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Der Satiriker und sein Wirtschaftsolm: Jan Böhmermann und Friedrich Merz

© Montage: Tagesspiegel | imago images (2)

Böhmermann, Merz und die Nazi-Vergleiche: Substanz gesucht, sonst nix

Jan Böhmermann vergleicht die CDU mit den Nazis, was die CDU-Vizevorsitzende Prien empört. Doch noch gefährlicher ist das Schielen von Friedrich Merz nach rechts. Eine Sommerdebatte.

Es ist Sommer, und in dieser Jahreszeit gehen die Erregungskurven immer ein bisschen steiler nach oben als ohnehin in dauererregten Zeiten. Also hat der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann gerade gewohnt zielsicher auf Twitter die Debatte um Friedrich Merz und seine Äußerungen zu einer möglichen Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD auf kommunaler Ebene bereichert: „Keine Sorge, die Nazis mit Substanz wollen nach aktuellem Stand voraussichtlich nur auf kommunaler Ebene mit Nazis zusammenarbeiten.“

Das rief sofort die stellvertretende Vorsitzende der CDU Karin Prien auf den Plan, die ebenfalls auf Twitter ihrem Chef zur Seite sprang und Böhmermann erwartungsgemäß kritisierte. Der Tweet sei „widerlich und unentschuldbar“, schrieb Prien: „Schlimmer noch ist die Verharmlosung der Nazis und die schleichende ,Nazifizierung’ von allem, was politisch passt. Das spaltet die Gesellschaft und betreibt das Geschäft der Nazis“.

Böhmermann bezeichnete Merz schon als „menschenentkoppelten Wirtschaftsolm“

Nun müsste man Karin Prien entgegenhalten, dass gerade auch in ihrem Berufsfeld die Nazi-Vergleiche eine gewisse Tradition haben, zumindest die wie auch immer oder auch „gar nicht so“ gemeinten Verweise auf die NS-Vergangenheit.

CDU mit Substanz, und sonst nix. 

Karin Prien, stellvertretende CDU-Vorsitzende auf Twitter

Zum Beispiel von Helmut Kohl, der 1986 den sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow in einen Zusammenhang mit Joseph Goebbels brachte („versteht sich auf Public Relations“); und der 2002 den damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse in kleiner Runde als „schlimmsten Präsidenten seit Hermann Göring“ bezeichnete.

Oder von Herta Däubler-Gmelin, die ebenfalls 2002 die Methoden des US-Präsidenten George W. Bush mit denen Adolf Hitlers vergleich, nämlich nach außen Krieg führen, in Bushs Fall im Irak, um von innenpolitischen Problem abzulenken.

Auch Olaf Scholz vergriff sich im Wortlaut, als er vergangenes Jahr bei einem Auftritt in Stuttgart auf dem Katholikentag von Klimaktivisten gestört wurde und das so kommentierte: „Ich sage mal ganz ehrlich, diese schwarz gekleideten Inszenierungen bei verschiedenen Veranstaltungen von immer den gleichen Leuten erinnern mich an eine Zeit, die lange zurückliegt, und Gott sei Dank.“ Was wiederum die Klimaaktivistin Luisa Neubauer zu skandalisieren versuchte: „Scholz stilisiert Klimaschutz als Ideologie mit Parallele zur NS-Herrschaft.“

Böhmermann, der Merz während der Corona-Pandemie schon als „menschenentkoppelten Wirtschaftsolm“ bezeichnet hatte (menschenentkoppelt?), hat sich also auch einer der rhetorischen Waffen der Politik bedient, könnte man sagen. Wobei kaum etwas billiger ist, als die Nazi-Keule zu schwingen und von „schleichender Nazifizierung“ (Prien) keine Rede sein kann: „Nazi“ als Schimpfwort zu gebrauchen ist gang und gäbe.

Das mag man als „Verharmlosung“ der Nazis begreifen, ist aber eigentlich durch den inflationären Gebrauch die Entleerung eines Begriffs. Viel bedenklicher und gefährlicher ist die Verharmlosung von Neonazis, Rechten, Rechtsextremen und der AfD. Womit man wiederum bei Friedrich Merz wäre, seinen eigenen Geschäften mit der AfD, seinen bröckelnden Brandmauern und der Frage, ob nicht auch einfache Mauern gereicht hätten.

Aber eben auch bei dem Spruch von Merz, auf den sich Böhmermann wenig subtil bezog. Denn vergangene Woche während der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe auf Kloster Andechs meinte Merz in Abgrenzung zur AfD sagen zu müssen, dass die CDU „eine Alternative für Deutschland mit Substanz“ sei. Das fand auch Merz’ Vize Karin Prien arg neben der rechten Spur und twitterte: „CDU mit Substanz, und sonst nix.“

Ja, der Sommer, der geht noch ein paar Wochen. Und wenn danach mit den Temperaturen die Erregungskurve wieder etwas sinkt, dürfte die Substanz von Tweets und Debatten wieder zunehmen.

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