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Zu Besuch. Leyna und Eva Zahneißen sind ein Tandem der Berliner „Kotti Paten“.

© Thilo Rückeis

Deutsch-Türken in Berlin: Leynas Suche nach Heimat am Kotti

Wir Türken, ihr Deutsche – so redet Leyna oft. Dabei wurde sie in Berlin geboren. Die Elfjährige lebt am Kottbusser Tor, zwischen Junkies, Touristen und Trinkern. Die „Kotti Paten“ helfen ihr, sich zurechtzufinden. Unser Blendle-Tipp.

Von Ronja Ringelstein

Leyna steht an der Ampel und wartet auf Grün. Um sie herum erstreckt sich der große Platz um den Bahnhof Kottbusser Tor in Kreuzberg. Die Drogerie neben „Kottiwood Gemüsekebap“, Autos hupen, Radfahrer drängeln, so viele Menschen auf den Bürgersteigen. Trinker, Junkies, Touristen. Und Leyna, elf Jahre alt. Das dunkelbraune Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Das hier ist ihre Heimat. Sie will weit weg.

„Jetzt ist es wieder voll hier“, sagt sie und sieht dabei nicht sehr fröhlich aus. Schon fast ihr ganzes Leben wohnt Leyna am „Kotti“, jener Gegend, die früher auch Klein Istanbul genannt wurde. Mit ihrer Mutter und dem drei Jahre älteren Bruder lebt sie in einer Zwei-Zimmer–Wohnung, viel Platz ist dort nicht. „Wir haben ein Hochbett, unten schlafe ich mit meiner Mama und oben schläft mein Bruder“, sagt Leyna. Deswegen ist sie am liebsten draußen. Spielt unten im Hof zum Beispiel oder geht zur Koranschule.

Aber heute ist Mittwoch, da trifft sie sich immer mit Eva Zahneißen, 28 Jahre, geboren in einer Kleinstadt in Rheinland-Pfalz, Uniabschluss und selbstständige Schmuckdesignerin. Die junge Frau steht neben dem Mädchen und sagt: „Wir leben beide in unserer eigenen Welt, aber manchmal besuchen wir uns.“

Leynas Welt ist klein. Raus aus dem Hinterhof, durch das Tor, bis zur nächsten Straßenecke ins Café. Weiter darf sie allein nicht. Zu gefährlich. „Da haben die sich geprügelt“, sagt Leyna und zeigt auf den Platz vor der Drogerie. Die, das sind die Dealer, die hier jeden ansprechen. Auch Kinder. Leyna ist der Kotti unheimlich.

Mit Eva Zahneißen fühlt sie sich etwas sicherer. Wie jede Woche hat Zahneißen Leyna zu Hause abgeholt, sie gehen am Gemüsestand vorbei, ein Stück in die Reichenberger Straße auf ein blockartiges Hochhaus zu, gewissermaßen das Hauptquartier des Projekts „Kotti Paten“. Seit zweieinhalb Jahren sind Leyna und Zahneißen ein Tandem. Regelmäßig unternehmen sie etwas, gehen ins Kino, in den Kletterpark, machen Hausaufgaben zusammen. Fast alle der 30 Patenkinder stammen aus Migrantenfamilien.

Fragt man Leyna, woher sie kommt, als was sie sich selbst versteht, sagt sie, sie sei Türkin.

In Berlin leben rund 200.000 Menschen mit türkischen Wurzeln. 79.000 von ihnen besitzen den deutschen Pass. Allein in Leynas Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sind es 11.500. Schon Leynas Mutter wurde in Deutschland geboren. Auch sie wuchs am Kotti auf. Mit 18 Jahren wanderte die Großmutter aus der Türkei aus. Als Deutsche fühlen sie sich trotzdem nicht. Die Türkei bleibt für Leynas Familie und Zehntausende andere ein Sehnsuchtsort.

Wie tief die Verbundenheit mit der alten Heimat ist, sah man zuletzt eindrucksvoll in Köln. Im August gingen dort fast 40.000 Deutsch-Türken auf die Straße, beschimpften deutsche Politiker und Medien. Der Aufmarsch galt als Bekenntnis zu Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Ankara, der sich zu dieser Zeit mit diktatorischen Vollmachten ausstatten ließ.

Leyna versteht von Politik nichts, sie will nur glücklich sein – und Eva Zahneißen will ihr dabei helfen. Also rein in das Haus, das früher mal ein Altenheim war, vorbei an drei betrunkenen Männern, die wankend ...

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