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Ex-Tennisstar Boris Becker beantwortet die Fragen von Sat.1-Moderator Steven Gätjen in einem Exklusiv-Interview.

© dpa / Nadine Rupp/SAT.1/dpa

Boris Becker sprach im TV über Haft: „Du wirst in der Zelle wahnsinnig“

Seit weniger als einer Woche ist Becker wieder in Freiheit. Nun sprach der Ex-Tennisprofi über seinen Gefängnisjob, zwei lebensgefährliche Situationen und Post von Michael Stich.

| Update:

Ex-Tennisstar Boris Becker hat in britischer Haft nach eigenen Worten zwei lebensgefährliche Situationen erlebt. Im Londoner Gefängnis Wandsworth, in dem Becker die ersten Wochen nach seiner Verurteilung verbrachte, habe ihn ein Mithäftling erpressen wollen.

Der „wollte aber an meine Kohle“, sagte der 55-Jährige in einem am Dienstagabend ausgestrahlten Exklusiv-Interview mit Sat.1. Andere Mitgefangene hätten ihn vor dem Mann beschützt, der wegen mehrfachen Mordes bereits 25 Jahre hinter Gittern gesessen habe.

Auch im Gefängnis Huntercombe westlich der britischen Hauptstadt, wo Becker den Großteil seiner rund siebeneinhalb Monate langen Haft verbrachte, habe ihn ein Mitinsasse bedroht.

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„Ich habe so gezittert“, schilderte Becker den Moment. „Der wollte mir an die Wäsche und hat mir auch verbal erklärt, was er mit mir machen will.“ Er sei aber so gut vernetzt gewesen, dass zahlreiche andere Gefangene ihm zu Hilfe geeilt seien. Am nächsten Tag habe sich dann der Mann vor ihm auf den Boden geworfen und entschuldigt. Becker habe ihn hochgezogen und umarmt, erzählte der einstige Ausnahmesportler unter Tränen.

Doch offenbar machte der Ex-Tennisprofi auch angenehme Erfahrungen mit Mitinsassen. Zu seinem 55. Geburtstag habe er drei Kuchen von Mitgefangenen erhalten. Das habe er nicht mal in Freiheit erfahren, sagte Becker. „Die mussten ja quasi von ihrem knappen Geld etwas abzapfen und mir schenken.“ Er habe dann die Kuchen über Tage mit anderen zusammen aufgegessen.

Gefängnis sei „eine andere Welt. Man ist wirklich gleich.“ Einen solchen Zusammenhalt mit anderen Menschen habe er „in der freien Wildbahn nicht erlebt“, erzählte Becker. „Wenn man zusammen wirklich ums Überleben gekämpft hat, das schweißt zusammen.“ Er werde sicher mit einigen Mithäftlingen Kontakt halten. „Wir haben uns gebraucht“, sagte Becker. 

Zudem habe er Mut und Kraft aus zahlreichen Briefen geschöpft, die ihm Fans und Bekannte schickten. Darunter seien auch Überraschungen gewesen: „Michael Stich hat mir einen dreiseitigen Brief geschrieben“, erzählte Becker über seinen Tennis-Kollegen. Das habe ihn sehr berührt.

Auch andere frühere Davis-Cup-Freunde und Prominente wie die Tennis-Trainerin Barbara Rittner hätten ihm geschrieben. „Lange Briefe, jetzt nicht nur ‚liebe Grüße‘, sondern zwei, drei Seiten“, erzählte der 55-Jährige sichtlich ergriffen. „Das hätte ich so nicht erwartet“, sagte Becker. „Das hat mir geholfen, jeden Tag meine Disziplin nicht zu verlieren.“ 

Job als Englischlehrer

Außerdem berichtete der gerade aus der Haft entlassene Becker, wie er zu seinem Gefängnisjob als Lehrer für Englisch und Mathe kam. „Das Problem, das man am Anfang hat, ist, dass man keinen Job hat.“ Später irgendwann könne man in der Küche arbeiten, das Gefängnis saubermachen, diverse Kurse antreten – „doch normalerweise dauert es Wochen, bis man ein Job-Angebot bekommt“, sagte Becker.

Du wirst in der Zelle wahnsinnig. Du gehst die Wand hoch, die nicht besonders hoch ist.

Boris Becker, Ex-Tennis-Star

Dank der Hilfe anderer Häftlinge habe er aber bereits nach zehn Tagen ein Angebot bekommen: „Ob ich denn Englisch und Mathe unterrichten könnte? In einem englischen Gefängnis wird ein Deutscher gefragt, ob er Englisch unterrichten kann und Mathe! Das habe ich natürlich gerne angenommen.“

Von da an habe er jeweils morgens und nachmittags zwei Stunden gegeben, pro Kurs jeweils 25 bis 30 Gefangene. „So wurde mein Leben dann etwas leichter, weil ich aus der Zelle kam.“ Und der 55-Jährige fügte hinzu: „Du wirst in der Zelle wahnsinnig. Du gehst die Wand hoch, die nicht besonders hoch ist. Doch durch den Job nach zehn Tagen hat sich mein Leben etwas normalisiert im Gefängnis.“

Priester machte Telefonat mit Mutter möglich

Wegen seiner Haft habe er sich geschämt, erklärte Becker. „Natürlich war ich beschämt, war es mir mehr als peinlich, dass ich verurteilt wurde“, sagte er. Halt habe ihm seine Familie gegeben. „Aber mein Verhältnis mit meinen vier Kindern war immer sehr offen, sehr direkt, sehr liebevoll“, sagte Becker. Sie hätten seine Stärken und Schwächen kennengelernt. „Da gab es keine Berührungsängste.“

Mit Ex-Frau Barbara hat Becker die Söhne Noah (28) und Elias (23). Anna Ermakova (22) stammt aus einer Affäre mit Angela Ermakova. Mit Noch-Gattin Lilly hat er den Sohn Amadeus (12). Es sei schwer gewesen, seine Familienangehörigen im Gefängnis zu empfangen, sagte Becker. „Du willst auch keinen sehen, du willst es auch deiner Familie nicht zumuten.“ Das Gefängnis sei ein „gefährliches Loch“. Man müsse zudem auch erst einmal mit sich selbst klar kommen, die eigene Balance finden.

Natürlich war ich schuldig.

Boris Becker, Ex-Tennis-Star

Mit der Hilfe eines Priesters habe er vom Gefängnis aus mit seiner Mutter Elvira telefoniert. „An dem Tag, als Muttertag in Deutschland war, habe ich meine Mutter angerufen“, sagte Becker. Er habe ihr gesagt, „dass ich lebe und dass es mir gut geht“. Sie habe ihr Glück kaum fassen können.

Aus seiner Zelle heraus habe er nicht telefonieren können. Als der Priester ihn besuchte, habe dieser das Gespräch möglich gemacht. „Religion und Glaube im Gefängnis ist ganz wichtig“, sagte Becker. Er sei Christ.

An seiner Beziehung zu seiner Partnerin Lilian De Carvalho Monteiro habe er nie gezweifelt. „Ich hatte nicht einen Moment, wo ich das Gefühl hatte, da bricht jetzt was auseinander oder sie verliert die Geduld oder die Lust oder die Liebe“, sagte Becker. „Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben, aber wir haben jeden Tag mindestens einmal telefoniert.“

Becker und seine Freundin de Carvalho Monteiro im März vor dem Southwark Crown Court.

© Alastair Grant/AP/dpa

Durch Lilians Liebe und ihre Entscheidung, trotz der Haft zusammen zu bleiben, habe er überlebt und hätten sie als Paar überlebt. Seine Partnerin habe ihn auch regelmäßig im Gefängnis besucht, nach den zwei gemeinsamen Stunden sei der Abschied aber immer sehr schwer gewesen. „Das Schlimme ist dann, man möchte dann zusammen nach Hause gehen, zum Italiener und ein Glas Weißwein trinken.“ Aber er habe dann zurück in seine Zelle gemusst.

Schuldeingeständnis im TV

Becker berichtete, dass mehrere prominente Freunde ihn nicht im Gefängnis besuchen durften. So sei etwa Fußballtrainer Jürgen Klopp von den Behörden abgelehnt worden. „Jürgen darf dich nicht besuchen, weil der ist zu bekannt. Wir haben Angst um seine Sicherheit, und wir wollen den Rummel nicht“, gab Becker das Gespräch wider.

Erstmals öffentlich gestand Becker seine Schuld in seinem Insolvenzverfahren ein. „Natürlich war ich schuldig“, sagte Becker. Er sei in dem Prozess in London in 29 Punkten angeklagt gewesen. „25 Punkte habe ich gewonnen, in vier Punkten habe ich verloren.“

In dem Prozess wegen Insolvenzvergehen hatte Becker noch plädiert, nicht schuldig zu sein. Die Jury, die ihn schuldig gesprochen hat, habe als Hauptpunkt gesehen, dass er Geld von einem Firmenkonto genommen habe. Außerdem habe er unter anderem das Haus in seinem Heimatort Leimen, in dem seine Mutter lebt, geheim gehalten, sagte der 55-Jährige.

Becker war Ende April von einem Gericht in London zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er Teile seines Vermögens in seinem Insolvenzverfahren nicht ordnungsgemäß angegeben hatte. Nach weniger als acht Monaten kam er am vergangenen Donnerstag – nach 231 Tagen hinter Gittern – wieder frei.

Wie er sagte, habe ihm die Haft körperlich gutgetan. „Ich habe nichts getrunken, nichts geraucht, wochenlang, monatelang sehr wenig gegessen.“ So habe er im Gefängnis mehrere Kilo abgenommen. (dpa, AFP)

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