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Grund zum Strahlen: Steven Zeidler hat für das Restaurant Bricole in Prenzlauer Berg einen Michelin-Stern erkocht.

© Ferdinand Dyck

Überraschung beim Guide Michelin: Sogar Hannover hat mehr neue Sterne als Berlin

Wo waren eigentlich die Inspektoren vergangenes Jahr? Anscheinend nicht im Nordosten. Zwei würdige Neuzugänge gibt es hier trotzdem.

Der Michelin hat, wenn es um Berlin geht, natürlich wieder mal alle Erwartungen ins Leere laufen lassen, manchmal scheint es, als machten sie sich ein Späßchen damit. Wer näher hinsieht, entdeckt deutschlandweit aber das ebenso vertraute Phänomen, dass ganze Regionen im betreffenden Jahr von den Inspektoren eher punktuell bis gar nicht heimgesucht werden. Diese Regionen finden sich typischerweise im deutschen Nordosten, wo z.B. Meck-Pomm nach dem Motto „Da ändert sich schon nix“ abgeheftet wurde.

In Berlin hatten und haben wir eine ganze Reihe von Kandidaten für hohe und höheren Auszeichnungen, aber auch das lag wohl nicht drin. Und es schmälert natürlich nicht die Verdienste von Steven Zeidler, dem Küchenchef des „Bricole“ in Prenzlauer Berg, der also den einzigen neuen Stern in Berlin bekam. Das ist ein gutes Restaurant, das schon seit fünf Jahren besteht und nicht mit einem Plautz auf die Szene getreten war, sondern sich Schritt für Schritt vom Konzept der „Vorspeisenbar“ aufwärts arbeitete. Fünf Gänge kosten 86 Euro, das ist nicht wenig, aber auf diesem kulinarischen Niveau längst die mögliche Untergrenze.

Hat auch Grund zur Freude: Thomas Hübner von der Alten Überfahrt ist schon lange Kandidat für den Michelin-Stern, jetzt hat es endlich geklappt.
Hat auch Grund zur Freude: Thomas Hübner von der Alten Überfahrt ist schon lange Kandidat für den Michelin-Stern, jetzt hat es endlich geklappt.

© Jörg Lehmann

An der „Alten Überfahrt“ in Werder führte kein Weg mehr vorbei

Ein ähnlicher Fall ist die „Alte Überfahrt“ in Werder: Seit Jahren auf allerbestem Weg, bis es nun endlich geklappt hat. Thomas Hübner in der Küche weiß, wie es geht, und hat seine Stilistik ebenso behutsam weiterentwickelt. Im Gegensatz zu Berlin ist dieses Restaurant allerdings seit Jahren praktisch das einzige im ganzen Land, das für die Auszeichnung überhaupt noch in Frage kam, daran führte wohl kein Weg mehr vorbei. Nach der Schließung des „Bayrischen Hauses“ gibt es zudem mit dem Potsdamer „Kochzimmer“ nur noch ein weiteres besterntes Restaurant in ganz Brandenburg, eine klägliche Bilanz zumal für das reiche Potsdam. Selbst Sachsen-Anhalt kann inzwischen drei Sterne bieten, neuerdings mit dem „Speiseberg“ in Halle. Wer also ein kulinarisch noch weniger bedeutendes Bundesland sucht, der muss schon nach Thüringen (1) oder Bremen (0) gehen...

Die langjährige Nummer eins verliert den dritten Stern

In der Gesamtbilanz des Michelin fällt allerdings auf, dass Berlin nach den großen Sprüngen der letzten Jahre eine Verschnaufpause eingelegt hat. Die Neuentdeckungen sind eher in der legeren Bistro-Küche zu finden, während oben nichts passiert. Hat die Stadt den Corona-Blues? Das ist in Hamburg, Nürnberg und sogar Hannover anders, und natürlich in München, wo die Neuerfindung des „Tantris“ offenbar allgemein enorme Energien freigesetzt hat, und wo mit Tohru Nakamura wohl auch der nächste deutsche Drei-Sterne-Koch zu finden ist. Beachtenswert außerdem, dass Joachim Wissler in Bensberg, der vor gut zehn Jahren als Deutschlands Nummer eins galt, nun auf zwei Sterne herabgestuft wurde; Thomas Schanz vom „Schanz“ in Piesport/Mosel durfte aufrücken.

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