zum Hauptinhalt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht bei dem Festakt anlässlich des 70. Jahrestages der Gründung des Vereins Atlantik-Brücke in der Orangerie von dem Schloss Charlottenburg.

© dpa / Carsten Koall

Wovon redet Bundespräsident Steinmeier?: Der Demokratiedauerprediger aus dem Schloss Bellevue

Steinmeier bleibt als Staatsoberhaupt nur die Macht des Wortes. Leider hat er sich für eine Pastoral-Sprache entschieden, die gerade in der Krise fehl am Platz wirkt.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Der Bundespräsident sollte ein Mann der Worte sein, denn es bleibt ihm nicht viel mehr, um Einfluss zu nehmen. Umso betrüblicher, dass die zweite Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier von einer Konstante begleitet wird: Je schwieriger die Lage ist, desto unverständlicher und belehrender spricht der Bundespräsident. Wen will er eigentlich erreichen?

Am späten Sonntag konnte man in der „ARD“ erleben, wie Steinmeier seine ja nicht verkehrte Idee einer sozialen Pflichtzeit verteidigte: „Jeder sollte einmal im Leben etwas tun für andere Menschen, die ihm fremd sind“, sagte er dort. Und ergänzte für alle, die das noch nicht verstanden haben: „Die Demokratie ist eine anspruchsvolle Staatsform. Wir sind auch noch dafür zuständig, dass wir die Regale wieder auffüllen.“

Gehen Produkte aus? Fehlt Mehl? Der Staatsbürger als Regal-Auffüller im Warenhaus namens Demokratie? Es lässt sich erahnen, was Steinmeier mit der Nebenjob-Metapher sagen wollte. Aber reichen hier Ahnungen?

Steinmeiers Sätze wirken sprachlich barock und inhaltlich betulich: Engagiere dich, sonst wird das alles nichts. Statt mit klaren Sätzen Mut und Zuversicht in düsteren Zeiten zu verbreiten, statt für die Vorteile der Demokratie zu werben, predigt Steinmeier die hohe Schule des Demokratseins.

Schon kürzlich bei einer groß angekündigten Rede zur Lage der Nation geriet der Bundespräsident in gleiches Fahrwasser: „Ich bin jedem dankbar, der an mehr denkt als nur sich selbst“, sagte er da. Viel mehr als diese Ansage blieb nicht hängen. Und kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine sagte Steinmeier bei seiner Wiederwahl Ähnliches: „Jede und jeder, der anpackt, bringt die Kraft der Demokratie zum Leuchten.“ Man stellt sich Steinmeier dazu gut auf einer Kanzel vor, hoch oben über den Köpfen der Menschen.

In seiner zweiten Amtszeit scheint Steinmeier sich noch stärker als bisher in ein Kostüm pastoraler Sätze zu kleiden. Davor, als aktiver SPD-Politiker, war Steinmeier als Bürokrat wahlweise verschrien oder geschätzt, als Bundespräsident erhebt der Protestant sein Bild von Demokratie nun zum katholisch anmutenden Glaubenssatz.

In seiner ersten Amtszeit hatte er noch solche Sätze gesagt: „Man kann dieses Land nur mit gebrochenem Herzen lieben“. Das war sein Text zum Tag der Befreiung am 8. Mai 2020. Ein Satz von bedrückender Klarheit. Wo ist dieser Mann jetzt? Deutschland könnte ein bisschen Orientierung brauchen. Oder ein gemeinsames Ziel. Stattdessen wird aus Bellevue die Demokratie gepredigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false