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Im August 1969 ließ Charles Manson die Schauspielerin Sharon Tate und vier weitere Menschen ermorden.

© Vision Films

Charles-Manson-Doku: Das personifizierte Böse

Vom Musiker zum Mörder: Ein neuer Dokumentar-Langfilm über den Hollywood-Dämon Charles Manson blickt auf die Ereignisse vor 50 Jahren.

Der vollbärtige kleine Mann mit der wilden Haarmähne kommt die Auffahrt des Privatanwesens in Beverly Hills hochgestürmt und ruft laut, er suche Terry Melcher. Wo verdammt er ihn hier fände. Ein Mann auf dem Hollywood-Anwesen teilt dem aufgebrachten Fremden mit, dies hier sei nicht mehr der Wohnsitz des Musikproduzenten Terry Melcher, dem Sohn von Doris Day. Der sei weggezogen. Hier wohnten nun die Polanskis. Der zottelmähnige Aufgebrachte begreift, läuft zur Straße zurück, dreht sich noch einmal kurz um – und in diesem Moment tritt eine bildschöne junge Frau in den Türrahmen. Für einen kurzen Moment begegnen sich ihre Blicke. Es sind die Blicke eines Mörders und seines Opfers. Die von Charles Manson und Sharon Tate.

„Manson: Music from an Unsound Mind“ heißt der neue sehenswerte Dokumentar-Langfilm von US-Filmautor Tom O’Dell, der unter dem reißerischen Titel „Charles Manson. Der Dämon von Hollywood“ in deutscher Erstausstrahlung zu sehen ist. Der deutsche Titel setzt ganz auf den Schockmoment, der mit den Manson-Morden verbunden ist und vor 50 Jahren der Gegenbewegung von Woodstock ein jähes Ende setzte. Doch das ist nur ein Teil dessen, was O’Dells konzise recherchierte und mit reichhaltigem Archivmaterial erstellte Doku ausmacht.

Eigentlich wird hier die Geschichte eines einsamen Mannes erzählt, der schon früh, nach seiner Kindheit in Cincinnati in Ohio, zu den Verdammten dieser Gesellschaft zählt. Heimatlos, ohne Vater, mit einer Alkoholikerin zur Mutter, absolviert er die Karriere eines Kriminellen. Da passiert es: Erstmals hört Manson den Beatles-Song „I Want to Hold Your Hand“. Es ist 1964, als er noch in Haft ist und im Gefängnis Gitarre spielt. Dieser Song, diese Gruppe lässt ihn nicht mehr los.

LSD, Gruppensex, Nichtstun

Im Frühjahr 1967 geht Manson, er ist nun 32, zunächst nach San Francisco, später nach Los Angeles. Er formiert „The Manson Family“ um sich, die vornehmlich aus sehr jungen Frauen besteht: LSD, Acid, Gruppensex, Nichtstun. Und es wird, mit aggressiver Hartnäckigkeit, der Traum des Musikers verfolgt: In einer Zeit, in der die Beach Boys „Surfin’ USA“ singen und bald schon von The Byrds abgelöst werden, nimmt Charles Manson ebenfalls Lieder auf, seine eigenen. Die Aufnahmen, etwa auch in den Goldstar Studios in L.A., sind in Auszügen in diesem zeithistorisch aufschlussreichen Film zu hören. Einer der Manson-Songs heißt „Home Is Where Your Heart Is“.

Doch Manson bekommt nie einen Plattenvertrag. Zugleich vertritt er die von ihm ersonnene „Helter Skelter“-Ideologie, die sich in Rassenwahn und Welt-Apokalypse ergeht. Als auch besagter Terry Melcher ihn nicht produzieren will, dreht Manson durch: In der Nacht vom 8. auf den 9. August 1969 ermordet „The Manson Family“, diese „Bande mörderischer Blumenkinder“, wie es im Off heißt, im Haus des Regisseurs dessen 26-jährige hochschwangere Frau Sharon Tate und vier weitere Personen. Roman Polanski hielt sich zu der Zeit in London auf. Am Cielo Drive, an dem Manson ursprünglich Terry Melcher wähnte, entsteht ein grauenvolles Blutbad. Mit Tates Blut schmieren die Mörder das Wort „PIG“ in großen Lettern an die Tür.

Der manisch-irrsinnige Blick

Am 19. November 2017 stirbt Charles Manson im Alter von 84 Jahren in Kalifornien, wo er eine lebenslange Haft verbüßte. Er hat Sharon Tate und die anderen Ermordeten um ein halbes Jahrhundert überlebt. Sieht man sich „Manson“, dieses herausragende US-Porträt an, in dessen Verlauf die Kamera immer wieder sehr nah auf sein Gesicht geht, so verleiht der manisch-irrsinnige Blick Mansons noch heute Gänsehaut. Sharon Tate musste ihm einmal in die Augen blicken. Einen kurzen, langen Augenblick, an dem die Zeit stillstand. Thilo Wydra

„Charles Manson. Der Dämon von Hollywood“, Arte, Freitag, 22 Uhr 10

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