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Papst Benedikt XVI zu Besuch in Bayern im Jahr 2006 mit einem Mädchen in Landestracht.

© imago/photothek

Ex-Papst Benedikt gibt Falschaussage zu: Keine Einsicht, keine Reue, ein moralischer Bankrott!

Joseph Ratzinger hat im Missbrauchsskandal Falschaussagen zu einem brisanten Treffen zugegeben. Wo bleibt seine Entschuldigung für das Leid? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Da sagen die Vatikan-Kundigen doch gerne, der emeritierte Papst Benedikt XVI. sei trotz seiner 94 Jahre noch gut beieinander. Besonders sein Langzeitgedächtnis funktioniere einwandfrei. Und dann das: Benedikt, bürgerlich Joseph Ratzinger, muss zugeben, in seiner Stellungnahme für das Missbrauchsgutachten des Erzbistums München eine falsche Aussage gemacht zu haben. Was an sich schon gravierend genug ist.

Nun lässt er seinen Privatsekretär, Kurienbischof Georg Gänswein, bei der  Korrektur seiner Aussage aber noch dazu „betonen, dass dies nicht aus böser Absicht heraus geschehen ist, sondern Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme war“. Ein Versehen. Heißt: Die anderen sind schuld.

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Immer die anderen? Der damalige Erzbischof Ratzinger hatte entgegen seiner ersten Behauptung am 15. Januar 1980 doch an einer Ordinariatssitzung teilgenommen, bei der über einen Priester gesprochen wurde, der schon mehrmals wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auffällig geworden war.

Nur, das Bestreiten half nichts. Die Bistumsakten enthalten ein Protokoll der Sitzung, und das verzeichnet Ratzinger als Redner. Es ging unter anderem um die Trauerfreier für den Berliner Kardinal Alfred Bengsch.

Die Gutachter von der Anwaltskanzlei „Westphal Spilker Wastl“ waren deshalb auch überzeugt, dass Ratzinger die Vorgeschichte des Priesters Peter H. kennen musste. H. war als Pädophiler verurteilt, kam 1980 aus dem Bistum Essen nach München und missbrauchte dort weitere junge Menschen. Nicht nur nach Meinung der Anwälte war der Ex-Papst „wenig glaubwürdig“.

Plötzlich doch ein ganz gutes Gedächtnis

Für Benedikt erklärte Bischof Gänswein jetzt außerdem, dass in der seinerzeitigen Sitzung „über einen seelsorgerlichen Einsatz des betreffenden Priesters nicht entschieden wurde. Vielmehr wurde lediglich der Bitte entsprochen, diesem während seiner therapeutischen Behandlung in München Unterkunft zu ermöglichen“.

Erstaunlich: Das erinnert der frühere Papst also auch wieder ganz genau? So genau wie, dass er gar nicht anwesend war?

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1900 Seiten hat der Bericht der Anwaltskanzlei, demzufolge mindestens 497 Kinder und Jugendliche zwischen 1945 und 2019 im Bistum von Priestern, Diakonen oder anderen Mitarbeitern sexuell missbraucht worden sind. Allerdings gehen die Gutachter von einer viel größeren Dunkelziffer aus.

Benedikt, so heißt es, studiere gerade das Gutachten, und das Gelesene erfülle ihn mit „Scham und Schmerz über das Leid der Opfer“. Von einer Entschuldigung für das Leid, für die vom Missbrauch durch Kirchenangehörige zerstörten Leben steht in der Stellungnahme Ratzingers aber nichts. Stattdessen die Bitte, dass die Öffentlichkeit ihm sein Versehen entschuldigt.

Ein Versehen. Wer soll das glauben. Keine Einsicht, keine Reue, ein moralischer Bankrott. Und das von einem früheren Papst. Einem, der zurückgetreten ist - weil er wusste, was kommen würde? Für ihn, der glaubt, in jedem Fall am Ende das Fegefeuer. Gott hält dem Menschen den Spiegel vor, und dann werden ihm die Momente im Leben bewusst, in denen er aus Engstirnigkeit oder Angst nicht imstande war, gottgefällig zu handeln. Herr im Himmel, hilf.

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