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Jetzt heißt es überleben. „Spiel des Krieges“ von sp4ce aus Deutschland bedeutet 78 mal 69 Pixel Kunst für das Medium Teletext.

© rbb/sp4ce

Verpixelt noch mal!: Der Teletext geht einfach nicht weg

Warum ein Medium nicht aus der Zeit fällt, auch wenn mancher Sender es nicht glauben will.

Es ist einfach nicht zu glauben. Da ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk landauf, landab, national bis international ins Krisengerede gekommen. Und dann das: internationale Teletext-Künstlerinnen und -Künstler von Bloom Jr. (Deutschland), Buzzlightning (Deutschland) über Juha van Ingen (Finnland) bis Nissla (Österreich) und sp4ce (Deutschland) zeigen bis zum 21. September ihr Können.

Unter dem Titel „Teletext ist Kunst“ gibt es ab Seite 830 des Angebots von „Das Erste“ eine On-air-Ausstellung zu sehen, wie der Sender mitteilte.

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Also Beitragsgeld für Kunst. Ist das gut oder wenn ja – kann das weg? 15 internationale Künstlerinnen und Künstler haben sich der Herausforderung gestellt, mit nur sechs Farben sowie Schwarz und Weiß Kunst zu schaffen, wie es heißt. Das passiere in einem Raster von 78 mal 69 Pixeln mittels speziell angefertigter Teletextsoftware.

Die Bandbreite der unterschiedlichen künstlerischen Zugänge und Umsetzungen reiche von monochromen Bildern über figürliche Darstellungen bis zu abstrakten, teils wie Gemälde wirkenden Kunstwerken.

Der Ausgangspunkt war immer derselbe: Wie kann man ein Bild erschaffen, eine Botschaft senden, ein Gefühl vermitteln, wenn so wenige Farben zur Verfügung stehen und so wenige Pixel auf die digitale Leinwand passen? Das gehe eigentlich nicht – und deshalb sei es umso faszinierender, wenn es doch gelinge.

Feier von Fantasie und Kreativität

Die insgesamt 67 Werke füllen eine pixelige Galerie, sie schaffen etwas Großes, sie feiern die Fantasie und die Kreativität mit sehr wenigen Mitteln und auf sehr wenig Raum und damit und dort, wo es eigentlich gar nichts zu feiern gibt. Nüchterner als der komplett informationsorientierte Teletext kann ein mediales Produkt gar nicht sein.

Teletext wurde 1974 von der BBC ins Leben gerufen, ORF und ARD starteten 1980 mit ihren Teletext-Angeboten; technisch gibt es seitdem kaum Änderungen. Eine Teletextseite ist ein Raster von 24 Zeilen und 40 Spalten. Jeder Rasterteil kann für einen Buchstaben, eine Zahl, ein Sonderzeichen, ein Steuerzeichen oder bis zu sechs Grafikpixel verwendet werden. Und es gibt nur sechs Farben, Schwarz und Weiß.

Deprimierend, oder? Nein, der anhaltende Erfolg zeigt, wie ein Medium alle Zeitläufte, Entwicklungen und Neuerungen überdauern und überstehen kann. Mögen Testbild und Sendepause im aktuellen Fernsehen ein für alle Mal abgeschafft sein, der Teletext ist es nicht.

Einfache Bedienung

Der Erfolg des Mediums, das seit vielen Jahren auch im Internet und als App reüssiert, liegt unter anderem an der einfachen Bedienung, an der hohen technischen Verbreitung und natürlich an seinen topaktuellen Inhalten. Neueste Informationen werden sehr knapp, sehr verständlich und sehr akkurat angeboten.

Jeder kann beim Fernsehen zum Handy oder zum Laptop greifen, klar, aber mit der Fernbedienung ist der Teletext sofort „aufgeblättert“, die richtige Seite angesteuert – und der Inhalt wird in einer solchen Bildschirmgröße angezeigt, dass auch schwächer gewordene Augen nicht lange rätselraten müssen, was sich da an Buchstaben zu Worten und damit zu leicht lesbaren Informationen verbindet.

Mehr als zehn Millionen Menschen sollen allein in Deutschland den Teletext täglich nutzen. Eine imponierende Zahl.

Solcher Erfolg sollte vorsichtig machen, vorsichtig mit Blick darauf, ob so ein altes Medium nicht abgeschafft werden sollte. Genau das wollte der Regionalsender Omroep West in Den Haag. Chefredakteur Henk Ruijl hatte angekündigt, den wohl nicht mehr von vielen Menschen genutzten Kanal mit Nachrichten sowie dem Sport- und Wetterbericht einzustellen und der Redaktion mehr Luft für die übrige Arbeit zu verschaffen.

Protestwelle gegen Abschaffung

Es kam zu einer Protestwelle. Über 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer wandten sich per Mail, Telefon oder Brief an das öffentlich-rechtliche Regionalfernsehen mit der Bitte, den für sie wichtigen Videotext beizubehalten.

Darunter seien auch Zuschauer gewesen, die sich im Namen von Nachbarn oder Eltern gemeldet hätten, auch aus Gefängnissen kam der Hinweis, dass der Videotext dort gerne gelesen wird, sagte der Chefredakteur.

Für etliche Menschen stelle der Videotext einen wichtigen Draht zur Außenwelt dar, dabei handele es sich für den Sender um das einzige Angebot, dessen Nutzung sich nicht messen lasse. „Sie haben uns überzeugt“, hieß es vom Sender in den Niederlanden, auch in Zeiten von Apps, Internet und Tiktok werde Omroep West den Videotext nun beibehalten – und das Angebot sogar ausbauen.

In Deutschland wären die Reaktionen kaum anders. Der Teletext ist gut angelegtes Beitragsgeld und „Teletext ist Kunst“ das passende Quod-erat-demonstrandum.

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