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Saudischer Blogger Raif Badawi: Aus der Haft diktiert

Am Mittwoch erscheint das Buch des inhaftierten saudischen Bloggers Raif Badawi. Herausgeber ist n-tv-Journalist Constantin Schreiber. Der Erlös soll Badawis Familie zugute kommen.

Der in Saudi-Arabien inhaftierte Blogger Raif Badawi meldet sich wieder zu Wort – trotz Prügelstrafe. Am kommenden Mittwoch erscheint ein Buch mit Texten von seiner Website, die inzwischen nicht mehr existiert, mitherausgegeben vom n-tv-Moderator Constantin Schreiber. Es ist buchstäblich mit heißer Nadel gestrickt. Als Schreiber Anfang Januar mit dem Ullstein-Verlag zusammen kam, sollte es unter anderem um ein Buchprojekt zum Islamischen Staat gehen, erzählt der Journalist, der in diesen Tagen wegen der Nachrichtenlage rund um das Germanwings-Unglück kaum dazu kommt, sich um die Promotion des brisanten neuen Buches zu kümmern. Dann gab es im Januar die erste Auspeitschung von Badawi, der in Saudi-Arabien wegen islamkritischer Blogs zu 1000 Peitschenhieben, zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt wurde. Der mediale Aufschrei. Und nun: das Buch.

Schreiber gilt als bester Nahost-Experte der RTL-Gruppe

Schreiber, 35, ist einer der besten Nahost-Experten der RTL-Nachrichten-Gruppe, hat stets enge Verbindungen zu der Region gehabt. Bereits als Jugendlicher verbrachte er lange Zeit in Syrien, schrieb für die libanesische Zeitung „Daily Star“, arbeitete für das arabische Programm der Deutschen Welle in Dubai und war als Medienberater für den Nahen Osten im Auswärtigen Amt tätig.

Viele fragten Schreiber imJanuar: Was hat dieser Blogger denn geschrieben? Die Texte waren zu diesem Zeitpunkt gar nicht verfügbar, Badawis Website existiert nicht mehr. „Ich habe über alle möglichen Kanäle, sozialen Netzwerke, Kontakt zu seiner Frau, Ensaf Haider, in Kanada gefunden. Irgendwann hat sie reagiert, spätabends, wir hatten mehrstündige Gespräche. Meine Arabischkenntnisse waren dabei wohl auch ein Schlüssel, Ensaf Haider spricht kein Wort Englisch. Sie wollte mit einem deutschen Verlag das Buch mit den gesammelten Werken ihres Mannes herausbringen.“ Schreiber hat die Texte Badawis dann quasi rekonstruiert, einzelne Sätze gegoogelt. Die Beiträge beschäftigen sich mit der Frage: Wie kann der Islam in einer modernen Welt funktionieren? Was ist mit Frauenrechten, den Rechten von Minderheiten?

Das Buch enthält einen neuen Text, den Badawi telefonisch aus der Haft diktierte

Im Buch gibt es auch einen ganz neuen Text von Badawi. Das Vorwort von „1000 Peitschenhiebe – was ich sage, was ich denke “ hat der Blogger seiner Ehefrau aus der Haft telefonisch durchgegeben. „Wir konnten nicht oft sprechen, deshalb hat er es mir in Etappen diktiert“, sagte Haider der Deutschen Presse-Agentur. Und: Das Buch habe mit dem Verfahren gegen Raif nichts zu tun.
Ob die Veröffentlichung Einfluss darauf haben werde - positiv oder negativ - sei nicht absehbar. Ein Strafgericht hatte den liberalen Aktivisten im Mai 2014 wegen „Beleidigung des Islams“ zu 1000 Hieben, zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe verurteilt. 50 Stockschläge wurden ihm am 9. Januar vor einer Moschee in der Stadt Dschidda verabreicht. Nachdem der Fall international für Aufsehen gesorgt hatte, wurde die Vollstreckung aus gesundheitlichen Gründen ausgesetzt. Der Besuch von Minister Sigmar Gabriel in Saudi-Arabien zuletzt hat sicherlich nicht zur Verschlechterung der Situation von Badawi beigetragen.

Der Prozess gegen den 31-Jährigen soll womöglich demnächst neu aufgerollt werden. „Bis jetzt wissen wir nichts. Es gibt noch kein Datum für einen neuen Prozess“, sagte Haider, die inzwischen als politischer Flüchtling mit ihren drei Kindern in Kanada lebt. Sie sagte: „Raif ist ein guter Ehemann und ein guter Vater, die Kinder vermissen ihn sehr.“ Am Dienstag wird begleitend zum Buch, auch eine Homestory mit ihnen in den RTL-Magazinen wie „Punkt 12“, „Explosiv“ und „Nachtjournal“ zu sehen sein, von Constantin Schreiber im Osten Quebecs gedreht.

Das Badawi-Buch zielt nicht auf Profit

Das Badawi-Buch ist ein Non-Profit-Projekt. Auf die Feststellung legen Schreiber und der Verlag Wert. Die Familie wird einen Großteil des Erlöses aus den Verkäufen erhalten. Die Geldstrafe Badawis beträgt umgerechnet knapp 194000 Euro. Es soll auch ein Badawi-Award für Journalisten ins Leben gerufen werden. Auf die Frage nach dem Zustand von Badawi, der seit 2012 in Haft ist, sagte die Ehefrau: „Es geht ihm sehr schlecht, er hat seine Kinder seit dreieinhalb Jahren nicht gesehen.“ Ihrer Ansicht nach wäre Badawi nach seiner Freilassung in Saudi-Arabien nicht sicher, „die Extremisten sind hinter ihm her“. Egal, wie ein neu aufgerollter etwaiger Prozess ausgehe, Badawi will in dem Land bleiben, dort etwas verändern, sagt Schreiber. Dabei war zuletzt die Rede davon, dass Badawi die Todesstrafe drohe wegen „Abfalls vom Glauben“. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die saudische Regierung das wagt“, sagt Schreiber. Aber natürlich wollen die Herrscher dort auch nicht ihr Gesicht verlieren. „1000 Peitschenhiebe“ – das Buch kommt wohl zur rechten Zeit.

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