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Einst Portugal, jetzt Eisbach: Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, links) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) in der „Tatort“-Folge „Die ewige Welle“.

© BR

"Tatort" aus München: Der Traum von Freiheit

Surfen, Drogen, alte Liebe: „Tatort“-Kommissar Franz "Francisco" Leitmayr wird wehmütig.

Als Franz Leitmayr jung war, schrieb er Gedichte. Er träumte von Freiheit und sinnierte über die Liebe. „Das Gras, auf dem wir lagen, hat sich schon längst wieder aufgestellt“ – diesen schönen Franz-Satz hat Frida nicht vergessen. Nackt und eng umschlugen lagen sie damals am Strand, der Franz, der Mikesch und die Frida – eine Ménage-à-trois 1984 in Portugal. „Zwei Männer und eine Frau, klingt kompliziert“, sagt Kollege Batic. „War kompliziert“, antwortet Leitmayr trocken. Die Frida hätte er gerne für sich allein gehabt, irgendwann stand er einfach auf, kehrte nach München zurück und wurde Polizist. „Ausgerechnet du?“, sagt Mikesch (Andreas Lust) heute beim unverhofften Wiedersehen. Und Frida (Ellen ten Damme), die ihn noch immer „Francisco“ nennt, muss herzlich lachen.

Immerhin ist Kommissar Leitmayr (Udo Wachtveitl), dem in der „Tatort“-Folge „Die ewige Welle“ ganz melancholisch zumute wird, nicht stehen geblieben wie Mikesch, der immer noch mit dem Surfbrett unterm Arm loszieht und nun die Wellen auf dem Eisbach im Englischen Garten reitet. Die Münchener Surf-Attraktion ist ein passender Ausgangspunkt für einen Film über den Traum von Freiheit und ungebundenem Leben, und wieder ist es der österreichische Schauspieler Andreas Lust, der diesem Film seinen Stempel aufdrückt. Wie zuletzt im „Tatort: Für immer und Dich“ spielt er einen Gehetzten, einen Mann auf der Flucht, diesmal nicht, weil er mit einer Minderjährigen verschwand, sondern weil er illegal Schmerzmittel verkaufen will. Mikesch ist freilich alles andere als ein Profi. Es geht eher um ein Gelegenheitsgeschäft, bei dem von Anfang an einiges schiefgeht.

Auf der Flucht

Zu Beginn wird er von einem Junkie angegriffen und mit einem Messer schwer verletzt. Als er im Krankenhaus aufwacht, stehen Batic und Leitmayr an seinem Bett. Dass sich Mikesch, kaum dass die Kommissare das Zimmer wieder verlassen haben, quicklebendig aus dem Staub macht, ist angesichts seiner Verletzung erstaunlich genug. Aber nun geht es erst richtig los. Mikesch flieht vor der Polizei und bald auch vor der Konkurrenz auf dem Drogenmarkt. Seine Freundin hat gerade genug von ihm, er taucht mal da und mal dort unter. Es wird immer auswegloser, aber Mikesch hält eisern an seinem Traum fest: Mit seinem jungen Surf-Kumpel Robert (Justus Johanssen) will er sich in Sri Lanka ein schönes Leben machen, und dann ist da noch Maya (Luise Aschenbrenner), seine geliebte Tochter aus einer gescheiterten Beziehung, die nicht länger auf einen Medizin-Studienplatz warten will. „Schmeiß deinen Traum doch nicht einfach so hin“, sagt Mikesch, der als Vater wohl nicht besonders viel taugte und jetzt umso hartnäckiger seinen Medikamentendeal durchzieht, damit er Maya 50 000 Euro für ein Medizinstudium in Breslau spendieren kann.

„Die ewige Welle“ lässt sich trotz obligatorischer Polizeiermittlung nicht in eine Genre-Schublade sperren. Regisseur Andreas Kleinert hat das Drehbuch von Alex Buresch und Matthias Pacht schön abwechslungsreich inszeniert, als tragikomisches Außenseiterdrama, als melancholische Romanze und auch als Krimi-Klamotte mit skurrilen Nebenfiguren. Das Szenenbild gibt den Typen am Rande der Münchener Gesellschaft eine üppig mit allem möglichen Plunder ausgestattete Heimat. Nicht so sehr die Armut, sondern der (gescheiterte) Traum vom freien Dasein ist hier arrangiert worden. Für Kleinert ist dies aber auch eine politische Geschichte: „Der Mensch, der anders lebt, wird durch existenziellen Druck und Gentrifizierung seiner Wohngegend aus dem sozialen Zusammenhang herausgedrängt. Er passt nicht mehr.“

Von der Vergangenheit eingeholt

Da ist zum Beispiel der klapperdürre Heinrich (Michael Tregor), der über Kontakte in die Drogenszene verfügen und Mikesch beim Verkauf der Schmerzmittel helfen soll. Obwohl Heinrich die Sache viel zu groß ist, vermittelt er Mikesch und sich selbst ein Treffen mit einer eleganten Kunsthändlerin (Genija Rikova) in einer Galerie von beeindruckenden Ausmaßen. Die Dame verhandelt im Auftrag eines anonymen Interessenten.

„Francisco“ dagegen, also der Franz Leitmayr, schwelgt nicht nur in Erinnerungen, die ab und zu wie Videos aus den Achtzigerjahren eingestreut werden, sondern muss sich auch sehr handfest mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen. Frida war schwanger, als er damals das Weite suchte.

„Tatort – Die ewige Welle“; ARD, Sonntag, 20 Uhr 25

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