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Im Zürcher Florhof steigen gern Musiker und Schriftsteller ab.

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Hotelkolumne: Eine Nacht im Florhof

Dieses Hotel in Zürich ist wie die Schweiz: klein, diskret und unabhängig. In den Gewölben liegen Weine aus dem Wallis, in den Betten internationale Künstler.

Ein Hauskonzert! Das wär’s jetzt. Man stelle sich vor, der berühmteste Schweizer Chansonnier Stephan Eicher schreitet nun über die Holzdielen und setzt sich an die Una Corda. So heißt dieses besondere Klavier, wo jeder Taste statt der gewöhnlichen drei nur eine Saite zugeordnet ist.

Dieses kastenförmige Instrument wartet im Salon des Zürcher Florhof, vorbei am verzierten Kachelofen, rechts hinter der Tür, und manchmal improvisiert Herr Eicher an diesem Gerät, wenn er im Haus nächtigt.

Vielleicht sogar seinen größten Hit, „Eisbär“, den er mit der Band Grauzone gesungen hat. Aber deshalb gleich ein Konzert annoncieren, darauf käme Hoteldirektorin Isabelle Zeyssolff nie. Das würde den Charakter verderben, also den vom Hotel.

Die Gäste im Florhof kommen oft aus dem kulturellen Milieu, sie sind vielleicht Galeristen, die sich das nahe Kunsthaus anschauen möchten, oder Schauspieler, die im nicht viel weiter entfernten Schauspielhaus auf der Bühne stehen – oder sie befinden sich als Literaten auf einer Lesereise.

Martin Suter beispielsweise übernachtete gern im Drei-Sterne- Haus, bevor er mit der Familie wieder zurück aus Guatemala in die Schweiz zog.

Die Lounge des Hotels ist manchmal ein Treffpunkt für Kulturschaffende.
Die Lounge des Hotels ist manchmal ein Treffpunkt für Kulturschaffende.

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Von außen könnte der Florhof ein Puppenhaus für Erwachsene sein, mit tannengrünen Fensterläden und ausladendem Giebel, drinnen wirkt er wie ein zeitloser Ferienkokon.

Auf vier Etagen verteilen sich 32 Zimmer, sie sind gemütlich eingerichtet, manchmal knarzt der Holzboden, als wolle er seine tragende Rolle in Erinnerung rufen, und gelegentlich quietscht nachts eine Tür, wenn ein Gast heimkehrt.

Ganz sicher braucht er kein Königreich für tiefen Schlaf einzutauschen. In die Betten versinkt man sanft, nicht so viel, dass sich eine Kuhle formt, nicht so wenig, dass der Rücken schmerzt. Ein kuscheliger Futon, möchte man sagen, falls so etwas überhaupt möglich ist. Selten so erholt geruht.

Das Fenster steht die ganze Nacht auf, die Blätter des Feigenbaums auf der Terrasse rascheln, ansonsten lullt die Stille ein. Tagsüber kommen nur Studenten in diese verlassene Gasse am Berg, nebenan haben die Musikwissenschaftler ihre Bibliothek.

Morgens trappeln einige Büroangestellte die Treppe neben dem Hotel runter, ganz sacht dringen ihre Schritte in die Träume hinein. Klick klack, der Rhythmus, der zum Frühstück ruft. Auf dem Tisch steht die Feigenmarmelade, selbst gemacht von den Früchten, die der Baum abwirft.

Kein Hotel liegt so dicht am Kunsthaus, wer fünf Minuten benötigt, trödelt schon enorm. Wenn demnächst der Museumsanbau eröffnet wird, rückt die Kunstsammlung sogar noch ein paar Meter näher an das alte Patrizierhaus heran.

1763 soll es das heutige Aussehen erhalten haben, als noch die Seidenfabrikantenfamilie Oeri-Lavater im Gebäude lebte. Im frühen 20. Jahrhundert wurde aus der Residenz eine Pension, seit 1925 ist es ein Hotel im Familienbesitz.

Und legt Wert auf das Vertraute. Dass hier keine Gruppen absteigen, sondern Großfamilien am Tisch sitzen. Acht Personen, drei Generationen, schnell zwei Tische zusammenschieben, die frischen Brötchen holen und das Porridge servieren.

Da drüben sitzt ein altes Paar aus den Staaten, er studiert schon die Stadtkarte, die ausgefaltet auf dem weißen Tuch liegt. Die Chefin hilft im Service, vor dem hölzernen Tresen gähnt Virpi, eine siebenjährige Weimeraner-Hündin. „Unser Guest Relation Manager“, sagt Zeyssolff. Kaum ein Gast lässt es sich entgehen, Virpi hinterm Ohr zu kraulen.

Nur wenige Fußminuten entfernt beginnt die Altstadt von Zürich, einmal über den Neumarkt hinüber. Kopfsteinpflaster trifft auf Schuhsohlen, bei Meinrad’s stehen Puppen von anno dazumal im Schaufenster, Tuttolana nebenan verkauft Strickmode – die gesamte Straße ist eine Einzelhandelsfantasie aus den 50er Jahren.

Eine weitere Bühne gibt es auch: das Theater Neumarkt. Bis in die 30er Jahre gehörte das Haus dem Arbeiterbildungsverein „Eintracht Zürich“, Lenin und Trotzki sollen sich öfter dort aufgehalten haben, Ersterer wohnte um die Ecke, jedoch nicht im Florhof. Das Hotel existierte damals noch nicht.

Wer weiß, ob Lenin die raffinierte Küche goutieren würde, die man nun im Haus kocht. Jedenfalls der Weinkeller, ein großes Gewölbe mit Hunderten Flaschen, dürfte nicht sein Geschmack gewesen sein.

Viele feine Schweizer Winzer, kaum protzige internationale Namen. Oder wie Isabelle Zeyssolff über den Keller sagt: „Der ist nichts für Russen.“

HINKOMMEN
Swiss fliegt mehrmals täglich nach Zürich, ab etwa 100 Euro hin und zurück. Mit der Bahn kostet ein Ticket ab 59,90 Euro im Spartarif pro Strecke. Es gibt auch einen durchgehenden Nachtzug ab Hauptbahnhof.

UNTERKOMMEN
Im Florhof beginnen die Preise für ein Doppelzimmer mit Frühstück bei 275 Euro, hotelflorhof.ch.

RUMKOMMEN
Mit der Zürich Card kann man den gesamten Nahverkehr benutzen und in ausgewählten Museen geringeren oder freien Eintritt bekommen. Sie gilt jeweils 24 oder 72 Stunden, für etwa 25 oder 48 Euro, Kinder erhalten Ermäßigung. Die Reise wurde unterstützt von Zürich Tourismus.

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