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Nicht nur sanfter Melancholiker. Bruno konnte auch zuschlagen

© RB / Foto: Ruth Walz

Doku über Bruno Ganz: Vom Engel zu Hitler

Eine Arte-Dokumentation ergründet das Geheimnis des außergewöhnlichen Schauspielers

Vor drei Jahren starb Bruno Ganz. Nachrufe in Feuilletons würdigten den Jahrhundertschauspieler. Eigentlich ist alles gesagt über den Star des europäischen Autorenkinos. Im Anschluss an „Der Untergang“, seinen wohl bekanntesten Film, ergründen André Schäfer und Thomas Rosenberg eher unbekannte Seiten von Ganz. Ihr Porträt zeigt den Künstler als gebrochene Figur. Als Trinker und Hitzkopf, der handgreiflich werden konnte, wenn nicht alles am Schnürchen lief.

Dennis Hopper in die Fresse gehauen

Eine Anekdote verdeutlicht diese Anwandlungen. Bei den Dreharbeiten zu Wim Wenders’ „Der amerikanische Freund“ stand Bruno Ganz vor der Kamera mit Dennis Hopper. Direkt von den Dreharbeiten zu Francis Coppolas „Apocalypse Now“ angereist, war Hopper „dreckig, verwahrlost, besoffen und auf Drogen“. Selbst nach zahlreichen Wiederholungen war er unfähig, seine Dialogsätze zu behalten. Aus Wut über diese Nachlässigkeit hat Bruno Ganz ihm, so berichtet Wenders, „in der Szene, vor der Kamera, in die Fresse gehauen“.

Dieser Ausraster zeigt den Perfektionisten, der immer alles gibt. Und der es nicht ertragen kann, wenn andere nicht mitziehen. Seine Wurzeln hat dieser Wesenszug in der Biografie. Der 1941 als Sohn eines Fabrikarbeiters in Zürich-Seebach geborene Darsteller gelangte dank der Freundschaft zu einem Beleuchter am Zürcher Schauspielhaus ans Theater. Nach seinem ersten Engagement in Göttingen wechselte der Anfang Zwanzigjährige gleich nach Bremen, wo ihm mit Peter Zadek und Peter Stein der große Durchbruch gelang.

Mit Talent und einer darstellerischen Vision hat das zu tun, gewiss. Zum Alleinstellungsmerkmal von Bruno Ganz gehört es aber auch, dass er sich den Schweizer Akzent wegtrainieren musste. Das gelang allerdings nicht perfekt. Besonders der Vokal „a“ verrät ihn. Sein Sprechen bewahrt einen Rest von jener Zeitlupenartigkeit des schweizerischen Akzents. Für ihn selbst war dies ein Grund, nie zufrieden zu sein und sich immer wieder zu hinterfragen. Im Spannungsverhältnis mit seiner einzigartigen Perfektion entstand so aber auch die besondere Aura von Bruno Ganz.

In ihrem Filmporträt sammeln Schäfer und Rosenberg Stimmen von Kollegen, die an seiner Seite auftraten. Darunter Brigitte Hobmeier, die mit ihm in „Faust“ spielte, sowie Judy Winter, die mit ihm in der Zadek-Ära auf der Bühne stand. Und natürlich Oliver Hirschbiegel, Regisseur von „Der Untergang“.

Mit diesem umstrittenen Film setzte Bruno Ganz einiges aufs Spiel. Nach dem Engel in „Der Himmel über Berlin“ schlüpfte er in die Rolle eines Massenmörders. Darf man Adolf Hitler menschliche Züge verleihen? Während der Film selbst eher kritisch gewürdigt wurde, lobte man Bruno Ganz. Mehr Hitler geht nicht, so der Tenor. Auf seine unnachahmliche Art zeichnete Bruno Ganz das Porträt eines cholerischen Größenwahnsinnigen, der an Parkinson erkrankt war und mit zitternden Händen an Hitlerjungen vorbeidefilierte. Er entzauberte den Diktator. Hitler wurde zur Kenntlichkeit entstellt.

Blick auf Schattenseiten

Die Dokumentation verschließt nicht den Blick auf die Schattenseiten: „Ich traf auf einen angetrunkenen Weltstar“, erklärt Jens Harzer, der in den Münchner Kammerspielen mit Bruno Ganz zusammen gearbeitet hatte. In ihrer Vielstimmigkeit zeichnet die Dokumentation das nuancierte Bild eines von Selbstzweifeln geplagten Darstellers, der „den Vernichter Alkohol“ schließlich besiegte.

Der Film erinnert auch an eher boulevardeske Facetten – wie etwa die Affäre, die Bruno Ganz in den 70er Jahren mit Romy Schneider hatte. Die Dokumentation bietet aber mehr als nur eine Sammlung solcher Anekdoten. Der Fokus richtet sich vor allem auf Theaterarbeiten in den 70er und 80er Jahren.

Eine breite Fülle dokumentarischer Mitschnitte zeigen den Schweizer als begnadeten Theaterdarsteller. Auf der Bühne vermochte er die Worte gleichsam von innen abzutasten und wie ein virtuoser Musiker zum Klingen zu bringen. Über hundert Mal stand er auch vor der Filmkamera. Der große Durchbruch im internationalen Kino blieb ihm jedoch verwehrt. Schade. [

„Bruno Ganz – Der sehnsüchtige Revolutionär“, Arte, Sonntag, 22 Uhr 45

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