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Shehan Karunatilaka

© IMAGO/Paulo Spranger

Tagesspiegel Plus

Booker-Price-Gewinner Karunatilaka: „Wir haben in Sri Lanka keine Erinnerungskultur“

In seiner Heimat Sri Lanka gebe es die Haltung, besser nicht in den Wunden zu bohren. Deshalb ist Booker-Preisträger Shehan Karunatilaka beeindruckt von Deutschlands Aufarbeitung der Vergangenheit. Von Kriegen und dem Umgang mit ihrem Erbe

Herr Karunatilaka, Sie haben vergangenes Jahr den Booker Prize für Ihren Roman „Die sieben Monde des Maali Almeida“ gewonnen. Er handelt vom Bürgerkrieg in Sri Lanka, der von 1983 bis 2009 tobte, etwa 100.000 Menschenleben kostete und in Europa wenig zur Kenntnis genommen wurde. Wie haben Sie den Krieg erlebt?
Ich war acht, als die Auseinandersetzungen begannen, und kannte Sri Lanka gar nicht anders. In der Hauptstadt Colombo, wo ich meine Kindheit verbrachte, standen Kontrollpunkte auf der Straße, man musste sich ausweisen, manchmal gingen Bomben hoch. Für mich schien es ein ewig andauernder Konflikt zu sein, obwohl wir wohlbehütet als singhalesische Arztkinder in einer Blase lebten: Die Stadt lag nicht an der Front. Im Norden und Osten des Landes war es viel schlimmer, die Familie meiner Frau lebte in den Hügeln nahe der Stadt Kandy, wo es staatliche Teeplantagen gab. Rebellen forderten von den Bauern, nicht mehr für die Regierung zu arbeiten. Wer das nicht tat, riskierte, am nächsten Tag getötet zu werden – und die Leiche baumelte als Warnung an einer Kokospalme.

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