zum Hauptinhalt

© privat

Frisches Brot aus dem Hinterhof: Seit über 100 Jahren wird im Schöneberger Kiez gebacken

Bäckereien, die noch alles selber backen, sind rar geworden in der Stadt. In der Hochkirchstraße in Berlin-Schöneberg hat das Backhandwerk Tradition. Und das soll auch so bleiben.

Als Claudia Holzwig im Jahr 2006 in ihre Wohnung in der Hochkirchstraße in Schöneberg einzog, gehörte zu ihrem Mietvertrag auch ein Passus, dass sie bestimmte Gerüche, die in ihre Wohnung ziehen könnten, akzeptieren müsse. Von Geruchsbelästigung konnte man in diesem Fall nicht wirklich reden. Es handelte sich um den Duft von frischem Brot, Kuchen und anderen Backwaren. Im Vorderhaus gab es nämlich eine Bäckerei, die sich ihre Produkte eben nicht als Rohlinge liefern ließ und diese nur schnell aufbacken musste. Im Hinterhaus war die Backstube, und dort wurde jeden Morgen frisch gebacken. Was vor gut 100 Jahren seinen Anfang nahm, ist auch heute noch so.

Holzwig, gelernte Einzelhandelskauffrau, hat die Bäckerei Anfang dieses Monats von den Vorbesitzern übernommen. Auch das gesamte Team wird weiter dort arbeiten. Aus der Bäckerei „Seitz Brot & Wein“ wurde die Bäckerei „Brot Gut“. Als Holzwig seinerzeit nach Berlin kam und in das Haus zog, wurde sie schnell Kundin der Bäckerei, die von dem Ehepaar Walter und Renate Seitz insgesamt 24 Jahre betrieben wurde.

Claudia Holzwig leitet jetzt die Bäckerei Brot Gut in Schöneberg.
Claudia Holzwig leitet jetzt die Bäckerei Brot Gut in Schöneberg.

© privat

Damals gab es noch keinen Gedanken daran, dass sie Backstube und Geschäft einmal weiterführen würde. Vor sechs Jahren suchte sie einen neuen Job, möglichst in der Nähe der Wohnung. Das Bäcker-Ehepaar Seitz suchte jemanden für den Laden. Holzwig konnte sich die Arbeit dort gut vorstellen. Es passte also, und sie tauchte ein ins Bäckereibusiness. Die heute 57-Jährige hatte zuvor Erfahrungen unter anderem im Biolebensmittelhandel gemacht, aber nicht im Backhandwerk.

Die aus dem Fränkischen stammende Familie Seitz setzte auf traditionelle Rezepte für Brote und Kuchen. Diese kann Holzwig übernehmen. Der Klassiker bei den Broten „ist das gesunde und authentische Sauerteig-Brot ohne Zusatzstoffe, hergestellt mit Mehl direkt von der Mühle Steinmeyer in Luckenwalde“, wie Holzwig sagt. Bekannt ist auch der Bienenstich, dessen Füllung aus frisch gekochtem Vanillepudding besteht. Das Bäckerinnen-Team – eine Meisterin, zwei Gesellinnen – wird weiter das Bewährte backen, aber sich bestimmt mit der Zeit auch an neue Rezepte wagen. Wichtig ist Holzwig die Qualität des zu verarbeitenden Getreides und der anderen Zutaten, auch wenn sie aus Kostengründen nicht aus biologischem Anbau stammen.

In diesem Herbst hat ein junger Syrer als Auszubildender in der Backstube angefangen. „Das ist in unserer Branche wie Goldstaub, einen Auszubildenden zu finden“, sagt Holzwig. Denn das Bäckerhandwerk ist schon relativ harte Arbeit, bei keiner besonders üppigen Bezahlung. Dazu kommt die Arbeitszeit. Der Bäckerberuf ist nichts für Langschläfer. Um drei Uhr morgens geht es in der Backstube los. Holzwig hat sich vorgenommen, diese Zeiten zu ändern. Sie möchte Arbeitsabläufe umorganisieren und es durch vorbereitende Arbeiten am Vortag möglich machen, dass der Betrieb in der Backstube erst später beginnt.Dann geht es dort vielleicht erst um fünf Uhr morgens los.

Zum Angebot der Bäckerei gehört ein Cafébetrieb im Laden. Draußen gibt’s auch einige Tische, sodass man dort bei gutem Wetter ebenfalls sitzen und frische Croissants, Kuchen oder sonstige Leckereien bei einer Tasse Kaffee oder Tee genießen kann. Mittags wird zudem eine Suppe angeboten, und auch Brötchen werden belegt. Manchmal nehmen auch Besucherinnen und Besucher des benachbarten Alten-Sankt-Matthäus-Kirchhofs dort Platz. Sie werden angelockt vom Duft frisch gebackenen Brots oder Kuchens, der weiterhin von der Backstube durch den Kiez zieht.

Hier die aktuellen Themen aus dem Tagesspiegel für Tempelhof-Schöneberg:

Auf 280.000 Abos kommen unsere Bezirksnewsletter schon beim Tagesspiegel. Und wir freuen uns auch auf Sie! In den Bezirksnewslettern finden Sie exklusive Nachrichten, Kiezdebatten, viele Termine, Links und Tipps - immer Bezirk für Bezirk, einmal pro Woche. Die Tagesspiegel-Bezirksnewsletter gibt es kostenlos unter: tagesspiegel.de/bezirke. Hier weitere Themen, die Sie im aktuellen Newsletter für Tempelhof-Schöneberg lesen können.

  • Nationalsozialist und Fliegergeneral: Soll eine Straße weiter den Namen Ernst Udet tragen?
  • Erinnerung und Mahnung: Ergebnisse der Gedenktafelkommission
  • Weniger Schutzbaken, schmalere Wege: Stadträtin kritisiert Änderungen für neue Radspuren
  • Arm verstorben: Amt richtet Trauerfeier aus
  • Happy End für Hühnchen-Grill: Standplatz gefunden
  • Zu Hause in Friedenau: Das Kleine Theater feiert 50. Geburtstag
  • Heute Abend: Benefizkonzert für die Ukraine
  • Gedenken an die Novemberpogrome von 1938: Konzert, Zeitzeugen, Stolpersteinputzen
  • Tempelhof-Schöneberg und das Wasser: Der Bezirk duscht gerne warm
  • Lang ersehnt und jetzt viel benutzt: Erfahrungen mit der Yorckbrücke 5

… das alles lesen Sie kompakt und gebündelt im Tagesspiegel-Bezirksnewsletter: tagesspiegel.de/bezirke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false