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Auch die Unis spüren den demografischen Wandel. In Forschung, Technik und Verwaltung wird das Personal knapper.

© Felix Noak

Chancen nutzen: Warum soziale Arbeitsbedingungen ein Wettbewerbsvorteil sind

Im Ringen um einen Kompromiss zwischen Dynamik in der Wissenschaft und sozialer Sicherheit sind die Fronten verhärtet. Wie könnte eine Lösung aussehen?

Derzeit wird im Zuge der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) viel über die Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft diskutiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) spricht von einem schwierigen Interessensausgleich.

Und tatsächlich scheinen die Fronten sehr verhärtet. Während die einen mangelhafte soziale Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft kritisieren, fürchten die anderen, dass durch mehr Dauerstellen die Universitäten ihrem Auftrag, stetig neue Wissenschaftler:innen auszubilden, nicht mehr nachkommen können, weil die Beschäftigungsstellen im System fehlen. Befristungen begünstigen die Dynamik, Dauerstellen begünstigen die soziale Sicherheit. Wie soll hier ein Kompromiss gefunden werden?

Während sich noch die Vertreter:innen von #IchBinHanna und der Hochschulrektorenkonferenz streiten, steht ein entscheidender Akteur kaum beachtet still im Hintergrund – der demografische Wandel. Schon jetzt klagen die Universitäten über sinkende Studierendenzahlen. Der Fachkräftemangel ist bereits an vielen Stellen spürbar, sei es in der Forschung, in der Industrie oder in der Verwaltung.

Es gibt immer weniger gut ausgebildete Arbeitnehmer:innen und immer größere Lücken beim gesuchten Fachpersonal. Angesichts dieser Tatsache scheint die Debatte um bessere soziale Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft fast aus der Zeit gefallen. Jedes Unternehmen ist rein wirtschaftlich daran interessiert, gute Fachkräfte zu werben und zu halten. Längst haben viele Firmen und Industrieunternehmen das erkannt und bieten ihren Mitarbeitenden neben unbefristeten und gut bezahlten Jobs allerlei Unterstützung, Freiheiten und Zusatzangebote.

Die Universitäten hingegen bieten Teilzeitstellen bei voller Arbeitszeit, mäßige Bezahlung und kurze Vertragslaufzeiten mit ungewisser Verlängerungsoption. Dabei stehen die Universitäten im stetigen Wettkampf um Spitzenforscher:innen und neue Innovationen.

Am Ende ist es fast egal, ob dieser Zustand aus einem sozialen Verständnis heraus kritisiert wird oder ob es ein rein wirtschaftlicher Erhaltungsgedanke ist. Der demografische Wandel macht aus dem Arbeitsmarkt einen Arbeitnehmer:innenmarkt. Es ist zu kurzfristig gedacht, wenn argumentiert wird, dass mehr Dauerstellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs an Universitäten zu viel kosten. Unbesetzte Wissenschaftler:innen-Stellen kosten die Universitäten, die Gesellschaft und die Wirtschaft viel mehr.

Die Universitäten bilden die Fachkräfte von morgen aus – egal ob diese als Wissenschaftler:innen eine akademische Laufbahn einschlagen, in die Industrie gehen oder sich selbstständig machen. Am Ende werden diejenigen Universitäten, die sich für ihre Mitarbeitenden einsetzen, einen Wettbewerbsvorteil haben – und zwar sowohl im Wettbewerb um die besten Forschungsergebnisse als auch im Wettbewerb um das Budget.

Aber nicht nur im wissenschaftlichen Arbeitsbereich sollten wir uns auf die Gewinnung und die Bindung von Fachkräften konzentrieren. Auch Mitarbeitende in Technik, Service und Verwaltung an Universitäten haben oft vergleichsweise schlechte Arbeitsbedingungen, zum Beispiel weil die Prozesse zur Eingruppierung in eine Entgeltstufe relativ willkürlich und intransparent sind. Hier gelten dieselben Argumente. Kein Unternehmen, keine Firma, keine Universität ist arbeitsfähig, wenn die Verwaltung nicht funktioniert, weil das Personal fehlt. Dies ist schon jetzt an vielen Universitäten ein ernstes Problem.

Wir haben gemeinsam die Chance, deutschen Universitäten zu einem Wettbewerbsvorteil zu verhelfen – indem wir sie als Arbeitgeber:innen national und international attraktiv machen. Diese Chance sollten wir nicht nur nutzen – wir dürfen sie nicht verpassen.

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