschee einer kleinen muslimischen Gemeinde in New Jersey. Für die Berichterstattung müssen die Lokalnachrichten ihre Perspektive allerdings erst einmal nachkalibrieren. Opfer des tätlichen Übergriffs ist ein weißer Amerikaner, der sich mit islamfeindlichen Demonstranten vor dem Gotteshaus versammelt hat.

Doch der Täter ist ebenfalls weiß, ein konvertierter Irak-Veteran, der unter einer Belastungsstörung leidet. Irritiert sucht die Reporterin nach einem populistischen Ansatz für ihre Story: „Geht von weißen Männern, die zum Islam konvertieren, eine Gefahr aus?“ Die verzerrte Realität in Trump-Amerika.

Der Comedian Ramy Youssef hat in den vergangenen Jahren sein Gag-Arsenal mit Stereotypen über Muslime in Amerika bestückt – und diese klug nach außen gestülpt. In seine Serie „Ramy“ für den Streamingdienst Hulu, die Donnerstag in die zweite Staffel geht, fließen persönliche Beobachtungen und Erfahrungen ein.

Doch dass die Hauptfigur seinen Namen trägt, ist eher eine autofiktionale Finte. Man sollte das nicht allzu ernst nehmen. Youssefs Eltern sind aus Ägypten eingewandert, er ist also mit der schizophrenen Begabung aufgewachsen, als Außenseiter über eine Binnensicht zu verfügen.

Die Eltern leben ein asketisches Einwandererethos vor

Auch seine Figur Ramy muss einige kaum miteinander zu vereinbarende Erwartungshaltungen bedienen. Die Eltern (Amr Waked und die immer großartige Hiam Abbass) leben ihr asketisches Einwandererethos aus Fleiß und Disziplin vor, bei aller Skepsis gegenüber westlichen Gepflogenheiten. Gleichzeitig muss Ramy sich wie seine jüngere Schwester Dena (May Calamawy) durch das Minenfeld typischer Kalamitäten der Generation Y (Dating, Selbstfindung, Zukunftsängste) manövrieren.

Sein Dilemma besteht darin, sich nicht entscheiden zu können, zu welcher dieser beiden Welten er gehören möchte. Allah oder Tinder? Es hilft nicht, dass die Ratschläge seiner besten Freunde Mo (Mohammed Amer), Ahmed (Dave Merheje) und Steve (Steve Way) Ramys Optionen weiter verkomplizieren.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Am Ende der ersten Staffel begab sich Ramy auf die Spuren seiner familiären Wurzeln nach Ägypten, die Reise endete in einer Affäre mit seiner Cousine. Auf dem Tiefpunkt seiner Sinnsuche zwischen Youporn und Koran, bittet Ramy den charismatischen Sheikh Malik (Mahershala Ali) um Rat. Doch seine von guten Absichten verstellten Egoismen gipfeln schnell in einer Katastrophe.

Der Irak-Veteran, den Ramy von der Straße holt und in einem Anflug von Altruismus in der Gemeinde des Sheiks unterbringt, rastet beim Morgengebet aus. Der geistliche Führer beginnt an seinem hoffnungslosen Schüler zu verzweifeln und gibt Ramy schließlich einen geeigneten Lehrmeister zur Hand: einen herrenlosen Hund. Die erste Lektion lautet Demut.

Ramy fungiert als Bindeglied von Migrantenerfahrungen

Der zweiten Staffel von „Ramy“ dürfte hierzulande noch einmal deutlich mehr Aufmerksamkeit zuteil werden als Youssefs Seriendebüt vor einem Jahr. Spätestens mit dem Gewinn des Golden Globes ist er in der Liga von Aziz Ansari („Master of None“) und Donald Glover („Atlanta“) angekommen. Mit Larry Davids „Curb your Enthusiasm“ hat das Genre der „Personality-Comedy“ heute nicht mehr viel zu tun, die zweite Staffel von „Ramy“ ist dafür ein gutes Beispiel.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ähnlich wie der Drogenfahrradkurier in „High Maintenance“ fungiert die Ramy-Figur oft nur noch als loses Bindeglied – in diesem Fall unterschiedlicher Einwanderererfahrungen. In vier der zehn Episoden spielt Youssef, der die Serie mit Ari Katcher und Ryan Welch geschrieben hat, nicht mal mit.

Die Geschichten, die sich um Schwester Dena, Mutter Maysa und Onkel Naseem (Laith Nakli) drehen, ein echtes Ekelpaket und ein Antisemit zudem, der mit den jüdischen Händlern im New Yorker Diamantenbezirk trotzdem Geschäfte macht, gehören dann auch zu den besten der Staffel, weil sie aus dem mentalen Locked-in-Syndrom der Titelfigur herausführen.

Zwischen Humor und persönlicher Tragik

Oscar-Preisträger Mahershala Ali ist als endlos geduldiger Iman schon ein gutes Korrektiv für den unsteten Ramy, sein stiller Witz beruht auf einem Repertoire weniger Gesten und Gesichtsausdrücke. Doch es sind Youssefs Beobachtungen von Ramys sozialem Umfeld, immer spezifisch genug, um kulturelle Typisierungen zu vermeiden, die Humor und persönliche Tragik letztlich ausbalancieren.

Die Widersprüche und Missverständnisse eines Lebens in Amerika bringt keine Episode so schön auf den Punkt wie die um Ramys Mutter Maysa, die nachts als Lyte-Fahrerin arbeitet und sich auf einen Einbürgerungstest vorbereitet.

Was leicht auf einen offensichtlichen politischen Kommentar hätte hinauslaufen können, entwickelt sich zu einer kritischen Selbsthinterfragung der eigenen Vorurteile. Und endet mit einem Treuegelöbnis auf Amerika, das die Vorväter so sicher nicht im Sinn hatten. I am here to stay, bitch.
Die zweite Staffel von „Ramy“ auf Starzplay

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false