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Zu Hause im Pamirgebirge: Marco-Polo-Schafe in Tadschikistan.

© imago/Ardea

Berliner Schnauzen: Diese Schafe meckern nicht

Marco-Polo-Schafe zählen zu den größten Wildschafen der Welt. Was sie von Ziegen unterscheidet.

Sergej ist unruhig. Reckt sein Haupt mit dem gewaltigen gezwirbelten Gehörn, stakst zum Zaun, galoppiert sein Revier ab, schnuppert an den Hinterläufen von Ljudia, schubst sie sanft, steigt auf die Felsblöcke in der Mitte des Geheges und schaut Richtung B1.

Sergej ist der Größte unter den Marco-Polo-Schafen im Tierpark, die wiederum zu den weltweit größten Wildschafen zählen. Ihre in Spiralen gewundenen Hörner werden bis zu 1,90 Meter lang. Zu Hause sind sie im Pamirgebirge, auf 3000, 4000 Metern Höhe. „Sie sind eine eigene Liga, robust, radikal“, sagt Tierpfleger Marco (!) Rosenfeld. „Allein ihre Kraft, das ist Wahnsinn.“ Dazwischengehen bei Rangordnungskämpfen sei keine Option. „Wir denken, wir kennen sie“, meint Rosenfeld, der seit bald 30 Jahren hier arbeitet. „Aber sie kennen uns besser.“

Sergej und Ljudia kamen 2011 aus dem Moskauer Zoo ins „Gebirge“, so heißt der nordöstlich gelegene Hügel im Tierpark. Hier wohnen sie nun am äußersten Zipfel, futtern Heu und manchmal auch Frischlaub, gemeinsam mit dem einzigen weiblichen Jungtier. „An Weihnachten gibt’s eine Tanne“, verspricht Rosenfeld, die Knabberei gönnt er seinen Pfleglingen zum Fest. Ja, er sagt Pfleglinge, und die Weibchen nennt er Mädchen, es klingt liebevoll. Vier weitere Marco-Polo-Böcke, alle im Tierpark geboren, hausen in einer Junggesellen-WG unweit der Elche.

Den ältesten haben sie Walujew genannt, nach dem russischen Boxer. An diesem klaren, kalten Morgen liegt er vor seinem Stall und beobachtet die Besucherin, ohne mit der Wimper zu zucken. Ganz schön durchdringend der Blick aus großen, braunen Augen.

Der Tierpark ist der einzige Zoo mit Marco-Polo-Schafen

Marco Rosenfeld ist stolz auf die seltene Art. Seitdem Moskau sie nicht mehr hält, ist der Tierpark seines Wissens der einzige Zoo mit Marco-Polo-Schafen. „Deshalb wollen wir ihren Genpool erhalten.“ Weil fast jedes Jahr ein Jungtier hinzukommt, kann er die Entwicklung bei der „Orgelpfeifen-Reihe“ gut beobachten. Gerade ist Brunftzeit, vielleicht gibt es nächsten Mai Schaf Nummer acht.

Achtung, bergiges Gelände: Ein Schild warnt vor dem Aufstieg. Aber wer vom Eltern- zum Nachwuchs-Gehege über das Gebirge spaziert, lernt die wunderbar weitläufige Schafsverwandtschaft kennen. Der Goral guckt böse und stampft mit den Hufen, der Luchs spitzt die Ohren, auf dem Gipfel turnen die Steinböcke, und die Kreishornschafe bilden einen beeindruckenden Clan mit massenweise Jungtieren. Das Blauschaf, eigentlich auch eine Ziegenart, meditiert unter den Bäumen.

Bitte, der Unterschied zwischen Ziegen und Schafen? Sollten Sie die Frage Marco Rosenfeld stellen, bringen Sie Zeit mit! Denn es sind viele, von der Lautbildung (Ziegen meckern, Schafe blöken) über das Outfit (hier Ziegenbärte und Säbelhörner, da Brunftmähnen und Schneckenhörner) bis zur Paarung. Ziegen flippern mit der Zunge, Schafböcke versuchen es mit Vorderlaufschlägen. Und wenn es hart auf hart kommt, gehen Schafe frontal aufeinander los, während Ziegen ihre Kämpfe in Parallelformation austragen.

Und Sie, beim nächsten Krach im Job: Schaf oder Ziege?

Marco-Polo-Schaf im Tierpark
Lebenserwartung: In freier Wildbahn bis zu 13 Jahre
Nahrung: Heu, Pflanzenpellets, Frischlaub
Interessanter Nachbar: Die Turkmenische Schraubenziege, eine wahre Klettermeisterin

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