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Szene aus der erfolgreichen ARD-Serie "Babylon Berlin"

© ARD /X Filme Creative

Offener Brief der Drehbuchautoren: Den Schuss nicht gehört

Mehr Mitbestimmungsrechte, Nennungen im Abspann: Ein offener Brief der Autoren an die ARD-Programmdirektorin Christine Strobl rüttelt die Branche auf.

Jeden Monat einen Knaller wie „Babylon Berlin“, mindestens. Das in etwa war und ist das Vorhaben der im April gestarteten ARD-Programmdirektorin Christine Strobl. Und das könnte in Frage stehen, wenn es nach dem Offenen Brief geht, den der VDD (Verband der Deutschen Drehbuchautoren) und Kontrakt 18, dem Verbund von Autoren, an Strobl geschickt haben.

Tenor des Briefes: Der Plan, in der ARD „unverwechselbare“ Geschichten zu erzählen, werde sich nicht verwirklichen lassen, wenn die ARD die Grundlagen der Zusammenarbeit mit den Kreativen nicht zeitnah auf jene verbindlichen Standards umstellt, die bei Netflix, Amazon & Co. längst üblich seien. „Die positiven Erfahrungen, die unsere Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren mit anderen Anbietern gemacht haben, zeigen: Autorinnen und Autoren Augenhöhe vertraglich zuzusichern, ist ein Garant für starke Filme und Serien.“ Mit Mentalitäten und Mechanismen, die noch im vorherigen Jahrhundert wurzeln, werde die ARD im oft bemühten „Kampf um die Kreativen“ definitiv den Kürzeren ziehen.

Starke Worte. Verbunden mit einem Ultimatum bezüglich einer Antwort bis 15. Juli. Und was dann? Steht die ARD bald ohne gute Geschichtenerzähler und spektakuläre Serien dar? Wie konkret ist das Drohpotenzial der Autoren, steht eine Art Streik oder Boykott im Raum? Was wären die Konsequenzen, wenn von Seiten der ARD nichts kommt?

Die Autoren halten sich noch zurück. „Wir sind zuversichtlich, dass wir eine qualifizierte Antwort bekommen“, sagt Dorothee Schön für den VDD. „Je nachdem, wie sie ausfällt, werden sich Kontrakt 18 und VDD gemeinsam überlegen, wie man damit umgeht. Solange wir keine Antwort haben, können wir schwerlich über nächste Schritte sprechen. Der Ball liegt jetzt im Feld der ARD und von Frau Strobl.“ Von der ARD-Programmdirektion aus München war am Freitag keine Stellungnahme zu bekommen. In der gesetzten Frist bis zum 15. Juli werde es eine Antwort auf den Offenen Brief von VDD und K18 geben, sagte ein Sprecher des Ersten dem Tagesspiegel.

Zeit für Christine Strobl und Überlegungen. In dem Brief an die ARD-Grande wird auf ihre eigenen Worte verwiesen. „Es müsse unser Anspruch sein, sagen Sie, ,Geschichten zu erzählen, die unverwechselbar in Deutschland und Europa stattfinden. Das kann Netflix zum Beispiel nicht. Da können wir selbstbewusst sagen: Das können nur wir.’ Erlauben Sie uns, anzumerken, dass diese ,unverwechselbaren Geschichten’ von den Streamern als Markt längst entdeckt wurden. Wir sind jedoch sehr gerne bereit, diese Geschichten auch für Ihren Senderverbund zu kreieren.“

Nun ist die ARD am Zug

Das setze voraus, dass die ARD auf Augenhöhe mit Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren arbeiten wolle. Und diesem Wollen auch Taten folgen lässt.

Konkret wird angesprochen: das Einräumen weiterreichender Mitbestimmungsrechte mit vertraglichen Regelungen für Drehbuchautor*innen (leider habe man in den entscheidenden ARD-Gremien „den Schuss bis heute nicht gehört“). Zudem, heißt es in dem Offenen Brief weiter, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Serien-Schöpfer im Vor- beziehungsweise Abspann auch so genannt werden.

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Dies sei nur ein weiteres Beispiel für die Rückständigkeit der ARD. „Während Kontrakt 18 und der VDD einen aktuellen und sehr differenzierten Katalog zu den neuen Berufsbildern und Aufgaben von Autorinnen und Autoren und Creatorinnen und Creatoren ausgearbeitet haben, orientiert sich die ARD noch an Standards aus dem rein linearen Fernsehzeitalter.“

Die Autoren lassen die Muskeln spielen. Der Offene Brief, so ist zu hören, dürfte in der Branche eine gewisse Wucht entfalten. An Selbstbewusstsein der Autoren mangelt es vor dem Hintergrund der Angebotslage nicht – mit einem halben Dutzend Streaminganbieter, die der ARD in und aus Deutschland Serien wie „Babylon Berlin“ vor die Nase setzen. Gute Kreative, gute Autoren gesucht. Rund 100 Filme und Serien bringt alleine die ARD-Filmtochter Degeto im Jahr auf den Weg. Konkurrenz belebt das Geschäft. Nun ist die ARD am Zug.

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