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Die Kommunarden Rainer Langhans (l) und Dieter Kunzelmann verbrennen Extra-Blätter des Axel-Springer-Verlages, die dieser vor Beginn der Veranstaltung an die Studenten verteilte und die das "Springer-Hearing" und die gesamte oppositionelle Studentenbewegung polemisch behandeln. Am 9. Februar 1968 wurde im Ernst-Reuter-Haus in Westberlin vor 2000 Zuhörern das für drei Tage geplante "Springer-Hearing" eröffnet und gleichzeitig mitgeteilt, daß darauf verzichtet werden müsse, die Veranstaltung in der geplanten Form und Länge ablaufen zu lassen.

© dpa

1968 im Tagesspiegel: TU-Rektor Weichselberger stellte Räume für das Springer-Hearing zur Verfügung

Die Zeitung vom 10. Februar 1968 berichtete über die Absage des Springer-Hearings an der Technischen Universität

Wie hat der Tagesspiegel das Jahr 1968 begleitet? Wir publizieren regelmäßig einen ausgewählten Text aus der Zeitung von vor 50 Jahren – zur Studentenbewegung, sowie zu anderen Themen, die die Stadt und die Welt bewegt haben. Am 10. Februar 1968 ging es um das geplante Springer-Hearing.

Der Rektor der Technischen Universität Berlin, Professor Weichselberger, hatte gestern vormittag der TU-Studentenvertretung und dem Republikanischen Klub den Ernst-Reuter-Saal im Ernst-Reuter-Haus für das "Springer Hearing" zur Verfügung gestellt. Rektor Weichselberger besitzt hier das Hausrecht, da die Räume von der TU für Lehrveranstaltungen gemietet worden sind.

Dieser auf einer Pressekonferenz verkündeten Zusage war ein Brief der Studentenvertretung der TU und eine Erklärung des Republikanischen Clubs vorausgegangen, die vom Rektor gestellten Auflagen zu erfüllen, daß bei studentischen Veranstaltungen nicht zu Aktionen aufgerufen werden darf, die ungesetzliche Handlungen zur Folge haben. Rektor Weichselberger benutzte die Pressekonferenz, um noch einmal seine Haltung zur Raumvergabe, über die widersprüchliche Meldungen verbeitet worden waren, klarzustellen. Von Anfang an habe er seine Strategie strikt eingehalten. Schon bei der Raumzusage für das "Springer-Hearing" habe er schriftlich erklärt, er erwarte, daß die "Veranstaltungen im Sinne der Aufgabe des Referats für politische Bildung abgehalten werden, das heißt, daß zum Beispiel zu keinen Aktionen aufgerufen wird, die ungesetzliche Handlungen zur Folge haben".

Diese Bedingung sei bei der Anti-Springer-Veranstaltung vom Donnerstag vergangener Woche, bei der ein Film zur Herstellung von Molotow-Cocktails gezeigt worden sei, nicht erfüllt worden. Deshalb habe er die Zusage für das "Springer-Hearing" zurückgezogen, aber gleichzeitig mitgeteilt, daß er seine Entscheidung noch einmal überprüfen werde, wenn die Veranstalter versicherten, daß sie sich an die vom Rektor genannten Bedingungen halten werden.

Diese Haltung habe er auch in einer Zusammenkunft mit Senator Stein und Bürgermeister Neubauer vertreten. Zu den Erklärungen, die später von Bürgermeister Neubauer abgegeben wurden, wonach die Rektoren einheitlich auf Weisung von Senator Stein die Veranstaltungen untersagt hätten und die TU auch die Erlaubnis für die Benutzung der Räume für den vom SDS geplanten Vietnamkongreß zurückgezogen habe, erklärte Rektor Weichselberger, er habe den Eindruck, "daß die Herren in der letzten Zeit sehr beschäftigt waren".

Schon in seiner Presseerklärung hatte Weichselberger darauf hingewiesen, daß er nicht auf Weisung Senator Steins die Zusage von Räumen verweigert oder zurückgezogen habe. In der gestrigen Pressekonferenz erklärte Weichselberger außerdem, bisher sei die Raumzusage für den Vietnamkongreß nicht zurück gezogen worden, aber auch diese Veranstaltung unterliege den Bedingungen, daß zu keinen ungesetzlichen Handlungen aufgerufen werde.

 Springer-Hearing von den Initiatoren plötzlich abgesagt

Das für dieses Wochenende geplante "Springer-Hearing" solle demonstrativ auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Mit dieser überraschenden Mitteilung begann gestern abend im Ernst-Reuter-Haus an der Straße des 17. Juni die von der Studentenvertretung der Technischen Universität zusammen mit dem "Republikanischen Club" vorbereitete, ursprünglich auf drei Tage geplante Veranstaltung.

Heute und morgen werden keine Veranstaltungen dieser Art stattfinden. In dem von TU-Rektor zur Verfügung gestellten Saal und in den Vorräumen hatten sich rund 1500 Studenten versammelt. An Stelle des ursprünglich geplanten Programms wurden mehrere kurze Stellungnahmen über die "Manipulation der öffentlichen Meinung" vorgetragen.

Auch der Publizist Kuby und Professor Kogon, der die Veranstaltung leitete, ergriffen das Wort. Der Vorstandsvorsitzende der TU-Studentenvertretung, Wethekam, und Klaus Mischkat vom "Republikanischen Club" begründeten die Absage des "Hearings" mit der "anhaltenden Hetze" gegen dieses Vorhaben. Man erwäge, das Hearing in den nächsten Wochen in eine andere Stadt zu verlegen, um auch damit zu zeigen, wie die Situation in Berlin sei.

Bereits vor Beginn der Veranstaltung hatten sich auf der Straße des 17. Juni mehrere Diskussionsgruppen gebildet. Im Eingang zum Ernst-Reuter-Haus wurden vom Springer-Verlag herausgegebene "Extra"-Blätter von Veranstaltungs-Teilnehmern verbrannt.

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