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Ein Protestbanner an einem Berliner Wohnhaus.

© imago images/Seeliger

Gegen Verdrängung der Mieter: Nur ein bezirklicher Vorkauf scheiterte in Tempelhof-Schöneberg vor Gericht

Gerade Grünen-Baustadträte nutzten das Vorkaufsrecht, bis das Bundesverwaltungsgericht es Ende 2021 für rechtswidrig erklärte. Haben abgeschlossene Vorkäufe Bestand?

Bis 2021 haben in Berlin vor allem Bezirksbaustadträte der Grünen bei Hausverkäufen das wohnungsbaupolitische Instruments des bezirklichen Vorkaufsrechts angewandt. Damit sollten Mieterinnen und Mieter vor stark steigenden Mieten aufgrund von Luxusmodernisierungen oder wegen der Umwandlung in Eigentumswohnungen vor dem Verlust der Mietwohnung geschützt werden.

Die meisten Fälle gab es in Friedrichshain-Kreuzberg, aber auch in Tempelhof-Schöneberg wurde das Vorkaufsrecht zwischen 2015 und 2021 achtmal angewandt. Danach gab es keine Fälle mehr, denn im November 2021 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Vorkaufspraxis generell rechtswidrig ist.

Die Bima hat sich an der Immobilienspekulation beteiligt statt gegenzusteuern.

Harald Gindra, Linken-Bezirksverordneter

Bis auf einen Fall sind in Tempelhof-Schöneberg inzwischen alle Vorkäufe bestandskräftig abgeschlossen und können nicht mehr angefochten werden. Dies teilte Stadtentwicklungsstadträtin Angelika Schöttler (SPD) auf Anfrage des Tagesspiegels mit. Dabei geht es um folgende Gebäudekomplexe:

  • Großgörschenstraße 8 / Neue Kulmer Straße 1
  • Friedrich-Wilhelm-Straße 33, 33A
  • Hohenfriedbergstraße 11
  • Ebersstraße 71
  • Ordensmeisterstraße 52
  • Gleditschstraße 39, 41, 43
  • Friedrich-Wilhelm-Straße 15 / Tempelhofer Damm 202

Im Fall des Gebäudekomplexes Großgörschen-/Katzlerstraße hat das Land Berlin Ende 2022 den langjährigen Rechtsstreit um den bezirklichen Vorkauf in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof verloren. Im Februar 2015 hatte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg sein Vorkaufsrecht für die drei bundeseigenen Mietshäuser zugunsten der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag geltend gemacht. Damals war noch Sibyll Klotz (Grüne) als Baustadträtin im Amt.

Die Bundesimmobilienanstalt Bima hatte die drei Häuser an einen Investor verkauft. Bereits in erster Instanz hatte das Landgericht den Vorkauf als rechtswidrig bezeichnet. Das Kammergericht kam zum selben Schluss. Dieses Urteil wurde nach sieben Jahren Rechtsstreit letztlich vom BGH bestätigt. Dieser hat sich in seiner Begründung auch auf Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bezogen.

Unmittelbare Konsequenzen aus dem Urteil für die Wohnungsmieter sieht Schöttler nicht. Gemäß dem Grundsatz „Kauf bricht nicht Miete“ müsse der Käufer die sich aus den Mietverhältnissen ergebenden Rechte und Pflichten übernehmen. Anders sehe es bei den gewerblichen Mietern aus, sagte Schöttler auf eine mündliche Anfrage des Linken-Bezirksverordneten Harald Gindra.

Bundesimmobilienanstalt musste an Höchstbietenden verkaufen

„Das Tragische an diesem Fall ist, dass zwei öffentliche Einrichtungen gegeneinander prozessierten“, sagte Gindra. Die Bima sei damals noch daran gebunden gewesen, an den Höchstbietenden verkaufen zu müssen. Sie habe in jenen Jahren zahlreiche Wohnimmobilien auf dem Berliner Markt angeboten. In der Zeit, als Wohnraum knapp wurde in Berlin, habe sich die bundeseigene Gesellschaft so „an der Immobilienspekulation beteiligt, statt gegenzusteuern“.

In den Jahren ab 2016 war der Grünenpolitiker und jetzige Bezirksbürgermeister, Jörn Oltmann, Baustadtrat. Er setzte vor allem auf Abwendungsvereinbarungen. Diese wurden zwischen Bezirk und den Immobilienkäufern geschlossen, um einen Vorkauf abzuwenden.

Sie hatten zum Inhalt, dass der Erwerber über einen längeren Zeitraum auf bestimmte Maßnahmen wie Luxusmodernisierung oder die Umwandlung in Wohneigentum verzichtet. Es gab auch sogenannte Abwendungserklärungen, mit denen der Immobilienerwerber einseitig diese Absicht erklärte. Auch damit sollte ein bezirklicher Vorkauf abgewendet werden. Im Bezirk wurden 61 solcher Erklärungen und Vereinbarungen unterschrieben.

Bisher wird nach Schöttlers Angaben nur über eine davon vor Gericht gestritten. Schöttler sagte: „Grundsätzlich steht das Bezirksamt auf dem Standpunkt, dass die Abwendungsvereinbarungen wirksam sind und auch nicht wirksam gekündigt werden können.“ Allein aus dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil lasse sich kein Kündigungsgrund ableiten. Diese Rechtsauffassung werde den Eigentümern, die sich an das Bezirksamt wenden, mitgeteilt. „Zugleich werden sie aufgefordert, sich auch künftig vertragskonform zu verhalten“, sagte Schöttler.

Wie die Stadträtin weiter sagte, ist nach derzeitigem Stand nicht damit zu rechnen, dass es eine allgemeine gerichtliche Klärung geben wird, die für alle Abwendungen gleichermaßen gilt. Es werde wohl auf den Einzelfall ankommen. „Ein solcher Streit könnte auch erst in einigen Jahren entstehen, wenn beispielsweise ein Eigentümer eine Maßnahme auf seinem Grundstück durchführen will, die im Widerspruch zu der Abwendung steht“, sagte Schöttler.

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