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Brandenburg: Doppelt gefördert, billig saniert, schlampig geprüft

Für Schloss Boitzenburg gab es öffentliche Gelder ohne allzu strikte Kontrolle Das zeigen die Ermittlungen wegen mutmaßlichen Subventionsbetrugs

Boitzenburg - Hinter hohen Bäumen ragt der imposante Renaissance-Bau aus dem 16. Jahrhundert auf. Schloss Boitzenburg, auf den ersten Blick: ein Schmuckstück. Doch die Fassade ist an vielen Stellen nicht ordentlich verputzt, Fugen sind nicht abgedichtet und Umbauten eher billig ausgeführt. Den meisten Gästen fällt das nicht auf – die Frage ist aber, ob Experten es sofort erkennen müssten. Wenn ja, dann könnte einer der größten mutmaßlichen Fälle von Subventionsbetrug in Brandenburg von Behörden zumindest fahrlässig begünstigt worden sein.

Der Fall Boitzenburg beginnt 1998. Damals kaufte der Investor Oliver E. das Schloss für eine Mark von der Treuhand. Der Hamburger präsentierte sich als seriöser Investor und Idealist zugleich. Er wolle aus dem Schloss keine Luxusherberge machen, sondern ein Kinder- und Familienhotel. An E.’s Solvenz gab es keine Zweifel. Drei Herrenhäuser hatte er schon zu Pony-Schlössern umgebaut. Einen Hotelbetreiber als Partner stellte er ebenfalls vor.

E. wurde als Retter von Boitzenburg gefeiert. Für hunderte arbeitslose Handwerker gab es vorübergehend eine Beschäftigung, für den Tourismus sollte eine neue Attraktion entstehen. Die Landesregierung war bereit, ihre Fördertöpfe weit zu öffnen. Allein die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) zahlte insgesamt 22,5 Millionen Euro an die Schloss Boitzenburg KG. Das Arbeitsamt Eberswalde finanzierte mit 8,2 Millionen Euro Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Landesagentur für Struktur und Arbeit steuerte weitere 2,5 Millionen Euro bei. Für das Arbeitsamt, aber auch für die ILB waren es ungewöhnlich hohe Förderungen. Letztere unterzeichnete die Verträge erst, nachdem die Landesregierung ihr politisches Interesse an der Förderung formuliert hatte. Sechs Jahre dauerte die Sanierung, und als Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) im April 2004 das Hotel besuchte, schrieb er „Gratulation“ ins Gästebuch, „wenige haben daran geglaubt, Sie haben es dennoch geschafft.“

Mittlerweile jedoch ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen insgesamt acht Personen wegen Subventionsbetrugs bei Schloss Boitzenburg und zwei weiteren Objekten in Sachsen-Anhalt. Anfang Oktober hat sie bei Hausdurchsuchungen an 23 Orten in acht Bundesländern insgesamt 1500 Aktenordner beschlagnahmt. Die Fördermittelgeber jedoch schweigen zu dem Fall. Sie wurden offenbar mit einem einfachen Trick überlistet. Mit Doppelförderung. Zwar ist es nicht ungewöhnlich, dass verschiedene Institutionen Investitionen fördern. Nur förderten alle drei in diesem Fall dasselbe – dieselben Arbeiten am selben historischen Gemäuer. Mehr noch, das Geld des Arbeitsamtes und der Lasa diente der Schloss Boitzenburg KG den bisherigen Ermittlungen zufolge zugleich als Eigenmittelnachweis. Weil die ILB nur maximal 50 Prozent der Investitionssumme fördert, hatte sich Oliver E. ihr gegenüber zu 22,5 Millionen Euro eigenen Investitionen verpflichtet. Die er aber den Ermittlungen zufolge nie geleistet hat.

Dennoch hätte nicht viel gefehlt und der mutmaßliche Betrug wäre nie aufgefallen. 2004 hatte die Schloss Boitzenburg KG Zahlungsschwierigkeiten, die Arbeiten gingen nicht wie gewünscht voran, weitere ILB-Gelder in Höhe von etwa zwei Millionen Euro kamen deshalb nicht zur Auszahlung; zudem waren 1,8 Millionen Euro Bauabzugssteuern fällig. E. musste Insolvenz anmelden – und Insolvenzverwalter Wolfgang Schröder entdeckte später in den Akten zwei unterschiedliche Kostenrechnungen desselben Architekten für die Schlosssanierung. Eine zu Marktpreisen, die andere auf Basis von ABM-Löhnen. Dazu finden sich in den Unterlagen der Schloss Boitzenburg KG den bisherigen Ermittlungen zufolge gestaltete Bilanzen, manipulierte Rechnungen, Zahlungen ohne Beleg und offenbar organisierte Geldkreisläufe: In einem Geflecht von mehreren miteinander verbundenen Unternehmen sollen die Gelder hin und her geschoben worden sein, und zwar offensichtlich so lange, bis man die Fördergelder des Arbeitsamtes gegenüber der ILB als Eigenkapital ausgeben konnte. Der Insolvenzverwalter ließ den gesamten Zahlungsverkehr der Schloss Boitzenburg KG rekonstruieren. Danach stand für ihn fest, die Sanierung des Schlosses habe nur maximal 18,5 Millionen Euro gekostet. Das würde bedeuten, dass 17,7 Millionen Euro Fördergelder des Landes Brandenburg in private Taschen geflossen wären.

Oliver E. bestreitet die Vorwürfe. Er versichert, völlig unschuldig in den Blick der Justiz geraten zu sein. „Das Schloss ist mein Lebenswerk“, beteuert er und fügt hinzu, „wenn ich Millionen unterschlagen hätte, säße ich jetzt nicht mehr in Hamburg.“ E. sagt, alle Beteiligten hätten von der Doppelförderung gewusst. Auch die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass alle Geldgeber „im Grundsatz“ voneinander wussten. Nur, was heißt im Grundsatz? Die Arbeitsagentur Eberswalde erklärt, sie habe von einer Doppelförderung nichts gewusst. Auch die ILB ist sich keiner Schuld bewusst: Sie habe die Förderung im Förderausschuss der Landesregierung vorgestellt, dort sitzt auch ein Vertreter des Arbeitsministeriums, so habe auch die Arbeitsagentur Bescheid wissen müssen. Doch offenkundig gab es keine ausreichende Kommunikation zwischen den drei Geldgebern.

Allerdings hatte auch die ILB selbst genug Gelegenheiten, misstrauisch zu werden. Mehrfach waren ihre Vertreter zu Prüfungen auf dem Schloss. Keiner von ihnen wunderte sich über die vielen ABM- Kräfte auf der Baustelle. Auch die kostengünstige Bauausführung fiel anscheinend nicht auf. „Pinselsanierung“ nennt sie Insolvenzverwalter Schröder. Die Frage, ob hier tatsächlich 56 Millionen Euro investiert wurden, stellte sich offenbar keiner.

Die ILB aber stellt sich als Opfer krimineller Machenschaften dar, das einen Betrug nicht habe erkennen können. Nach Abschluss des ersten Bauabschnitts seien die banküblichen Prüfungen durchgeführt worden. Auch eine Sonderprüfung des Wirtschaftsministeriums habe stattgefunden. Besonders sorgfältig können die Prüfer die Rechnungen aber nicht betrachtet haben. Auf denen fehlten nach Informationen des Tagesspiegels mal der Mehrwertsteuerausweis, mal die genaue Definition der erbrachten Leistung. Sogar die Schlussrechnung des ersten Bauabschnitts war den Ermittlungsunterlagen zufolge unplausibel und unvollständig. Die ILB störte dies offenbar nicht.

Der zweite Bauabschnitt ist bis heute formal nicht abgeschlossen, die ILB hat dort weder Verträge noch Baurechnungen gesehen. Und Oliver E. hatte schon einen neuen, dritten Förderbescheid in Höhe von 11,4 Millionen Euro in der Tasche, als die Schloss Boitzenburg KG Insolvenz anmeldete und die Auszahlungen gestoppt wurden.

Ob E. ein Betrüger ist, werden Gerichte entscheiden. Die schlampigen Prüfungen, die schlechte Kommunikation der Förderinstanzen aber müsste die Landespolitik eigentlich interessieren. Doch der Wirtschaftsausschuss des Landtages kam nach einer kurzen Sitzung zu einem Freispruch. Die Sanierung des Schloss Boitzenburg sei förderwürdig und die beantragten Summen „plausibel“ gewesen, erklärte dessen Vorsitzender, Heiko Müller (SPD). Der ILB sei „kein falsches Verhalten, kein Fehler vorzuwerfen“.

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