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Das Wrack der MH17.

© Foto: Reuters/MAXIM ZMEYEV

Update

Zwei Russen und ein Ukrainer: Lebenslange Haft für drei Angeklagte in Prozess um MH17-Abschuss

Mehr als acht Jahre nach dem Abschuss von Flug MH17 hat ein niederländisches Gericht drei Angeklagte schuldig gesprochen. Ihre Strafe werden sie wohl nicht verbüßen müssen.

| Update:

Mehr als acht Jahre nach dem Abschuss der Passagiermaschine mit der Flugnummer MH17 über der Ostukraine im Jahr 2014 hat ein niederländisches Strafgericht drei ehemals hochrangige pro-russische Separatisten schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein vierter Angeklagter wurde freigesprochen.

Das Gericht verkündete das Urteil am Donnerstag in Abwesenheit der Angeklagten. Lediglich der Freigesprochene hatte sich von Anwälten vertreten lassen. Bei dem Kriegsverbrechen waren damals 298 Menschen getötet worden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte auf Twitter, es sei entscheidend, die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen. Das Gefühl, straflos davonzukommen, führe zu neuen Taten: „Wir müssen diese Illusion zerstören.“ Notwendig sei die Bestrafung für alle Kriegsverbrechen Russlands, fügte er hinzu.

Die USA haben die Schuldsprüche begrüßt. Die Entscheidung sei „ein wichtiger Schritt in den laufenden Bemühungen, den 298 Menschen, die am 17. Juli 2014 ihr Leben verloren haben, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen“, teilte US-Außenminister Antony Blinken am Donnerstag in Washington mit.

Die Strafen gegen die jetzt Verurteilten können auf absehbare Zeit jedoch nicht vollstreckt werden. Russland erkennt das Gericht in Den Haag nicht an und liefert zudem grundsätzlich keine Staatsbürger an andere Länder aus. Zudem lehnt das russische Außenministerium das Urteil als politisch motiviert ab. „Sowohl der Verlauf als auch die Ergebnisse der Verhandlung zeugen davon, dass ihr der politische Auftrag zugrunde lag, die Version (...) von einer Beteiligung Russlands an der Tragödie zu stärken“, hieß es auf dessen Homepage.

Die fünf Richter sahen es als erwiesen an, dass die beiden verurteilten Russen und ein Ukrainer für den Einsatz der Luftabwehrrakete vom Typ Buk verantwortlich waren, mit der die Boeing abgeschossen wurde. Das Geschütz war dem Urteil zufolge vom russischen Militärstützpunkt Kursk in die Ukraine geliefert und nach dem Abschuss wieder zurückgebracht worden.

Die Boeing der Malaysia Airlines war am 17. Juli 2014 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur abgeschossen worden. Die meisten Opfer kamen aus den Niederlanden, weswegen der Prozess dort stattfand. Mehrere Hundert Angehörige waren bei der Urteilsverkündung im Gericht. Der Prozess dauerte zwei Jahre und acht Monate.

Eine Gruppe von 350 Experten aus fünf Ländern, das Joint Investigative Team (JIT), hatte die Umstände dieses Kriegsverbrechens untersucht. Was von der Boeing 777 übrig geblieben war, befindet sich in einem Hangar in den Niederlanden. Es sind rund 8000 Fragmente. Mit ihrer Hilfe konnten die Experten die Abläufe rekonstruieren – und das Gericht folgte jetzt ihren Schlussfolgerungen.

Demnach sei die Maschine von mindestens 800 Schrapnellkugeln getroffen worden. Am dichtesten waren die Einschläge am Cockpit. Etwa anderthalb Minuten nach den Einschlägen am Bug sei das ganze Flugzeug explodiert.

Britischer Blogger verfolgte die Spuren der Rakete

Die Vermutung, es sei eine Luftabwehrrakete eingesetzt worden, galt von Beginn an als die wahrscheinlichste Variante. Dennoch seien verschiedene Szenarien durchgespielt worden, versicherte JIT-Ermittler Andy Kraag in der Verhandlung.In die Analysen schalteten sich unabhängige Online-Experten ein, die alle offenen Quellen im weltweiten Netz sammelten und in Beziehung zueinander setzten.

Der russische Ultranationalist Igor Girkin
Der russische Ultranationalist Igor Girkin

© Screenshot Twitter

Fast zeitgleich mit den offiziellen Ermittlern begann der britische Blogger Eliot Higgins mit der von ihm gegründeten Gruppe „Bellingcat“, Videos zu untersuchen, die einen Raketenabschuss in der Region zeigen. Schritt für Schritt rekonstruierte „Bellingcat“ den Weg genau dieser Rakete, mit der MH17 abgeschossen wurde. Er führte in das russische Kursk, wo die 53. Luftabwehrbrigade der russischen Armee stationiert ist.

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Russland bestreitet die Anschuldigungen bis heute vehement. Zahllose Versionen für den Tathergang hat Moskau in den letzten Jahren ins Spiel gebracht. Dass sie einander fundamental widersprechen, störte dabei wenig. Das Ziel der Veröffentlichungen bestand lediglich darin, für Verwirrung zu sorgen und die Positionen der internationalen Ermittler zu erschüttern.

Der wichtigste Angeklagte war Igor Girkin, Kampfname „Strelkow“ („der Schütze“) – ein ehemaliger russischer Geheimdienstoberst, angeblich im Ruhestand, der damals die Separatisten-Milizen kommandierte und der heute offenbar wieder in der Ukraine ist.

Jedenfalls taucht er in den Online-Netzwerken derzeit öfter als so genannter Militär-Blogger auf, der das Kriegsgeschehen aus russischer Sicht kommentiert. Girkin hat laut Urteil die Buk-Rakete aus Russland angefordert. Die weiteren Angeklagten halfen dabei, die Waffen an den vorgesehenen Ort zu leiten und danach den Abtransport zurück nach Russland zu organisieren. (mit dpa)

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