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Kunstraum für alle - aber nicht mehr lange. Im Künstlerhaus Tacheles gab es am Dienstag eine erste Zwangsräumung.

© dpa

Zwangsräumung am Tacheles: Die Kunst muss weg

Gerichtsvollzieher zu Besuch beim Tacheles: Das Atelier des Künstlers Angelo Loconte samt seiner Metallskulpturen wurde am Dienstagmorgen zwangsgeräumt. Der Rechtsanwalt des Zwangsvollstreckers prophezeit, dass bald komplett geräumt wird.

Vor sechs Wochen verkaufte er noch Utopien, quadratmillimetergroße Grundstücke auf einer mobilen Grasnarbe namens „Kappaland“. Beim Tacheles-Volksfest am 13. April plauderte der Künstler Angelo Loconte mit Besuchern aus aller Welt und lud sie ein, in sein Gästebuch zu schreiben. Nun ist das Atelier des Metallkünstlers auf dem Hof des ehemaligen Kunsthauses Tacheles geräumt worden. Am Dienstagmorgen um sieben Uhr früh rückten die Bagger laut Metallwerkstatt-Leiter Hüseyin Arda in der Oranienburger Straße an und rissen den Holzverschlag in der hinteren Ecke des Platzes ab. Auch einige Skulpturen nahmen die Vollstrecker mit, darunter auch Objekte von anderen Künstlern, die ihre Werkstätten und Ausstellungsflächen ebenfalls im Hinterhof betreiben.

Die Räumung sei unangekündigt gewesen, sagt Tacheles-Leiter Hüseyin Arda. Bereits im Februar hatte Loconte den Prozess gegen den Zwangsverwalter des Geländes vor dem Landgericht verloren. Bis zum 15. April hätte er Zeit gehabt, seinen Verschlag zu räumen und mit seinen Skulpturen den Hof zu verlassen. Der Gerichtsvollzieher setzte nun den Räumungstitel des Zwangsverwalters durch, der das Gelände des Skulpturengartens für sich beansprucht. Auch der Verein „Art Pro Tacheles“, in dem die Künstler der Metallwerkstatt organisiert sind, verlor im April den Prozess gegen den Zwangsverwalter. „Wir wollen aber Einspruch beim Kammergericht einreichen“, sagt Arda. Er sieht gute Chancen für einen Berufungsprozess. „Deswegen werden wir versuchen, die Rechte der Künstler durchzusetzen.“

Seit der Räumung des Haupthauses und der Versiegelung des Durchgangs an der Oranienburger Straße versuchen die Künstler der Metallwerkstatt, Alternativen für ihre Arbeit zu finden. Besucher können weiterhin über einen Trampelpfad einen Bogen zum Skulpturengarten schlagen und die Künstler besuchen. Eine zweite Zweigstelle in einem Hostel an der Warschauer Straße beherbergt Gastkünstler. Eigentlich wollte der Verein ein zusätzliches Gelände am Nordbahnhof mieten, der Deal scheiterte aber in letzter Sekunde, weil das Gelände kurzfristig den Besitzer wechselte.

Für den Anwalt des Zwangsverwalters, Michael Schultz, ist die Rechtslage eindeutig: „Es gibt ein Urteil dazu, also wird sicherlich auch bald der Rest des Geländes geräumt.“ Er weist darauf hin, dass es weder Mietzahlungen noch einen Mietvertrag für das Gelände gibt. „Wir sind nicht in einem rechtsfreien Raum“, sagt der Anwalt. Er vertritt den gerichtlich eingesetzten Anwalt, der die Zwangsverwaltung des Geländes im Auftrag der HSH Nordbank übernommen hat und damit auch unrechtmäßige Bewohner entfernen muss. Laut Gerichtsbeschluss darf die Bank das Tacheles-Gelände auch zwangsversteigern – was nach Einschätzung von Schultz bald passieren wird.

Hüseyin Arda und die Metallkünstler geben trotzdem nicht auf. Obwohl Investoren schon mit den Künstlern in direkten Kontakt getreten seien, würden sie lieber ihr eigenes Konzept verfolgen, sagt Arda. „Vergangenen Mittwoch kam ein Investor zu uns und erzählte uns, was er im Tacheles vorhat“, sagt Arda. "Da sollen dann schicke Galerien rein." Davon will das Künstlerkollektiv nichts wissen. Sie liebäugeln sogar damit, das Tacheles zu kaufen und ihre eigenen Konzepte dort umzusetzen. Was seinen Kollegen Angelo Loconte angeht, ist Hüseyin Arda zuversichtlich: Er könne auch weiterhin einen Platz im Hof bekommen. "Er wird weiter mit uns Kunst machen."

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