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Einsatzbereit? Wer heute zur Bundeswehr geht, muss damit rechnen, in den Auslandseinsatz geschickt zu werden.

© NDR/Willem Konrad

ARD-Doku über Soldaten: Halt suchen bei der Bundeswehr

Der ARD-Dokumentarfilm „Soldaten“ bietet sensible Porträts von drei jungen Männern während der Grundausbildung. 

Eine ernst zu nehmende Medienkritik lautet, Redaktionen würden sich vor allem mit ihresgleichen beschäftigen, also mit Personen (und deren Interessen) aus dem eigenen Milieu, der akademisch geprägten Mittelschicht. Vielleicht ist das so, aber Gegenbeispiele lassen sich auch finden, zum Beispiel den Dokumentarfilm „Soldaten“ von Christian von Brockhausen und Willem Konrad.

Die Autoren haben drei junge Männer während ihrer zweieinhalbjährigen Grundausbildung bei der Panzergrenadier-Kompanie in Hagenow, Mecklenburg-Vorpommern, mit der Kamera begleitet. Dank einer ausschließlich teilnehmenden, nicht kommentierenden Beobachtung sind sensible Porträts ohne bevormundende Bewertung entstanden („Soldaten“, ARD, Mittwoch, 23 Uhr 50).

Als die Bundeswehr vor zehn Jahren in eine Freiwilligenarmee umgewandelt wurde, äußerten Kritikerinnen wie die Linken-Politikerin Christine Buchholz die Befürchtung: „Die Armen werden zu Kanonenfutter.“ Tatsächlich entstammen Jerell, 21, Jeremy, 22 und Alexis, 26, keinen privilegierten Schichten. Zudem bringen sie einige persönliche und familiäre Probleme mit. Von der Verpflichtung bei der Bundeswehr erhoffen sie sich auch, als Persönlichkeit zu wachsen.

Insbesondere Jeremy, ein schmaler, in sich gekehrter Typ ohne Selbstbewusstsein, gerät schnell an seine Grenzen. Der körperliche Drill ist für ihn Tortur, in der Gruppe ist er Außenseiter. Bei der Truppenpsychologin müssen die Rekruten zwar ihre persönlichen Ziele schriftlich formulieren, aber was geschieht eigentlich mit Jeremys aufschlussreichem Zettel?

Die Autoren nehmen sich Zeit für lange Einstellungen, zum Beispiel bei der Einkleidung der Rekruten. Dafür versanden manche Details auch.

Wie sich der einsame, vom frühen Tod der Mutter traumatisierte Jeremy durchkämpft, nötigt Respekt ab, auch weil er in den Einzelinterviews vor der Kamera bemerkenswert offen über seine Probleme redet. Die Armee, so hofft er, werde ihn selbstbewusster machen.

Probleme anderer Art im Gepäck

Den jungen Mann mit dem Hauptschulabschluss treiben aber auch der familiäre Stress und die beengten Wohnverhältnisse in die Bundeswehr – und der Wunsch, „dass ich nicht in Hartz IV abrutsche wie mein Dad“. Ganz andere Typen sind Jerell und Alexis, robuster, kommunikativer und mit Problemen anderer Art im Gepäck.

Alexis, der im Alter von 13 Jahren aus Südamerika nach Deutschland kam und die Sprache „auf dem Bolzplatz“ lernte, hat „früher viel Scheiße gebaut“, wie er sagt. Die Bundeswehr soll dem einst erfolgreichen Boxer Halt und neue Perspektiven geben. Alexis möchte gerne zum Kommando Spezialkommando (KSK).

Wie das Einwandererkind Alexis („Ich möchte dem Land etwas zurückgeben“) treibt den Berliner Jerell der Wunsch an, Gutes zu tun. Der Sohn einer Deutschen und eines US-Soldaten glaubt, er könne als Soldat etwas dazu beisteuern, dass das Leben in anderen Ländern besser wird. Im Ausland eingesetzt zu werden, nennt er von Anfang an als Ziel, zum Leidwesen seiner Mutter.

Einmal geht es aber auch um Rassismus in Deutschland. Unverblümt fragt ein Kamerad den jungen Schwarzen, ob er sich „doll angegriffen fühlt“, wenn er mit dem N-Wort angesprochen werde. Jerell reagiert aufgeschlossen und freundlich.

2500 Soldatinnen und Soldaten werden zurzeit noch im Ausland eingesetzt

Weil er in Berlin in ein kriminelles Umfeld geraten war, musste er in ein Heim in der Nähe von Kiel umziehen. Jerell nennt diese Entscheidung „das Beste, was mir je passiert ist“. Abseits von der Großstadt fand er Halt und neue Freunde, mit denen er im Film an einem See herumtollt, bis es dunkel wird. So ist „Soldaten“ nicht nur ein Dokumentarfilm über Ausbildung und Alltag in der neuen Freiwilligenarmee, sondern auch über das Erwachsenwerden.

Jerells Auslandseinsatz im Jahr 2020 ist leider nicht mehr Thema. Diese Frage bleibt offen: Wie verarbeitet ein junger Mann, der mit einer Mischung aus Neugier, Überzeugung, Furcht und vielleicht auch Abenteuerlust in die Transportmaschine gestiegen ist, die Erlebnisse als Soldat in Afghanistan?

Mittlerweile ist die Mission am Hindukusch beendet. Aber 2500 Soldatinnen und Soldaten werden zurzeit noch im Ausland eingesetzt, mehr als 900 allein in Mali, wo vor zwei Wochen mehrere Soldaten bei einem Selbstmordanschlag verletzt wurden.

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