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Rücktritts-Debatte im Netz: "Der sterbende Schavan"

Das Urteil der Universität Düsseldorf ist eindeutig: Annette Schavan hat in ihrer Doktorarbeit "vorsätzlich getäuscht" und verliert deshalb ihren Doktortitel. Das ist nicht nur für Schavan ein herber Rückschlag, sondern auch für das Vertrauen in die Politiker. Die Netz-Debatte im Überblick.

"Ich bin dafür, dass nun alle #Doktorarbeiten der letzten 50 Jahre untersucht werden. #omniplag", twittert @picivi zur Debatte um Annette Schavans (CDU) zurückgezogenen Doktortitel. Und spielt damit augenzwinkernd auf die Netzgemeinde an, die sich bereits in der Vergangenheit Doktorarbeiten deutscher Politiker zur Brust nahm. So gibt es das Wiki "VroniPlag", das sich seit März 2011 mit mehreren verschiedenen Dissertationen beschäftigt. Die Seite ging aus "GuttenPlag" hervor - dem Wiki zu Karl Theodor zu Guttenbergs (CSU) Dissertation. Doch schaut man sich an, wie die Twitter-Gemeinde aktuell unter dem Hashtag #Schavan diskutiert, dann wird klar, dass es um mehr als nur Plagiatsvorwürfe oder Doktorwürden geht. Es geht darum, wie sich deutsche Politiker noch Vertrauen erarbeiten - und erhalten - können. Darum, ob man von "einem Haufen Betrüger" regiert werde, wie @KalleMD fragt. Oder ob, wie @nuttenpapst sarkastisch meint, die Reihe von aberkannten Doktortiteln beweist: "Politiker sind auch nur Betrüger wie Du und ich."

Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) im Stuttgarter Supercomputer "Hermit": "Der Schavan-Countdown läuft..."
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) im Stuttgarter Supercomputer "Hermit": "Der Schavan-Countdown läuft..."

© dpa

Schavan ist nicht die erste Politikerin, der der Doktortitel entzogen wird. Im März 2011 war ihr damaliger Kabinettskollege Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wegen Plagiatsvorwürfen an seiner Doktorarbeit zurückgetreten. Einen Tag vor seiner Rücktrittserklärung hatte Annette Schavan gesagt: "Ich schäme mich nicht nur heimlich." Nicht nur als harsche Kritik, sondern auch als indirekte Aufforderung zum Rücktritt wurde dieses Zitat damals bewertet. Nun, da ihr der Titel entzogen wurde, steht sie unter Druck, selbst zurückzutreten.

Am heutigen Mittwochmorgen hatte Annette Schavan diese Option vorerst ausgeschlossen. Gegen das Urteil der Universität Düsseldorf, die Schavan am Dienstag nach neun Monaten Prüfung wegen "vorsätzlicher Täuschung" in ihrer Promotionsarbeit den vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel entzogen hatte, will sie klagen. "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen", sagte die 57-jährige Ministerin vor Journalisten in Johannesburg.

Nun, da ihr der Doktortitel entzogen werden soll, beginnt die öffentliche Diskussion über Recht und Unrecht. Vor allem die Frage, ob Schavan nun zurücktreten soll oder nicht, wird im Netz stark diskutiert. Der User @FlugHirn erinnert sich an Guttenberg Schicksal: "Nach Guttenberg noch so ein Trauerspiel? Rücktritt, sofort." Für @ibizatobias steht fest: "Es scheint üblich zu sein, für seine Doktorarbeit abzuschreiben. Gut, dass das aufgedeckt wird. Wer betrügt, muss fliegen." Und auch für @alexhouben ist ein Rücktritt lediglich eine Frage der Zeit: "So, der Schavan-Countdown läuft. Was jetzt kommt, kennen wir doch zur Genüge. Irgendwie langweilig..."

Aber nicht alle befürworten Schavans Rücktritt: @hingeschaut findet: "Soll #Schavan nun ihren #Rücktritt erklären? Finde ich doch ziemlich bescheuert... wenn sie gute Arbeit macht, dann ist der Abschluss egal." Das sieht auch @Schneele so: "Es braucht keinen Hochschulabschluss um ein Ministerium zu leiten." Und dennoch, eine leichte Mehrheit spricht sich für einen Rücktritt aus. @ronniegrob: "Eine Bildungsministerin mit aberkanntem Doktortitel soll kein Problem sein? Ich wüsste nicht, was ein grösseres Problem sein könnte."

Neben der Debatte um Schavans möglichen Rücktritt beschäftigt sich die Twitter-Gemeinde auch mit der Frage, ob das Aberkennungsverfahren der Uni Düsseldorf überhaupt gerechtfertigt war. Einige User argumentieren, dass die Doktorarbeit viel zu lange zurückliege, um sie nun einer Überprüfung zu unterziehen. Bestechung verjähre zum Beispiel nach fünf Jahren - aber Zitierfehler nie. Die Frage, ob sich politische Ränkespiele hinter der Überprüfung verbergen, steht im Raum. Dass ausgerechnet im Wahlkampfjahr Schavans Doktorarbeit in die Öffentlichkeit gehoben wird, führt bei den Twitterern zu einigen ironischen Bemerkungen: @NoraLachmann: "Bildungsministerin ohne Studienabschluss. Die CDU als Vorreiterin in Sachen Bildungsgerechtigkeit. Wer hätte das gedacht?"

Schavan selbst hat sich bisher nicht zu den Rücktrittsforderung von Seiten der Opposition geäußert. Bei dem neu eingerichteten "@AnnetteSchavan" Twitter-Account, der "mit Stolz den Doktortitel weiterführen" will, handelt es sich nach Aussagen des Branchendienst Meedia um einen gefälschten Account.

Wahrscheinlicher wird in der Rücktrittsdebatte ein Szenario, wie es @seppgra vorschwebt: "Der Choreograf Uni-Düsseldorf hat einen neuen Tanz kreiert. Der Tanz nennt sich: "Der sterbende Schavan." Was uns noch fehlt, weiß @AmnesiaInsidia: "Schavan schummelt bei Doktorarbeit - jetzt fehlt noch ein betrunkener Verkehrsminister und ein korrupter Finanzminister..."

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