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Busen-Blitzer: Blank stellt bloß

Ob Fußball-EM oder Madonna: Der „Protestbusen“ ist gegenwärtig, doch nicht jedermanns Sache.

Die Aktion war entlarvend. In den 60er Jahren schnallte sich die österreichische Künstlerin Valie Export einen Kasten mit Vorhang vor den Busen und machte sich zum Objekt. Passanten durften in das „Tapp- und Tastkino“ hineinlangen – was einige gerne taten, wie ein Film zeigt. Heute würde man sagen: zum Fremdschämen, wie sich die Männer da verhalten.

Seit den 68ern sind sexuelle Provokationen auch abseits der Kunst ein gern genutztes politisches Signal oder PR-Instrument. In Amerika rissen sich die „bra burner“-Frauen den BH vom Leib, um ihn zu verbrennen. In Berlin zog die Kommune 1 um Rainer Langhans blank und hielt der als spießig empfundenen Gesellschaft den nackten Hintern entgegen.

Mal geht es um die Menschenrechte, mal um die Freiheit der Kunst: Heutzutage sind es neben nackten Tierschützern vor allem die „Protestbusen“, die die Kameras klicken lassen.

Popstar Madonna machte gerade mit einem gewollten „Busen-Blitzer“ Schlagzeilen. Bei einem Konzert in Istanbul zerrte sie ein Stück vom BH nach unten und zeigte danach ihren Rücken mit dem Slogan „No Fear“ („Keine Angst“). Vermutet wurde, Madonna habe sich mit den türkischen Frauen solidarisieren wollen, die gegen ein Abtreibungsverbot kämpfen. Möglich ist aber auch, dass die 53 Jahre alte Ikone ein bisschen PR braucht. Der Skandal hielt sich in Grenzen.

In der Ukraine und Polen sind es die Frauen von „Femen“, die oben ohne gegen Menschenhandel und Prostitution demonstrieren und bei der Fußball-EM „Fuck Euro 2012“ fordern. „Unsere Brüste sind unsere Waffen“, sagt Aktivistin Inna Schewtschenko. Die Ziele von Femen sind global. Die Gruppe demonstrierte beim Weltwirtschaftsforum in Davos genauso wie vor dem Haus von Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn in Paris, der immer wieder in Sexskandale verwickelt war. Gerade war die Hamburger Reeperbahn Schauplatz.

Was ist davon zu halten, dass der nackte Busen immer noch als Mittel zum Protest und für mediale Aufmerksamkeit taugt?

„Ich bin da natürlich sehr gespalten“, sagt Julia Schramm von der Piratenpartei mit Blick auf Femen. „Grundsätzlich finde ich es aber richtig, dass die Proteste wahrgenommen werden.“ Es sei traurig, dass es funktioniere. „Das ist ein Zeichen dafür, wie kaputt die Gesellschaft ist.“

Kaputt oder konziliant? Der deutsche „Playboy“ wird 40. Was mal als Tabubruch galt – Frauen, die sich für das Magazin auszogen, Männer, die die Zeitschrift offen herzeigten –, das ist in der Inflation allgegenwärtiger Nacktheit geradezu unaufregend. Nackte Haut und Provokation sind heute – Fortschritt oder nicht – zweierlei. Caroline Bock/Joachim Huber

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