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Frisch aus dem Ofen - und ganz viel Obst drauf: So schmeckt Zwetschgendatschi am besten. Wer braucht da noch Sahne?

© Susanne Leimstoll

Sonntagskuchen: Perfektes Trio: Zwetschgen, Hefe, Streusel

Kleiner Aufwand, großer Genuss: Jedes Wochenende eine neue Backidee. In Teil 11 geben wir uns dem einzig wahren Blechkuchen des Herbstes hin

Von Susanne Leimstoll

Es geht nicht anders: Wenn ich mich entschließe, Pflaumenkuchen mit Hefeteig und Streuseln obenauf zu backen, einen "Zwetschgendatschi", wie er in Bayern stilecht heißt, muss ich an die Unzahl riesiger Datschi-Bleche denken, die meine Mutter jeden Frühherbst für meinen Vater und mich gebacken hat. Und für Nachbarn, die einfach dem Duft folgten, bis man nicht mehr anders konnte als sie einzuladen. Und für von Ferne angereiste Verwandtschaft, die dann glücklich mampfend um den sonntäglichen Kaffeetisch saß.

Es gab nie nur ein kleines Stück. Wenn Zwetschgendatschi frisch aus dem Ofen kommt und noch lauwarm serviert wird, kann man ihn nicht gut kleinschneiden, es müssen große Fladen sein, damit der sehr elastische Teig die Wucht an warmen, im eigenen Saft liegenden und dick von Butterstreuseln bedeckten Früchten halten kann. Eckstücke kann man prima aus der Hand essen, bei Mittelstücken reißt man sich zusammen und nimmt die Gabel.

Bei Zwetschgendatschi fallen mir übrigens sofort die Fußball-Länderspiele mit deutscher Beteiligung Ende der Sechziger Jahre ein - ein Gemeinschaftsereignis vor Public-Viewing-Zeiten. Damals wohnten wir in der Nähe von Köln, und mein Vater hatte unseren ersten Farbfernseher - damals der einzige im ganzen Mietshaus - angeschafft. Fußball in bunt, das war doch was! Und sonntags Bonanza. Die Nachbarn saßen in unserem kleinen Wohnzimmer dicht gedrängt auf zwei Sesseln und einer dunkelgrünen Cordsamtcouch beieinander. Und meine Mutter schaffte nicht Bier und Chips, sondern Blechkuchen ran. Zwetschgenkuchen! Ich wusste nicht, was ich spektakulärer finden sollte, das bunte Gewimmel im TV oder das Tempo, in dem unsere Gäste die warmen Kuchenfladen verdrückten. Egal, beides war irgendwie klasse, weil beim Fußballgucken sowieso alle guten Manieren vergessen waren.

So wie meine Mutter mache ich den Datschi noch heute - vielleicht nicht außergewöhnlich, aber er schmeckt warm zum Dahinschmelzen und auch noch am Tag darauf, was man von Hefegebäck nicht immer behaupten kann. Wichtig ist: Es müssen dick Zwetschgen drauf und ebenso dicht sehr butterhaltige Streusel. Nur dann entwickelt der Blechkuchen seine volle Cremigkeit. Probieren Sie doch mal ein großes Stück...

REZEPT für Zwetschgenstreusel

Zutaten (für ein großes Backblech)
für den Hefeteig
500 g Mehl
30 g frische Hefe
100 g Zucker
250 ml Milch
70 g Butter
1 Prise Salz
1 Ei

für die Streusel
150 g Mehl
60 g Zucker
90 g Butter

für den Belag
c. 1,5 bis 2 kg Zwetschgen

Zubereitung
Aus Hefe, lauwarmer Milch, 1 EL Zucker und etwa 5 EL Mehl einen Vorteig zubereiten - heißt: alles gut mischen. Das funktioniert mit dem Schneebesen oder mit dem Handmixer bzw. dem Knethaken der Küchenmaschine. Den Vorteig zugedeckt etwa 10 bis 15 Minuten gehen lassen, bis er sich auf etwa das Doppelte vergrößert hat.

Restliches Mehl dazusieben, restlichen Zucker, eine Prise Salz, das Ei, die weiche Butter dazugeben und durch Rühren einen glatten Teig herstellen. Leicht mit Mehl bestäuben und an einem warmen, Zugluft freien Ort zu doppeltem Volumen aufgehen lassen (ca. eine halbe Stunde). Inzwischen alle Zutaten für die Streusel verkneten. In den Kühlschrank stellen. Zwetschgen waschen und entsteinen, dabei halbieren, aber nicht durchschneiden. Die Fettpfanne mit Backpapier auslegen oder einfach gut mit Butter einpinseln. Den Teig ausrollen, aufs Backblech ziehen und einen kleinen Rand formen. Die Zwetschgen nebeneinander in dichten Reihen auf den Teig legen. Falls sie sehr sauer sind, mit etwas Zucker bestreuen. Ansonsten einfach die vorbereiteten Streusel gleichmäßig darauf verteilen. Im vorgeheizten Backofen etwa 40 Minuten bei 180 Grad (Ober-/Unterhitze) auf der mittleren Schiene backen. Am besten noch lauwarm essen.

Buchteln, bitte!

Erster Versuch: Omas "Zwetschgennudeln". Formtechnisch noch nicht optimal - aber sie schmecken fast wie damals in der Kindheit.
Erster Versuch: Omas "Zwetschgennudeln". Formtechnisch noch nicht optimal - aber sie schmecken fast wie damals in der Kindheit.

© Susanne Leimstoll

Im vorliegenden Fall muss wieder meine Oma mütterlicherseits herhalten. In ihrem mit Eierkohlen und Holz befeuerten Küchenofen hat sie niemals Zwetschgendatschi gebacken, sondern, was sie "Zwetschgennudeln" nannte. Meine Oma Maria, klein, rund, mit einer Hälfte italienischer Verwandtschaft, stammte aus einer kinderreichen, nicht eben gut situierten Bauernfamilie, die sich in Schwaben - das ist übrigens ein Teil Bayerns - niedergelassen hatte. Sie sprach zeitlebens ein Kauderwelsch aus Schwäbisch und Bayrisch und kochte auch genauso.

Zum Backen benutzte sie nie eine Küchenwaage, ihr Maß waren ihre kräftigen, an Arbeit gewöhnten Hände. Deshalb haben wir auch nur wenige ordentliche Rezepte von ihr geerbt. Die Oma nahm eben von allem ein paar Handvoll. Und den Hefeteig schlug sie mit dem Kochlöffel, wie das heute kaum einer mehr kann.

Ihre Zwetschgennudeln waren der Knaller für uns Kinder. Den gut ausgewellten Teig teilte die Oma in dicke Scheiben, rollte jede zu einem hauchdünnen Rund aus und platzierte eine dicke Handvoll Zwetschgen in der Mitte, stäubte ein wenig Zucker drauf und formte jeden Fladen zu einem dicken, fetten, zwetschengefüllten Ball. Etwa acht davon setzte sie nebeneinander in eine Emaillekachel, ließ den Teig noch einmal gehen, pinselte die "Nudeln" mit etwas Milch ein und schob sie ins Feuer.

Nach einer guten halben Stunde kamen sie raus; da duftete schon die ganze Wohnung. Und wir Kinder konnten es kaum abwarten, bis die üppigen Hefebälle kühl genug waren, dass die Oma für jeden einen herauslöste. Kein Wecken konnte so groß und appetitlich sein wie diese Zwetschgennudeln. Wenn wir hineinbissen, lief der süße Saft an den Mundwinkeln bis zum Kinn hinunter, und wir sahen aus wie die Schweine. Es war uns wurscht - bei der Oma durfte man das.

Was sie gebacken hat, waren eigentlich obstgefüllte Buchteln. Die bekommen in aller Regel nur eine, zwei Pflaumen in die Mitte, der Rest besteht aus viel lockerem Hefeteig. Schmackhaft sind die auch. Aber ich mag sie lieber prall gefüllt wie damals. Nie mehr hat jemand sie nach dem Tod meiner Oma in meiner Familie gebacken. Deshalb habe ich mich jetzt drangemacht und versucht, sie zu kopieren. Mal sehen, ob sie Ihnen schmecken ...

Omas Variante: saftig mit ganz vielen Zwetschgen.
Omas Variante: saftig mit ganz vielen Zwetschgen.

© Felix Denk

REZEPT für "Zwetschgennudeln" (Buchteln)

Zutaten (für 8 Stück)

400 g Mehl 2 EL Zucker 2 Eier 250 ml Milch 50 g Butter 1 Msp. Salz 1 Würfel Hefe ca 1 kg Zwetschgen etwas Butter, Milch, Zimt und Zucker zum Bestreichen

Zubereitung
Mehl in eine Schüssel sieben. Aus etwa 5 EL des Mehls, der zerbröselten Hefe, der lauwarmen Milch und 1 EL Zucker einen Vorteig zubereiten. Zugedeckt etwa 15 Minuten an einem warmen Ort gehen lassen.
Eier, Butter - alles zimmerwarm - und restlichen Zucker und Salz dazugeben. Mit dem Handrührgerät oder dem Knethaken der Küchenmaschine einige Minuten vermengen oder von Hand schlagen, bis der Teig Blasen wirft.
Noch einmal zugedeckt an einem warmen Ort auf doppelte Menge gehen lassen. Teig mit etwas Mehl aus der Schüssel lösen, kurz durchkneten, eine Rolle formen und sie in 8 gleich große Stücke teilen. Jedes bemehlt rund auswellen, je 4 bis 5 Zwetschgen und etwas Zucker in die Mitte geben, mit Teig einschlagen und umgedreht, auf der geschlossenen Teignaht, in eine ungefettete Auflaufform setzen. Die Buchteln können ruhig dicht an dicht sitzen, sie gehen im Ofen auf, es tritt Saft aus, aber man kann sie, fertig gebacken, gut auseinanderbrechen.

Am Ende mit zerlassener Butter (oder besser: mit einem Gemisch aus zerlassener Butter, Zucker, Milch und etwas Zimt) bepinseln, noch einmal fünf Minuten gehen lassen und bei 150 Grad (Umluft) oder 175 Grad Ober-/Unterhitze 20 bis 30 Minuten auf der mittleren Schiene backen.

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