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Markus Dröge (63) ist studierter Theologe und seit 2009 Bischof.

© Mike Wolff

Zusätzlicher Feiertag in Berlin: Reformationstag für alle?

Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, erklärt im Interview, warum der Reformationstag ein guter Feiertag für alle wäre.

Von Fatina Keilani

Herr Dröge, nachdem die nördlichen Bundesländer sich für den Reformationstag als zusätzlichen Feiertag entschieden haben, wird auch für Berlin die Schaffung eines weiteren Feiertags diskutiert. Sie als evangelischer Bischof sind natürlich für den Reformationstag, stimmt’s?

Ja, aber ich möchte klarstellen, dass wir als Kirche dafür nicht aktiv geworben haben. Der Impuls kam von anderer Seite. In Norddeutschland kam der Vorschlag von den Parteien. Wir freuen uns darüber. Das zeigt uns, wie überzeugend die Botschaft der Reformation ist, und dass es gelungen ist, diese Botschaft im Jahr 2017 zu vermitteln.

Unter anderem kam der Impuls von der AfD.

Richtig, und erst dann habe ich mich geäußert, und zwar kritisch, denn es ist denkbar, dass die anderen Parteien den Vorschlag schon deshalb nicht ernst nehmen, weil er von der AfD kommt. Dazu kommt, dass ich den Antrag der AfD auch nicht für glaubwürdig halte, da sie die evangelische Kirche im Jubiläumsjahr massiv kritisiert und zum Kirchenaustritt aufgerufen hat. Die AfD hat die Kernbotschaft der Reformation selbst nicht verinnerlicht.

Welches ist die Kernbotschaft?

Freiheit – und Verantwortung für das Allgemeinwohl. Das Christentumsverständnis der AfD zielt eher darauf, die Werte des sogenannten christlichen Abendlandes zu verteidigen im Sinne einer Abschottung gegenüber Fremden, und das widerspricht der reformatorischen wie auch der grundlegenden christlichen Botschaft der Nächstenliebe und der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ganz klar.

Immerhin setzen Sie sich auch inhaltlich mit der AfD auseinander. Bei vielen anderen scheint zu gelten, dass es gar nicht erst diskutiert wird, nur weil es von der AfD kommt. Das ist zutiefst unfreiheitlich.

Genau, und deswegen ist mein Wunsch, dass Grüne und SPD jetzt von sich aus einen konstruktiven Vorstoß unternehmen, den Reformationstag zu einem Feiertag zu machen, denn es gibt gute Gründe dafür.

Nennen Sie diese Gründe ruhig noch mal. Aus Sicht vieler Brandenburger ist der Reformationstag der Tag, an dem man nach Berlin zum Shoppen fährt, und die Kinder denken an Süßigkeiten und Halloween.

Die guten Gründe sehe ich zum einen in der Erfahrung, die wir im vergangenen Jahr machen konnten. Das Reformationsjubiläumsjahr hat vielen sehr bewusst gemacht, dass die Reformation ein historisches und traditionsbildendes Ereignis war. Wir haben weit über die Grenzen der Kirche hinaus dafür eine große Resonanz erlebt.

Feiertage müssen dazu dienen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch inhaltliche Prägung zu stärken. Was ich deshalb gar nicht nachvollziehen kann, ist der Vorschlag, einen flexibel einlösbaren Feiertag zu schaffen. Das wäre einfach ein zusätzlicher Urlaubstag.

Nun könnte man einwenden, dass es in Berlin nur noch 16 Prozent evangelische Christen gibt. Vielleicht wäre im säkularen Staat ein Feiertag angemessener, mit dem sich mehr Menschen identifizieren?

Es geht ja um die Idee, nicht nur um ihre religiöse Begründung. Die Idee der Freiheit, einer Gewissensfreiheit, die Verantwortung für das Gemeinwohl – diese Botschaft ist das, was wir heute brauchen. Im Lutherjahr haben mir auch viele Atheisten gesagt, dass sie sich darin wiederfinden. Übrigens haben sich auch Muslime meines Wissens nicht gegen den Vorschlag ausgesprochen.

Der Reformationstag enthält eine motivierende Botschaft: Der säkulare Staat braucht Menschen mit einer inneren Freiheit, anders kann eine freiheitliche Gesellschaft nicht existieren. Die Reformation hat unsere Gesellschaft über 500 Jahre stark geprägt. Feiertage mit mahnenden Botschaften haben wir außerdem schon viele.

Ist dem so? Mit Ausnahme des 1. Mai und des 3. Oktober sind fast alle Feiertage christliche Freudenfeste: Ostern, Pfingsten, Himmelfahrt, Weihnachten. Was spricht gegen den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus?

Das Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus hat für unsere freiheitliche Gesellschaft zentrale Bedeutung und darf keinesfalls geschmälert werden. Dieses Gedenken kann, muss aber nicht zwingend am Tag des Kriegsendes mit einem gesetzlichen Feiertag geschehen.

Ich halte es für wichtig, den Volkstrauertag neu als Gedenktag zu stärken, an dem nicht nur der Gefallenen, sondern auch der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird. Im November 2017 habe ich in der Feierstunde des Bundestags erlebt, wie die AfD-Abgeordneten versucht haben, das Gedenken einseitig als Würdigung der Leistungen der deutschen Soldaten in zwei Weltkriegen zu verstehen.

Deshalb ist es wichtig, das Gedenken an die Opfer der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten am Volkstrauertag wieder zu stärken. Dann kann dies ein Tag werden, der die Befreiung vom Nationalsozialismus als wesentliche Grundlage unserer Gesellschaft bewusst macht.

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