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Ein Foto aus der Ausstellung.

© Museen Tempelhof-Schöneberg

Die Wiege des deutschen Fußballs in Berlin: Elf Freunde auf dem Tempelhofer Feld

Wer sich mit der Geschichte des Fußballs in Deutschland befasst, kommt an Berlin-Tempelhof nicht vorbei. Eine Ausstellung begibt sich auf Spurensuche.

Gäbe es auf der Eisenacher Straße in Mariendorf zwischen Kosleckweg und Kollostraße nicht eine Informationstafel, so käme man nicht auf die Idee, dass an dieser Stelle einst ein wichtiges Stück Fußballgeschichte geschrieben wurde. Wo heute die mehrstöckigen Gebäude einer Wohnsiedlung stehen, fand am 20. April 1908 das erste Fußballländerspiel zwischen Deutschland und England statt. Eine Paarung, die bis heute ein absoluter Klassiker in dieser Sportart ist.

Die Premiere war für die deutsche Mannschaft nicht besonders erfolgreich: Sie unterlag in Mariendorf, das damals noch eine selbstständige Landgemeinde war und nicht zu Berlin gehörte, 1:5. Der Platz war damals die Spielstätte des 1889 gegründeten Vereins BFC Viktoria. Fußball war zu der Zeit noch nicht lange in Deutschland beheimatet, wurde aber schnell immer populärer.

Dieser Spruch sollte in jedem Vereinszimmer an deutlich sichtbarer Stelle prangen.

Richard Girulatis, Trainer

Nur gut einen Kilometer weiter südlich widmet sich jetzt eine kleine Ausstellung dem Fußball in Tempelhof: „Elf Freunde müsst ihr sein …“ – so der Titel der Schau im Museum Tempelhof in Alt-Mariendorf. Das frühe Länderspiel in Mariendorf zeigt es ja schon, aber es gibt auch noch viele weitere Beispiele: Die Geschichte des Fußballs in Deutschland lässt sich ohne Tempelhof nicht erzählen. Auch wenn hier nicht der erste Verein gegründet wurde, so hat doch der älteste noch existierende Fußballverein Deutschlands in Tempelhof seine Wurzeln – der BFC Germania 1888. Er hat heute seinen Platz in der dortigen Götzstraße.

© Museen Tempelhof-Schöneberg

Weitere Vereine aus dem Bezirk sind in der frühen Fußballzeit wichtig: der schon genannte Verein BFC Viktoria, der 1908 und 1911 die deutsche Meisterschaft gewinnt. Die zwei Meistersterne zieren noch immer das Wappen des Vereins. Dieser ist inzwischen nach einer Fusion allerdings in Lichterfelde beheimatet.

Der TuFC Union 1892 ist ein weiterer Club, aus ihm geht nach der Fusion mit dem Berliner FC Vorwärts 1890, der Verein Blau-Weiß 90 hervor. Der Verein schafft es 1986 für eine relativ ruhmlose Saison in die erste Bundesliga, um sofort wieder abzusteigen. Er wird nach einer Insolvenz 1992 aufgelöst. Ein inoffizieller Nachfolgeverein wird gegründet und trägt seit 2015 wieder den Namen Blau-Weiß 90. Und dann ist da noch der BFC Preussen 1894. Dessen erste Herrenmannschaft wurde bis vor Kurzem von Thomas Häßler betreut, Mitglied der Weltmeister-Elf von 1990.

Anfang des 20. Jahrhunderts ist vor allem Mariendorf ein Hotspot des Ballsports. Auf nur einem Quadratkilometer bauen vier Vereine ihre Sportanlagen. Ganz besonders wichtig werden auch die großen Freiflächen des Tempelhofer Felds. Am nordwestlichen Rand baut der BFC Preussen 1923 ein großes Stadion, in dem 40.000 Zuschauer Platz finden. 1936 wird es abgerissen und muss dem Bau des Flughafens weichen.

Kurator Philipp Holt, selber Fußballfan, erhielt viele Dokumente und vor allem auch Fotografien aus den frühen Jahren von den Vereinen selber. Er fand auch Skizzen eines Fans, der die Szene eines Spiels zwischen Germania und Viktoria am 1. September 1912 festhielt. Man sieht, wie ein Verteidiger mit dem Kopf einen Ball abwehrt. Unter die Skizze schreibt der Zeichner, der mit E. Göhlke signierte und über den sonst nichts weiter bekannt ist: „An Zopfs Kopf ist so mancher schöner Schuss abgeprallt.“ Das Spiel verlor Germania mit 0:12.

Und auch einen alten Fußballstummfilm, der im Tempelhofer Stadion gedreht wurde, trieb Museumsmann Holt auf. Ein Teil der Ausstellung widmet sich der Verbindung von Politik und Fußball. Dabei geht es unter anderem um die Gründung der Arbeitersportvereine, die sich von den bürgerlichen Vereinen absetzen wollten. Und auch das Kapitel Fußball im Nationalsozialismus wird thematisiert.

Bei dem Elf-Freunde-Zitat, das als Ausstellungstitel gewählt wurde, denken viele, dass es von dem legendären Fußballtrainer Sepp Herberger stammt. Ein Irrtum. Der Satz findet sich schon in einem Buch des Trainers des TuFC Union 92, Richard Girulatis. Er schrieb 1919: „Fußball: Theorie, Technik, Taktik.“ Darin heißt es: „Elf Freunde müßt Ihr sein, um Siege zu erringen.“

Girulatis hat für die Vereine direkt eine Empfehlung parat: „Dieser Spruch sollte in jedem Vereinszimmer an deutlich sichtbarer Stelle prangen.“ Aber war er der erste mit diesem Spruch oder zitierte auch er nur? Für letzteres könnte sprechen, dass er den Satz in Anführungszeichen schrieb. Philipp Köster, der Chefredakteur von „Elf Freunde“, dem Magazin für Fankultur, führt den Spruch jedenfalls auf eine Inschrift auf der alten Meis­ter­schaft­s­tro­phäe zurück.

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