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TikTok ist die weltweit am schnellsten wachsende Social-Media-App. (Symbolbild)

© Foto: imago/Thomas Trutschel

Livestreams aus Flüchtlingscamps: TikTok soll an Spenden für syrische Familien mitverdienen

In TikTok-Livestreams bitten Hunderte geflüchtete Familien aus Syrien um Spenden. Nach einem Medienbericht kommt aber nur wenig davon bei ihnen selbst an.

Seit Anfang des Jahres gibt es einen neuen Trend auf der Social-Media-Plattform TikTok: Livestreams von syrischen Familien in Geflüchtetenlagern, die um Unterstützung, Spenden und digitale Geschenke bitten – häufig stundenlang.

Bis zu umgerechnet 1000 Euro nehmen einzelne Familien pro Stunde ein, so die britische BBC. Doch wie der Sender weiter berichtet, herausfand, kommt nur ein Bruchteil davon bei den Geflüchteten an, der Rest verbleibt bei TikTok.

Die Familien sitzen laut dem Bericht in den Videos meist vor ihrem Zelt, erzählen von ihrem Leben und bitten um Hilfe. So auch Mona Ali Al-Karim und ihre sechs Töchter. Sie gehe jeden Tag auf TikTok online, ihr Mann wurde in einem Luftangriff getötet, das Geld brauche sie für die Operation ihrer blinden Tochter Sharifa, erzählt sie im Interview mit der BBC.

Die virtuellen Geschenke, um die sie bittet, können Mona und andere Personen über eine App als Bargeld abheben. Die Geschenke reichen von digitalen Rosen für wenige Cents bis hin zu virtuellen Löwen für etwa 500 Euro.

Nutzer sollen mehr Zeit mit der App verbringen

TikTok ist die weltweit am schnellsten wachsende Social-Media-App und hat nach Angaben des Analyseunternehmens „Sensor Tower“ seit ihrem Start im Jahr 2017 mehr als 6,2 Milliarden US-Dollar an Bruttoeinnahmen durch In-App-Käufe erzielt.

Der Trend auf TikTok zu den Spendenaufrufen sei durch sogenannte „TikTok Mittelsmänner“ im Nordwesten Syriens beschleunigt worden, so die BBC. Diese besorgten Telefone, Streaming-Equipment, Sim-Karten und einen TikTok Account für die Familien.

Diese Mittelsmänner arbeiteten mit an TikTok angeschlossenen Agenturen in China und im Nahen Osten zusammen. Diese Agenturen seien wiederum Teil der globalen Strategie von TikTok, Livestreamer:innen zu rekrutieren und die Nutzer:innen dazu zu bringen, mehr Zeit mit der App zu verbringen.

Die BBC hat fünf Monate lang 30 TikTok-Accounts verfolgt, die live aus syrischen Camps sendeten. So fand der Sender heraus, dass Nutzer:innen bis zu 1000 Euro pro Stunde an die Accounts spendeten. Die Familien berichteten hingegen, dass sie nur einen Bruchteil davon erhielten. TikTok erklärte der BBC, die Provision der App liege deutlich unter 70 Prozent, den genauen Anteil nannte das Unternehmen aber nicht.

Von 106 Dollar bleiben nur 19 Dollar übrig

Die BBC testete das System mithilfe eines syrischen Journalisten. Er gab sich einer Agentur gegenüber als Bewohner eines Lagers aus. Er erhielt einen Account und ging live. Ein Mitarbeiter der BBC sendete ihm aus London 106 Dollar, von denen nur 33 Dollar in Syrien ankamen. TikTok hatte also 69 Prozent der geschenkten Summe einbehalten. Weitere 10 Prozent wurden beim Abheben des Geldes abgezogen. Der Mittelsmann erhielt weitere 35 Prozent. Damit blieben der „Familie“ nur 19 Dollar.

Entsprechend der Nutzungsrichtlinien von TikTok ist es Nutzer:innen nicht erlaubt, explizit um Geschenke zu bitten. „Das ist also ein klarer Verstoß gegen die eigenen Nutzungsbedingungen und gegen die Rechte dieser Menschen“, sagte Marwa Fatafta von der Organisation Access Now, die sich für digitalen Rechte von Nutzer:innen einsetzt, im Interview mit der BBC.

Als die BBC die 30 Konten mit Videos der um Geschenke bittenden Kindern, die sie beobachtet hatte, meldete, erklärte TikTok, es läge kein Verstoß gegen seine Richtlinien vor. Erst als die BBC sich zu erkennen gab und direkt um eine Stellungnahme gebeten hatte, sperrte das Unternehmen alle Konten.

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