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Im Rahmen der Berlin Science Week kamen 2017 mehr als 30 Postdoktoranden des P21-Netzwerks zum "Enterprise Fair: Digital Start-up Ecosystem".

© Hannes Rothe

Karrierenetzwerk Postdocs-to-Innovators: Aus der Wissenschaft in die Wirtschaft

Ein internationales Karriere-Netzwerk will Frauen und Männern nach der Promotion neue berufliche Wege ebnen. Die Freie Universität Berlin gehört dazu.

Der wissenschaftliche Werdegang kann frustrierend sein: Man studiert jahrelang, brilliert mit einer exzellenten Abschlussarbeit, promoviert und leistet als Postdoktorandin oder Postdoktorand wertvolle Arbeit in der Wissenschaft. Doch die Stellen im wissenschaftlichen Betrieb sind rar - und die Aussicht, eine unbefristete Professur zu erlangen, ist nicht für alle Absolventinnen und Absolventen realistisch. Für viele ist dies eine schmerzliche Erkenntnis. Sie haben viele Jahre an einer Forschungsinstitution verbracht, gehören zu den besten ihres Fachs und wissen nach der Promotion dennoch nicht, wie es weitergehen soll.

Um Perspektiven aufzuzeigen, ist die Freie Universität Berlin unter der Leitung von Professor Hannes Rothe dem Karrierenetzwerk Postdocs-to-Innovators beigetreten, das die Universitäten in Cambridge, Glasgow, Innsbruck und Paris zusammen mit führenden Unternehmen im Jahr 2017 gegründet haben. Das Netzwerk soll Postdoktorandinnen und Postdoktoranden der Freien Universität dabei helfen, einen anderen Berufsweg als den wissenschaftlichen einzuschlagen: zum Beispiel den Weg in ein Unternehmen oder in die Selbstständigkeit, etwa mit der Gründung eines eigenen Start-ups.

„Wir haben an der Freien Universität bestens ausgebildete Menschen“, sagt Hannes Rothe, Juniorprofessor for Educational Service Engineering und IT-Entrepreneurship am Department Wirtschaftsinformatik der Freien Universität Berlin. „Ich spreche von Postdoktorandinnen und Postdoktoranden mit hoher Expertise in ihrem Feld, weltweit führend. Doch nicht alle von ihnen bekommen eine Professur. Unser Ziel ist es, diesen Personen zu helfen, ihr Wissen auf einem anderen Weg in die Gesellschaft zu überführen.“ Oft wüssten die Absolventinnen und Absolventen aber nicht, wie sie dies anstellen sollen. „Deshalb haben wir ein Netzwerk aus Spitzenforschungsinstitutionen zusammen mit der Industrie und diversen Start-ups gegründet, um bei diesem Einstieg zu helfen.“

Branchenübergreifend helfen

Das Netzwerk bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedene Veranstaltungen und Weiterbildungsangebote an; es bringt Menschen aus der Wissenschaft und der Wirtschaft zusammen, zum Beispiel auf den zweimal im Jahr stattfindenden Enterprise Fairs. „Dieses Jahr kam die Enterprise Fair nach Paris, im vergangenen Jahr fand sie in Berlin und Cambridge statt. Und im November 2018 ist Glasgow der Austragungsort“, sagt Hannes Rothe. „Wir wählen jedes Mal einen neuen Schwerpunkt aus. Vergangenes Mal hieß er ,Digital Entrepreneurship’; dieses Mal soll es um Biotech-Projekte gehen. Start-up-Gründungen stehen zwar im Zentrum, Partner aus der Großindustrie sind aber auch vertreten.“

Neben einem Veranstaltungs- und Beratungsangebot gehört zu dem Postdocs-to-Innovators-Netzwerk auch ein europäisches Mentoring-Programm. „Wir haben viele Menschen aus Berliner Unternehmen und der Forschung in unserem Netzwerk. Die sind aber ziemlich auf ihre Branche spezialisiert. Deswegen haben wir ein weltweites Netzwerk von Mentorinnen und Mentoren aufgebaut, damit wir auch branchenübergreifend helfen können.“ Die am Projekt beteiligten Unternehmen und Einrichtungen sind vielfältig: Ingenieursbetriebe, Bio- und IT-Unternehmen, aber auch Nichtregierungsorganisationen. „Wir wollen breit aufgestellt sein und nicht nur den Technik- oder BWL-Bereich abdecken“, sagt Hannes Rothe. Schließlich sei die Freie Universität Berlin sehr stark in den Geisteswissenschaften. Aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Chemie und Biologie sollen unterstützt werden. „In den vergangenen Jahren hatten wir ein Angebot speziell für Literaturwissenschaftler. Wir haben einen Workshop angeboten, um Studierende dieses Fachs über die Möglichkeiten des ‚Digital Publishing’ zu informieren. Das kam extrem gut an.“

Einer der Postdoktoranden, der an dem Netzwerk teilnimmt und von dem Projekt nun profitiert, ist Tony C. Lee. Derzeit habilitiert der Politologe am Institut für Sinologie der Freien Universität Berlin. Lee ist aus Taiwan nach Berlin gekommen, um seinen wissenschaftlichen Werdegang nach der Promotion fortzusetzen. Während der Teilnahme an einer von Professor Hannes Rothe organisierten „Postdocs-to-Innovators“-Tagung entdeckte er das Potenzial der eigenen Forschungstätigkeit für die Wirtschaft. Die Erkenntnisse aus seiner Doktorarbeit, die die Persönlichkeit von chinesischen Machthabern mithilfe von psychologischen Daten untersucht, hat er in eine Start-up-Idee übertragen. „Ich entwickle momentan die Software ‚Mind-Reader’, die auf Grundlage von Text- und Audiodaten die Persönlichkeit eines Menschen einordnen kann.“

Der erste Schritt in den Beruf

Tony C. Lee hat sich in seiner Forschung auf einflussreiche Politiker wie den chinesischen Präsidenten Xi Jinping konzentriert und ihre persönlichen Eigenschaften untersucht. „Bei Xi konnte ich ein stark ausgeprägtes Leistungsmotiv verbunden mit einem tiefgreifenden Konservatismus feststellen. Auf dieser Grundlage analysierte ich, wie der Charakter eines Politikers sein politisches Handeln beeinflusst“, sagt der Politologe. Mit seinen Forschungsmethoden könne man nun das Verhalten von Politikerinnen und Politikern besser verstehen und zum Teil sogar voraussagen.

Der Politologe Lee will nach der Fertigstellung der Software sein Produkt vor allem Personalabteilungen von großen Unternehmen anbieten. „Die Software könnte für Einstellungsverfahren interessant sein. Normalerweise müssen Unternehmen Tausende Euro für Assessment-Center ausgeben, um geeignete Beschäftigte zu finden. Meine Software könnte dabei helfen, eine Kandidatin oder einen Kandidaten schneller und genauer einzuschätzen und den Bewerbungsprozess damit effizienter zu machen.“ In sechs Monaten soll eine erste Pilotversion der Software fertig sein und auf den Markt gehen.

Der Postdoktorand ist zufrieden mit dem neuen beruflichen Schritt. Durch die Unterstützung des Netzwerks hat er sich sogar erfolgreich für ein Stipendium beworben: das Berliner Startup Stipendium. „Man muss heutzutage breit aufgestellt sein“, sagt Lee. Nun hoffe er darauf, dass seine App ein Erfolg wird. Habilitieren will er sich trotzdem. Vielleicht, sagt er, klappt es ja doch mit einer Professur.

Im Internet: www.wiwiss.fu-berlin.de/fachbereich/bwl/pwo/rothe/Postdocs-to-Innovators und www.de-hub.org

Leonard Fischl

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