zum Hauptinhalt
Die Geburtsgrotte Jesu in Bethlehem, von der Hand des schottischen Malers David Roberts, eines Zeitgenossen von Pückler.

© Francois Stroobant, 1844, nach David Roberts, 1839, Farblithographie aus dem Band

Fürst Pücklers Orientreise: Ein atheistischer Pilger im Heiligen Land

Unterwegs auf biblischen Spuren: Die Berliner Ethnologin Kerstin Volker-Saad zeichnet Hermann Fürst von Pückler-Muskaus abenteuerliche Reise in Palästina nach.

Mit Kanonenschüssen wurde er begrüßt: Fürst Pückler in Jaffa! Am 21. Januar 1838 traf der Lausitzer Lebemann mit dem Schiff im Heiligen Land ein, ein wenig ermattet von seiner jahrelangen Reise durch Ägypten und den Sudan, die „durch ihre Eintönigkeit eine seltsam geistabspannende Wirkung“ bei ihm hinterlassen hatte.

Bis nach Khartoum und weiter war er vorgestoßen, als Gast des Herrschers Mehemed Ali. Jetzt wollte er sich mit der Bibel in der Hand in Palästina auf Spurensuche begeben. „Auf Asiens weiten, fruchtbaren Fluren“ kam er sich „wie ein aus dem Grabe Erstandener“ vor. Und prima: Er erhielt auch gleich ein arabisches Pferd als Geschenk.

Jaffa, Jerusalem, Bethlehem, Totes Meer, Jericho, Tiberias, See Genezareth, Nazareth – Pückler besuchte Orte, die auch andere Reisende und Pilger vor und nach ihm sehen wollten. Seine Eindrücke hielt er in Tagebuch und Briefen fest und arbeitete sie später zu einem Reisewerk aus, das unter dem Titel „Die Rückkehr“ zwischen 1846 und 1848 in drei Bänden erschien. Der stets klamme Fürst musste ja Geld verdienen. Seine Reisebücher – etwa die „Briefe eines Verstorbenen“ über England – wurden viel gelesen.

Blick auf Bethlehem, wie der schottische Maler David Roberts die Landschaft sah.

© David Roberts, 1839

Im Heiligen Land war er von den christlich religiösen Stätten oft enttäuscht. „Mir erscheinen die christlichen Heiligthümer mit allem, was daran hängt, als der größte Skandal“: Vernachlässigt seien sie oder würdelos betrieben. In der Grabeskirche etwa „muss man mit Ekel sehen, wie katholische und griechische Christen nicht selten ihren gegenseitigen Haß thätlich an einander auslassen“.

Ich gehöre zu denen, die lieber dem Wissen als dem Glauben folgen, das Selbstforschen der Autorität vorziehen.

Fürst Pückler, Reisender und bekennender Atheist

Viel mehr beeindrucken ihn die islamischen Heiligtümer. Der Felsendom sei „bei weitem das Sehenswertheste in Jerusalem, pittoresk, großartig und prachtvoll im höchsten Grade“. In Bethlehem steigt er, sobald er mit den Mönchen „den obligaten Kaffee eingenommen“ hatte, enge Steintreppen herab zur unterirdischen Geburtsgrotte „des größten Märtyrers der Menschheit“.

Pückler teilt in alle Richtungen aus

Die Berliner Ethnologin Kerstin Volker-Saad beschäftigt sich seit Jahren mit Pücklers Orientreise, die er 1834-40 unternahm. In Zusammenarbeit mit der Stiftung Fürst Pückler Park Bad Muskau hat sie jetzt einen Band veröffentlicht, der Pücklers Reise nachzeichnet: „Unterwegs im gelobten Land“, mit Einführung, Originalpassagen, Glossar, Karten und zahlreichen Abbildungen. Zuvor erschienen ihre Bände über seine Tour in Ägypten (2013) und im Sudan (2017), ein weiterer ist geplant.

Hermann Ludwig Heinrich Graf von Pückler-Muskau, der ab 1822 Fürst von Pückler-Muskau war. 

© SPSG

Dafür erschließt sie Quellen neu, wertet Pücklers Originaltexte aus und reist Pückler auch mal nach: Im Sudan wanderte sie auf alten Sklavenrouten, im Heiligen Land suchte sie nach den Orten, die Pückler beschreibt und teilweise anders benennt als heute üblich. „Ich habe alle gefunden, bis auf eine Kirche und ein Tal“, sagt die 58-Jährige.

Passend zu den jeweiligen Reisezitaten hat Volker-Saad stimmungsvolle Lithografien von David Roberts eingefügt. Der schottische Maler reiste etwa zur gleichen Zeit wie Pückler durch Ägypten und Palästina. Allerdings verströmen seine Bilder eine ganz andere Atmosphäre als die Texte Pücklers.

Kerstin Volker-Saad, Ethnologin und Autorin.

© Frank Lehmann

Während Roberts, ursprünglich Kulissenmaler am Theater, idealisierte, zeitlos wirkende Landschaften und Menschen malt, beschreibt der Atheist und Spötter Pückler – „ich gehöre zu denen, die lieber dem Wissen als dem Glauben folgen, das Selbstforschen der Autorität vorziehen“ – auch reale Missstände und teilt in alle Richtungen aus.

Auf dieser heiligen Erde seien die Juden „am versunkensten, die Moslems am demoralisirtesten, die Christen in ihren verschiedenen Secten am streitsüchtigsten und lieblosesten“, befindet er. „Ich habe bewusst diese zwei Pole einander gegenübergestellt“, sagt Kerstin Volker-Saad über ihre Auswahl von Text und Bildern.

Das originale Reisetagebuch Pücklers liegt im Nachlass Karl August Varnhagen von Enses kriegsbedingt in Krakau, Faksimile-Scans sind in der Pückler-Stiftung in Branitz, Pücklers Alterssitz, vorhanden. „Die Scans mussten erst transkribiert werden, sie sind auch nicht vollständig“, sagt Volker-Saad. Eine wissenschaftliche Edition des gesamten Tagebuchs wäre wünschenswert.

Die Grabeskirche in Jerusalem. Romantisch für den Maler David Roberts, ein Ort der Streitsucht laut Pückler.

© David Roberts, 1839

Pückler reiste mit großer Entourage, darunter ein Koch, Reitknechte, Kammerdiener, Dolmetscher und, wie er in einem Brief schreibt, „meine vier sehr gut dressirten Sklaven“. In Kairo und Khartum hatte er die Mädchen Ajamé und Machbuba erworben – in seiner Lesart „freigekauft“. „Im sogenannten Orient war es damals normal, mit versklavten Dienern zu reisen; wenn er keine gehabt hätte, hätte Mehemed Ali ihm welche geschenkt“, sagt Volker-Saad.

Es war Pückler wichtig, Machbuba mit nach Europa zu bringen. Die junge Frau starb, von ihm heftig betrauert, allerdings kurz nach der Ankunft in Muskau. Ihre Rolle ist umstritten: War sie vor allem Sklavin, Opfer? Oder Begleiterin, Freundin, Geliebte? Was wissen wir über sie, wie sieht man sie im heutigen Äthiopien, im Volk der Oromo, dem sie vermutlich entstammte?

Die Reisebände dienen auch der Vorbereitung einer von Kerstin Volker-Saad kuratierten Ausstellung zu Pücklers Orientreise und Machbuba, die 2024 im Badepark in Bad Muskau eröffnen und genau diese Fragen thematisieren soll.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false