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Vom Hochwasser betroffene Kinder sitzen neben ihren Habseligkeiten.

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Land unter in Asien: Wie der Klimawandel den Monsun durcheinander wirbelt

Die Monsunwinde in Südasien forderten in diesem Jahr schon mehr als 270 Todesopfer. Die extremen Regenfälle werden immer unberechenbarer.

„Es regnet weiter und alles ist überschwemmt. Die Flüsse haben extremes Hochwasser und laufen über“, berichtet Geeta Lama von Save the Children aus Assam dem Tagesspiegel. Sie ist im Nordosten Indiens, in einer Region, die neben Bangladesch, Pakistan und Nepal besonders stark von den Monsun-Regenfällen betroffen ist. Der Dauerregen verursacht Erdrutsche und lässt Häuser einstürzen, ganze Straßenzüge werden von Schlammlawinen mitgerissen. In Mumbai kamen insgesamt 14 Menschen ums Leben, nachdem am Dienstag ein Gebäude eingestürzt war. Mittlerweile verzeichnen die Behörden über 270 Todesopfer, die Zahlen steigen täglich.

Geeta Lama schildert die Lage: „Mehr als 450 Hilfslager wurden in Assam erbaut und versorgen die Menschen mit Trockennahrung. Allein in Indien sind schätzungsweise 1,7 Millionen Kinder von dem Monsun betroffen. Viele der Regionen sind aber nach wie vor unzugänglich.“ Momentan versuche die Organisation 15000 Kinder in Assam zu erreichen, um sie mit Wasser, Nahrung, Zelten und Medikamenten zu versorgen. Das Risiko, dass Krankheiten und Epidemien ausbrechen könnten, sei extrem hoch.

In den kommenden Tagen werden in Nepal und Nordindien 300 Liter Regen pro Quadratmeter erwartet. Zum Vergleich: In Deutschland hat es im ganzen Juni durchschnittlich nur 55 Liter pro Quadratmeter Niederschlag gegeben. Monsunregenfälle sind in den Monaten von Juni bis September auf dem indischen Subkontinent üblich. Sie entstehen durch warme Winde, die über dem indischen Ozean extrem viel Wasser aufnehmen und in den Sommermonaten in Richtung des Festlands wehen. Dort bleiben sie an der Gebirgskette des Himalayas, in Nepal, hängen und entleeren sich großflächig. Die jährlichen Niederschläge im Spätsommer entscheiden über Einkommen und Lebensbedingungen von Millionen Menschen. Die Region ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt und Ernteausfälle führen zu Hungersnöten. Während die Regenfälle 2016 viel zu schwach waren und eine Dürrekatastrophe zur Folge hatten, sorgten viel zu starke Niederschläge bereits 2017 zu extremen Überschwemmungen bei denen mehr als 2000 Menschen ums Leben kamen.

Ein indisches Nashorn schwimmt durch den nach dem Monsun überfluteten Kaziranga-Nationalpark in Assam.
Ein indisches Nashorn schwimmt durch den nach dem Monsun überfluteten Kaziranga-Nationalpark in Assam.

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Die Klimaerwärmung bringt den Regen durcheinander

Ursache für die Unwetter in diesem Jahr sei zweifellos die globale Erderwärmung, sagt Elena Surovyatkina vom Potsdamer Klimaforschungsinstitut. „Wir haben festgestellt, dass der Klimawandel den Monsun im indischen Sommer in zweierlei Hinsicht beeinflusst: In den letzten zehn Jahren hat die Intensität der Monsunregenfälle in Zentralindien zugenommen und der Rückzug des Monsuns hat sich in die späten Sommermonate hinein verzögert. Höhere Frühlingstemperaturen und eine langsamere Abkühlung im Herbst hängen ebenfalls mit der globalen Erwärmung zusammen“, erklärt Surovyatkina.

In diesem Jahr sei die Zeit vor dem Monsun besonders ausschlaggebend gewesen. „Am 22. Mai sind in der dicht bevölkerten Region Vidarbha in Zentralindien 47,8 Grad gemessen worden. In Saudi-Arabien und Kuwait waren es Anfang Juni 52,2 Grad. Aufgrund dieser extremen Hitze ist der Zyklon Vayu entstanden und hat den Beginn des Monsuns völlig durcheinander gebracht“, sagt Surovyatkina. Mit der globalen Erwärmung würden sich die Monsun-Regenfälle immer weiter verändern und unberechenbarer werden. „Anstatt den gesamten indischen Subkontinent allmählich durch intensive Schauer zu bedecken, ähnelt der Monsun in diesem Jahr einer undichten Decke.“ Die Klimaforscherin prognostiziert, dass die Regenfälle in Zukunft überhaupt nicht mehr enden, sondern unregelmäßig und unvorhersehbar das ganze Jahr wüten werden.

Nepalesische Menschen laufen durch überschwemmtes Gebiet.
Nepalesische Menschen laufen durch überschwemmtes Gebiet.

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Hütten aus Bambus und Plastik können dem Wetter kaum trotzen

In Bangladesch leben mehr als 900.000 Rohingya in Flüchtlingslagern. Die muslimische Minderheit musste wegen Verfolgung aus dem Nachbarstaat Myanmar fliehen. Ihre behelfsmäßigen Hütten aus Bambus und Plastikplanen sind besonders betroffen und können den Überschwemmungen kaum trotzen. Von den Behörden wurden bereits 59 Todesfälle gemeldet. David Skinner, Sprecher von Save the Children in Bangladesch, berichtet dem Tagesspiegel von der Situation: „Nach zwei oder drei Wochen Dauerregen, hat der starke Niederschlag jetzt aufgehört. Viele Menschen haben Durchfall. Das Problem ist, dass Medikation und Reparaturen aus den Kassen bezahlt werden müssen, die ohnehin schon überstrapaziert sind und kaum für das Nötigste der Menschen hier reichen.“ Bereits vor den Regenfällen seien über zehn Prozent der Schutzsuchenden unterernährt gewesen. Immerhin seien für die nächsten Wochen keine weiteren Regenfälle angesagt. „Das gibt uns Zeit, die Camps wieder aufzubauen.“

In dem indischen Bundesstaat Assam ist noch nicht sicher, wann der Dauerregen aussetzen wird. Geeta Lama warnt vor den Folgen: „Die Regenfälle haben den Ernten und den Nutztieren massiv geschadet, das wird langfristige Konsequenzen haben: Menschen müssen umsiedeln und es wird wenig Nahrung geben.“ Lama fürchtet außerdem eine höheres Kriminalitätsrisiko im ausbrechenden Chaos: Frauen und Kinder seien besonders gefährdet, Opfer von Menschenhandel und Plünderei zu werden.

Joana Nietfeld

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