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Kleiner Raum, etwas unbehaglich, aber sehr gute Küche und Weine: Das "Bandol" auf der Torstraße

© Bandol sur mer / promo

Von TISCH zu TISCH - die Restaurantkritik: Bandol sur Mer

Ein Gourmetrestaurant mit Understatement-Ambiente und schlichtweg brillanter moderner Küche.

Man kann sich schon vorstellen, dass der ein oder andere Michelin-Pilger zunächst enttäuscht ist, wenn er das „Bandol sur mer“ betritt. Die Hälfte des Raumes wird dominiert von der offenen Küche, in der anderen Hälfte scharen sich Gäste um sieben blanke Tische, die recht eng beieinanderstehen unter Vintage-Oberschränken. Sicher das berlinischste Gourmetrestaurant derzeit; reduzierter geht’s kaum.

Hervorragende Weinauswahl und nur ein Menü
Die Weinkarte dagegen klotzt ganz schön mit edlen deutschen Gewächsen, aber auch mit Gutem aus anderen europäischen Ländern. Da merkt man, dass Küchenchef und Inhaber Andreas Saul prägende Jahre in der „Weinbar Rutz“ verbracht hat. Der offene Champagner kostet 14 Euro. Ein schlichter Riesling von der Mosel, ein 2017er Trabener Würzgarten von Martin Müllen (36 Euro), erwies sich als dezenter Begleiter zum Aromenfeuerwerk, das in den folgenden Stunden über unsere Zungen toben sollte.

Es gibt sieben Gänge, Variationen nicht möglich (119 Euro). „Zum Runterkommen“ gab’s erst mal einen säuerlich-speckig schmeckenden Tee aus Erdbeeren und vier hinreißende, überraschende Amuse-Gueules in Pralinengröße. Außerdem wurde wunderbares warmes Kartoffel-Sauerteigbrot mit brauner Butter aufgetragen. Was folgte, wischte jedes Understatement vom Tisch. Häppchen vom Stör waren mit einer Sauce aus fermentiertem Spargel übergossen, ergänzt von Crumble, saftigen Kartoffelscheibchen und Erdbeerschnitzen. Es folgte eine kross-bröselige Skulptur aus gebackenem Braunkohl, gedörrter Rote Bete auf Ziegenquark und Schmorgurke. Die Haferwurzel wurde mit Austern-Velouté übergossen, dazu Quittenscheibchen an Kürbispüree. Der zarte Streifen Havelzander wurde mit Schnecken, Trompetenpilzen, Petersilienpüree, dekorativen Chips und Jus vom gerösteten Buchweizen und Brennesselblättern serviert. Vor dem Hauptgang wurde es kurz etwas mächtiger mit einem Entendumpling und Steinpilzen in einer kräutrigen Sauce, dann kam ein rosa Stückchen Damkalb mit Asche und Jus von Fichtennadeln, gegrillten Silberzwiebelhäutchen, fruchtigen Rhabarberscheiben und einigen Tupfen Kürbispüree.

Die Speisen überraschen, der Service ist hochprofessionell, das Ambiente eher ungemütlich

Zeit fürs Dessert: Figuren aus getrocknetem Milchschaum auf Schokoladensorbet, dazu eingelegte Blaubeeren mit einem Hauch Minze, sehr erfrischend. Am Ende Birne, getrocknet und als Granité, mit einem Eisenkrautchip und schließlich Pralinen, Madeleines, Karamell, Trüffel, süß mit einer Ahnung von Salz. Der Service war freundlich, superprofessionell. Wie dem Ambiente haftet auch den Speisen nichts von Gemütlichkeit an. Jedes Kunstwerk birgt Überraschungen, mal ist die Textur trocken und fruchtig-säuerlich, mal mischen sich speckige Noten in Ingwereinheiten, mal ploppt unerwartet etwas Saures oder Salziges auf. Weil das Restaurant klein ist, muss man reservieren. Schade, es wäre ein guter Fluchtpunkt für spontane Weihnachtsflüchter.

Bandol sur mer, Torstr. 167, Mitte, Tel. 67 30 20 51, Do–Mo 18–23 Uhr

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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