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Ein Weiter-so darf es nicht geben, das fordern nicht nur die RBB-Mitarbeiter, das verlangt auch die Politik.

© Skolimowska/dpa

Update

„Mit Abberufung allein nicht getan“: CDU-Generalsekretär fordert Untersuchungsausschuss zur RBB-Affäre

Mario Czaja will die Vorgänge im Berlin Abgeordnetenhaus untersuchen lassen. Der RBB stellt das Bonus-System für Führungskräfte in Frage.

Folgt die Berliner CDU im Abgeordnetenhaus gemeinsam mit der FDP dem Vorschlag von CDU-Generalsekretär Mario Czaja, könnte es im Berliner Parlament einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen beim Rundfunk Berlin-Brandenburg geben.

Aus Czajas Sicht ist es mit der Abberufung von Patricia Schlesinger als Intendantin nicht getan: „Offenbar lebte die RBB-Spitze in einem fragwürdigen System, einer gefährlichen Geschäftskultur. Das sollte ein Untersuchungsausschuss aufklären“, sagte Czaja dem Tagesspiegel. Das Abgeordnetenhaus wäre der richtige Ort dafür. Nur ein Untersuchungsausschuss könne das Vertrauen in den Sender wiederherstellen. Auf Antrag von 25 Prozent der Abgeordneten ist das Parlament verpflichtet, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. In Berlin erreichen die Fraktionen von CDU und FDP dieses Quorum.

Im Gegensatz zum Abgeordnetenhaus befasst sich der Brandenburger Landtag seit Wochen mit der RBB-Affäre. Auch der Rechnungshof in Potsdam will die umstrittenen Vergütungen der Chefetage prüfen. SPD-Fraktionschef Daniel Keller sagte, der Aufklärungsprozess stehe noch ganz am Anfang, der Landtag werde diesen kritisch begleiten.

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Hagen Brandstäter, Interims-Intendant des Rundfunk Berlin-Brandenburg hatte in einer Sondersendung im RBB-Fernsehen zur aktuellen Krise des Senders am späten Mittwochabend angekündigt, das System der variablen Gehaltszahlungen für leitende Mitarbeiter beenden zu wollen. „Wir sind uns in der Geschäftsführung des RBB einig, dass dieses System der leistungsorientierten Vergütung für die Führungskräfte keine Zukunft mehr hat.“ Der Verwaltungsrat werde die Aussetzung dieses Systems prüfen. „Ich wage den Prognose, dass es das so weiter nicht geben wird“, sagte Brandstäter und erklärte des Weiteren, dass es in diesem Jahr keine Sonderzahlungen geben werde.

Plus Fahrkostenpauschale und Aufwandsentschädigung

Am gleichen Abend hatte der Sender die Bezüge der Direktoren im Intranet des RBB offengelegt, allerdings nicht das der inzwischen abberufenen Intendantin Patricia Schlesinger. Die Grundbezüge der vier Führungskräfte an der Spitze des RBB betragen zwischen 196 000 und 230 000 Euro. Die leistungsorientierte zusätzliche Vergütung betrug zwischen 30 738 Euro und 39 195 Euro. Das höchste Gehalt und den größten Bonus hatte demnach Brandstäter in seiner Funktion als Verwaltungsdirektor erhalten.

Zusätzlich erhielten alle Direktoren eine Fahrkostenpauschale in Höhe von 500 Euro monatlich und eine Aufwandsentschädigung von monatlich pauschal 250 Euro. Während der Zeit des ARD-Vorsitzes des RBB wurden weitere 1700 Euro monatlich gezahlt.

Der RBB-Verwaltungsrat soll die Aussetzung des jetzigen Bezahlungssystems prüfen.

© Imago/Schöning

In der Form gibt es das variable Gehaltsmodell in keinem anderen ARD-Sender. Dabei wird zwischen dem Grundgehalt und einem verringerten Basisgehalt unterschieden. Um das Grundgehalt zu erreichen, müssen gewisse individuell festgelegte Ziele erreicht werden. Werden die Ziele übertroffen, werden über das Grundgehalt hinaus Prämien gezahlt. Auch das Erreichen bestimmter Einsparziele kann dazu gehören. Laut RBB-Rechercheverbund hat der RBB in den vergangenen Jahren jährlich rund 450 000 Euro zusätzlich an Direktoren, Intendantin und Hauptabteilungsleiter ausgezahlt.

Das Bonussystem war am Donnerstag auch Thema einer Belegschaftsversammlung, in der die Geschäftsleitung die Funktionsweise der leistungsabhängigen Bezahlung zu erklären versuchte. "Es ist absolut unverständlich, dass es nicht genügt, so viel wie unsere Direktoren und Direktorinnen oder unsere Hauptabteilungsleiterinnen und Hauptabteilungsleiter zu verdienen, um das Beste für den Sender zu geben. Sondern dass es noch ein Bonus-System braucht, um eine besondere Motivation zu erzeugen", sagte ein Teilnehmer nach der mehrstündigen Versammlung. Das mag in der freien Wirtschaft sinnvoll sein, aber nicht in einem öffentlich-rechtlichen Sender.

Voller Familienzuschlag für Schlesinger

Die Verärgerung äußerte sich unter anderem in Details wie solchen, dass die Intendantin einen vollen Familienzuschlag erhalten hat, während Freie Mitarbeiter nur einen reduzierten Zuschlag bekommen. Oder dass die Direktoren pauschal 500 Euro für Fahrkosten erhalten haben, während in der Reiseverordnung festgelegt sei, dass das BVG-Ticket erstattet wird.

Das Vertrauen der Mitarbeiter in die Geschäftsführung ist grundsätzlich erschüttert, war auch von anderen Teilnehmern zu hören. "Es ist bemerkenswert, wie hartnäckig der Ruf nach einem kompletten Rücktritt der Geschäftsführung ist", wurde berichtet. Im Intranet des RBB läuft eine Unterschriftenaktion mit der Rücktrittsforderung an die Geschäftsführung. Die Beteiligung daran sei groß, hieß es. Die Geschäftsleitung bezeichnet sich selbst inzwischen als "Sachwalter auf Zeit", deren Aufgabe darin bestehe, den RBB an die künftige Intendanz zu übergeben.

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Die Vergütung der Chefetage hatte der RBB mithilfe einer renommierten Unternehmensberatung neu ausgerichtet: Die Firma Kienbaum stellte dem Sender 2017 für die „Neuausrichtung des Zielvereinbarungssystems“ 2017 eine Summe von 28 000 Euro in Rechnung. Die erste Teilrechnung liegt dem Tagesspiegel vor. Insgesamt verlangte die Firma 47 000 Euro. 2018 kamen 3720 Euro für ein Beratergespräche zum neuen Vergütungssystem hinzu. Im Mai 2019 weitere 4460 Euro – für eineinhalb Beratertage, an denen Kienbaum den Sender bei der Prüfung unterstützte, ob das Management seine vereinbarten Ziele erreicht hat. Laut RBB waren es insgesamt 56 000 Euro für die Beraterfirma.

Der Sender selbst will nun verhindern, dass derlei brisante Informationen das eigene Haus verlassen. Am Donnerstag erschien im hausinternen Intranet eine von Chefredakteur David Biesinger und der Compliance-Beauftragten Anke Naujock-Simon unterzeichnete Drohung an Whistleblower in den eigenen Reihen: Selbst dem eigenen Rechercheteam des RBB, das sich mit der Causa Schlesinger beschäftigt, sollten keine internen Daten übermittelt werden. Die Herausgabe sensibler Daten könne „eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag oder dem Beschäftigungsverhältnis“ bedeuten. „Dazu gehört auch die Herausgabe solcher Daten an recherchierende Journalisten, auch solche, die für den RBB tätig sind.“ Das Rechercheteam des Senders müsse sich ebenfalls an die Pressestelle des Senders wenden.

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