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Studenten während einer Vorlesung an der Humboldt - Universität . Berlin, 16.10.2006 (Archivbild)

© imago/photothek/Liesa Johannssen/photothek.net

Deutlich weniger als in der Bevölkerung: Acht Prozent der Studierenden haben antisemitische Einstellungen

Gesprengte Podien, abgerissene Bilder von jüdischen Geiseln und ein verprügelter jüdischer Student. Wie groß ist das Antisemitismus-Problem an Hochschulen? Forscher gingen der Frage nun auf den Grund.

Spätestens seit in Berlin der jüdische Student Lahav Shapira vor einer Bar zusammengeschlagen wurde, mutmaßlich von einem Kommilitonen, schienen sich alle einig: Deutschlands Hochschulen haben ein Antisemitismusproblem. Doch stimmt das auch? Eine Studie versucht sich nun an einer Antwort, und die lautet: Jein.

Unter Studierenden ist der allgemeine Antisemitismus deutlich weniger verbreitet als in der durchschnittlichen Bevölkerung. Trotzdem zeigten auch unter Studierenden acht Prozent eine antisemitische Haltung. In der Gesamtbevölkerung sind es allerdings 18 Prozent, heißt es in der am Donnerstag in Berlin vorgestellten Untersuchung.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hatte eine Schnellbefragung zu Antisemitismus an Hochschulen in Auftrag gegeben. Forscher der Universität Konstanz befragten dazu den Angaben zufolge online 2300 repräsentativ ausgewählte Studierende aus dem gesamten Bundesgebiet.

Muslimische und politisch rechte Studierende sind häufiger antisemitisch

Muslimische Studierende zeigen demnach häufiger antisemitische Einstellungen als christliche oder konfessionslose Studierende. Dies hänge häufig mit der Herkunft der Familie aus einer Konfliktregion zusammen, so die Forscher.

Aber auch Studierende mit einer christlichen Konfession unterstützten häufiger antisemitische Haltungen, wenn die Eltern aus einem solchen Land stammten. Zudem zeigten Studierende, die sich selbst im politisch rechten Spektrum positionierten, häufiger antisemitische Einstellungen als andere.

70
Prozent der befragten Studierenden sehen den Angriff der Hamas als einen verabscheuungswürdigen Terrorakt.

Rund 70 Prozent der Befragten stuften zudem den Angriff der Hamas als einen verabscheuungswürdigen Terrorakt ein. Mit 58 Prozent steht laut Studie aber auch mehr als die Hälfte der Studierenden der militärischen Reaktion Israels kritisch gegenüber.

Insgesamt bewerten demnach Studierende mit 27 Prozent die militärische Reaktion Israels etwas seltener als gerechtfertigt als die durchschnittliche Bevölkerung (36 Prozent). Kritik am militärischen Vorgehen Israels (71 Prozent) sowie Sorgen um die palästinensische Zivilbevölkerung (54 Prozent) werden häufig geäußert, auch wenn nach Angaben der Forscher kein israelbezogener Antisemitismus vorliegt

Muslimische Studierende erleben genauso oft Diskriminierung wie jüdische

Weitere Ergebnisse der Studie: Diskriminierung werde an Hochschulen vor allem aufgrund von Geschlecht (28 Prozent) und Migrationshintergrund (26 Prozent) wahrgenommen, seltener aufgrund von Religionszugehörigkeit (12 Prozent). Von denjenigen, die einer Religion angehörten, erlebten am häufigsten jüdische und muslimische Studierende Diskriminierung (30 und 31 Prozent).

Insgesamt nähmen Studierende mit 11 Prozent Antisemitismus an ihren Hochschulen im Vergleich zum Internet (64 Prozent), zu weiteren Medien (47 Prozent) und etwa zu Demonstrationen (55 Prozent) seltener wahr.

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) erklärte, es müsse möglich sein, Studierende zu exmatrikulieren, die sich antisemitisch äußern oder verhalten. Dies müsse bei besonders schweren Fällen geprüft werden, erklärte die Ministerin. An deutschen Hochschulen dürfe kein Platz für allgemeinen oder israelbezogenen Antisemitismus sein. Die vorliegenden Zahlen seien besorgniserregend. (KNA, Tsp)

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