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Wohnen, wo andere arbeiten. Das Corinthia Hotel befindet sich direkt im Regierungsviertel von London.

© Barbara Kraft

Hotelkolumne: Eine Nacht im Londoner Corinthia

Getrüffeltes Ei und Champagner? In Whitehall undenkbar. Doch dieses Hotel ändert alles – und setzt auf Kristallleuchter statt grauer Trenchcoats.

Es gibt kaum einen Ort, der mehr nach dem Postkartenmotiv London aussieht. Wenn man auf der Dachterrasse des Corinthia Hotels steht, dreht sich auf der gegenüberliegenden Seite der Themse das Riesenrad London Eye, rechts ragt Big Ben in den Himmel, und im Rücken wacht Lord Nelson auf seiner Säule über den Trafalgar Square.

Man hört Autos hupen, Busse brummen, manchmal flucht jemand, „Oi, watch it!“, als Gast ist man theoretisch mitten im Geschehen, doch in der siebten Etage fühlt man sich meilenweit entfernt.

Trotz der Geschäftigkeit, die tagsüber herrscht, stand diese Ecke lange für ein London, das höchstens Durchlauferhitzer war und nicht lebte. Wo das West End langsam in ein Dead End überging, in eine Sackgassengegend ohne Seele. Die Regierung unterhält hier Büros, tagsüber laufen ernste Herren in Anzügen durch die Straßen, abends fegt der feuchte Wind das Laub umher. Kaum jemand wohnt in dieser Gegend. Regierungsviertel, Behördenblase, Whitehall.

Vom Zimmer aus könnte man in die Schreibstuben der Ministerien und auf den Trafalgar Square blicken.
Vom Zimmer aus könnte man in die Schreibstuben der Ministerien und auf den Trafalgar Square blicken.

© Jack Hardy

Und auch das helle Sandsteingebäude des Corinthia funktionierte lange als Staatsrefugium. Zwar wurde es bereits gegen Ende des 19. Jahrhundert als Hotel errichtet – damals bewirtete König Edward VII. eine Gäste in der eigenen Suite – , doch bereits 1936 übernahmen dann Herren in Trenchcoats das Haus und entzogen es der Öffentlichkeit. Das Verteidigungsministerium mietete die Räumlichkeiten, der militärische Geheimdienst MI9 soll im Zimmer 424 sein erstes Hauptquartier gehabt haben. Erst 2011 zog wieder ein Hotelbetrieb ein, das Corinthia.

Ernst, erhaben, nüchtern. Gegen diesen Ruf spielt das Haus an und zieht gleich alle Register. Ein monumentaler Kronleuchter hängt in der Lounge, bestehend aus 1001 Kristallleuchten, die einen Lichtball ergeben. In den Suiten warten Marmorkamine, damit sich der Gast wie auf dem Landsitz in Sussex fühlt – und den Luxus einer Zentralheizung genießen kann. Auf dem Tisch steht eine Flasche Champagner. Es wirkt alles diskret glamourös, aber möchte man wirklich nahe dem Hängeordnerparadies der Ministerien übernachten?

Ein bisschen Leben bringen inzwischen die Londoner in den dreieckigen Bau, wenn sie nachmittags und abends zum Trinken und Essen vorbeischauen. Sie sitzen in der Lounge, nippen am China Chilong Tea, probieren Sandwiches mit getrüffeltem Ei oder Gurke und kosten die süßen Schweinereien, die Oberkellner Giacomo ihnen serviert. „Die Kastaniencreme“, sagt der Italiener nur und guckt einen an, als wäre damit alles geklärt. Ein Biss hinein, oh ja, mehr ist nicht zu sagen.

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Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich Temperatur und Geräuschkulisse ändern. Eben noch in der behaglich warmen Lobby gesessen, vor sich die riesigen Blumensträuße und ein bisschen Klaviermusik im Ohr, nun nach draußen, wo der Wind englisch pfeift und die Menschen vom Trafalgar Square rufen, telefonieren und schreien.

Tausendfach schiebt sich normalerweise die Schlange um den Platz, findet stets neue Formen wie bei einem Snakespiel. Nach Corona ist es ein bisschen weniger geworden, das Sprachgewirr aus Spanisch, Chinesisch, Koreanisch fehlt.

Früher flüchteten Besucher und Londoner in die National Gallery, um Ruhe zu haben. Das Museum am Kopf des Platzes verlangt keinen Eintritt, weit hinten vor den Gemälden von El Greco konnte man sinnieren und auf den Sofas vor einem riesigen Turner einnicken. Heutzutage muss man sich vorher online anmelden, geht links durch den Anbau hinein, junge Museumsangestellte stehen mit Klingelbeuteln vor den Menschen und fordern: „Eine Spende, bitte! Eine Spende, bitte!“ Die Ruheplätze vor den Großformaten sind heiß begehrt, um ein Nickerchen vor einem Meisterwerk zu machen.

Natürlich steht ein Besuch in der Jermyn Street auf dem Programm, fünf Minuten Fußweg vom Tummelplatz entfernt. In der Straße verkaufen Händler seit Generationen, was Gentlemen verlangen: Hemden. Charles Tyrwhitt in der Nummer 92, Turnbull & Asser in der 71, in dieser traditionsreichen Gasse spazieren entsprechend wenige Frauen herum, das Old Empire ist hier ganz Old School auf Männer eingestellt.

Britischer Nationalheld Lord Nelson wacht über den Trafalgar Square.
Britischer Nationalheld Lord Nelson wacht über den Trafalgar Square.

© Reuters

Zurück in Richtung des Hotels. Gleich nebenan liegt der Bahnhof Charing Cross. Unter seinen Gleisen, im Bauch des Betonmonsters, tobte das moderne Leben. Ihr Herren, Hemden aus, Sneakers an! Seit Jahrzehnten feierten im Nachtclub Heaven die Hedonisten der Stadt. Zwei große Dancefloors, lange Tresen, Menschentheater. Dragqueens am Einlass und Schwarztaxis am Ausgang.

Drinnen hatten die Schwulen das Sagen, es gab eine VIP–Area, in der Popstars hinter Vorhängen saßen, und Toiletten, vor denen Türsteher Unanständiges zu verhindern suchten. Alles Vergangenheit im Moment. Erst nach Corona wird wieder getanzt. Wenn man dann im Corinthia wohnen würde, könnte man sich den „Walk of Shame“ heimwärts sparen, diesen halbbetrunkenen Gang entlang der indischen Fahrer mit ihren Sonderpreisen für Suburbia. Nur der Portier würde unbeeindruckt grüßen. Have a good night, Sir!

Noch mal ein Anstandsbesuch bei Lord Nelson, dem Mann mit dem Dreieckshut. Er schaut auf seiner Säule weit über die Hauptstadt hinweg. Was sieht er? Ein Pärchen beäugt den General skeptisch. „Ist das Napoleon?“, fragt der Mann. Oh dear, bloß umdrehen.

Reisetipps für London:

Hinkommen: Von Berlin aus fliegen British Airways, Ryanair und Easyjet nach London. Die billigsten Tickets kosten ab 60 Euro hin und zurück.

Unterkommen: Ein Doppelzimmer im Corinthia gibt es ab 560 Euro pro Nacht, momentane Sondertarife bieten ein Guthaben bis zu 200 Pfund, das Gäste zum Beispiel im hauseigenen Restaurant von Sternekoch Tom Kerridge ausgeben können, corinthia.com.

Rumkommen: Travelcard kaufen, in einen Bus setzen und losfahren. Besser kann man die Stadt nicht kennenlernen. Diese Reise wurde unterstützt von Corinthia London.

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