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Nur knapp 1.300 Schweine konnten bei dem Großbrand gerettet werden.

© Deutscher Tierschutzbund e.V. Landesverband Mecklenburg-Vorpommern

Großbrand in Alt Tellin vor einem Jahr: Der Tag, an dem 62.000 Schweine qualvoll im Feuer verendeten

Binnen weniger Stunden brannten alle 18 Ställe einer Mastanlage ab. Das „Horrorszenario“ wurde real. Noch immer wird über eine neue Tierwohlpolitik diskutiert.

Es ist der 30. März 2021 – riesige Rauchwolken erheben sich über eine kleine Gemeinde im Landkreis Vorpommern-Greifswald. In einer der größten Schweinemastanlagen Deutschlands brennt es. Mehrere Ställe haben Feuer gefangen. Aus der Ferkelzuchtanlage in Alt Tellin ertönt fürchterliches Kreischen. Es sind die Laute von etlichen Schweinen, die um ihr Leben kämpfen.

Um 9:02 Uhr geht bei der Feuerwehr der Notruf ein. Beim ersten Eintreffen stehen „bereits fünf Ställe in Vollbrand. Zum besseren Verständnis: Ein Stall hat 90 Meter in der Länge. Wir haben 18 davon“, sagt Karsten Windmüller von der Freiwilligen Feuerwehr Jarmen damals in einem Interview mit dem Nordkurier.

Innerhalb kürzester Zeit brennen alle achtzehn Ställe nieder und mehr als 62.000 Tiere sterben in dem Feuer. Nicht einmal 1.500 Schweine werden gerettet. Betreiber der Anlage ist die Landwirtschaftliche Ferkelzucht Deutschland (LFD). Laut dem Deutschen Tierschutzbund sei es eines der verheerendsten Großfeuer in einer Nutztieranlage in Deutschland überhaupt.

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Nun, ein Jahr nach dem Großbrand, haben mehrere Parteien und Verbände erneut ein bundesweites Verbot solcher Anlagen gefordert. Zudem sollen die Umstände des Vorfalls auch bei der Konferenz der Länderagrarminister an diesem Donnerstag in Magdeburg sowie in Kürze im Landtag in Schwerin diskutiert werden, wie Bündnis 90/Die Grünen in Berlin und Die Linke in Schwerin am Dienstag mitteilten.

Was passierte in Alt Tellin?

Das Feuer habe gezeigt, dass Tiere aus derart großen Anlagen im Brandfall niemals evakuiert werden könnten, teilte der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern des Deutschen Tierschutzbundes am Dienstag in Demmin mit. Im Fall von Alt Tellin sei „das Horrorszenario“ mit zehntausenden verbrannten und erstickten Tieren durch unzureichende Brandschutzmaßnahmen billigend in Kauf genommen worden.

Mehr als 62.000 Sauen, Ferkel und Eber mussten qualvoll verbrennen oder ersticken.
Mehr als 62.000 Sauen, Ferkel und Eber mussten qualvoll verbrennen oder ersticken.

© Deutscher Tierschutzbund e.V. Landesverband Mecklenburg-Vorpommern

Zur Vermeidung solcher Brände habe sich die Berliner Ampel-Bundesregierung im Koalitionsvertrag vorgenommen, die rechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Bränden und technischen Störungen in Ställen zu verbessern, erklärte die landwirtschaftliche Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Renate Künast, in Berlin.

Bei der Konferenz in Magdeburg werde der Ergebnisbericht der Arbeitsgruppe beraten, die nach dem Brand in Alt Tellin eingesetzt worden war. Ziel sei es, dass eine Tierrettung aus dem Stall zu jeder Zeit möglich sein muss. „Ein Stall mit Auslauf ist das Gebot der Stunde“, sagte Künast am Dienstag in einem Video auf Twitter.

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Über 62.000 verbrannte und erstickte Schweine

Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace, war einen Tag nach dem Brand in Alt Tellin vor Ort. Er habe selbst Schweinemast gelernt und Tiere zum Schlachter gefahren. Aber was er am 31. März 2021 sah, erschütterte ihn.

„Die Tiere waren tatsächlich traumatisiert und haben unheimlich geschrien. Sie haben sehr ungewöhnliche Laute von sich gegeben, waren panisch. Die hatten einfach ein fürchterliches Erlebnis hinter sich“, so Hofstetter. „Das Ganze war auch für mich wirklich hart zu erleben, neben dem Geruch nach verbranntem Fleisch und Asche.“

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Der Deutsche Tierschutzbund forderte „eine Agrarwende, die sich an den Bedürfnissen der Tiere orientiert.“ Dazu gehörten deutlich geringere Bestandszahlen, mehr Bewegungsfreiheit und Ausläufe. In Alt Tellin seien dagegen viele Sauen noch in Kastenständen fixiert gewesen.

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Brandursache in Alt Tellin

Die Brandursache ist laut Staatsanwaltschaft auch ein Jahr nach dem Feuer noch immer nicht endgültig geklärt. Derzeit laufen Vernehmungen, um zu klären, ob das Feuer fahrlässig oder vorsätzlich entstanden ist. Der finanzielle Schaden wird auf 40 Millionen Euro geschätzt.

Laut Landesagrarminister Till Backhaus (SPD) kann die Anlage so nicht wieder aufgebaut werden. Tierschutzvereine, Umweltverbände und Parteien erinnern am Mittwoch mit einer Mahnwache am Tor der weitgehend abgebrannten Zuchtanlage an das Großfeuer. Zudem gibt es Online-Proteste, eine symbolische Baumpflanzung und weitere Aktionen vor Ort.

Diese Form der Tierhaltung dürfe keine Zukunft haben, sagte die Vorsitzende der Linksfraktion im Schweriner Landtag, Jeannine Rösler. Ziel der rot-roten Regierungskoalition in Schwerin sei es, eine Größenbegrenzung und praxistaugliche Brandschutzkonzepte für Stallneubauten durchzusetzen. Deshalb habe man das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Landtagssitzung gesetzt. (mit dpa)

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