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Der Landesrechnungshof prüft unter anderem, wie Politik und Verwaltung die geliehenen Milliarden einsetzen.

© imago/Westend61

Update

Berliner Rechnungshof ermahnt Rot-Grün-Rot: Zu hohe Notfallkredite, zu späte Rückzahlungen und Schattenhaushalte

Die Pro-Kopf-Verschuldung in Berlin steigt weiter an. Der Rechnungshof drängt die Koalition zu Kreditrückzahlungen und warnt vor Tricksereien.

Der Berliner Rechnungshof hat die rot-grün-rote Koalition vor ihrem Regierungsstart zu mehr Transparenz bei den Finanzen und einem härteren Sparkurs aufgefordert. Zugleich warnte Rechnungshofpräsidentin Karin Klingen am Montag bei der Vorstellung des Jahresberichts 2021 die Koalition davor, die Corona-Notlage zur Umgehung der Schuldenbremse weiter zu überdehnen.

Infolge der Coronakrise haben die Schulden im Berliner Landeshaushalt Ende 2020 ein laut Klingen "historisches Rekordniveau" von 63,7 Milliarden Euro erreicht. Der Grund sind neu aufgenommene, pandemiebedingte Kredite in Höhe von 7,3 Milliarden Euro, das Abgeordnetenhaus hatte dafür 2020 den Weg frei gemacht, indem es eine außergewöhnliche Notfallsituation festgestellt hat.

Doch so hohe Kredite waren nach Ansicht des Rechnungshofes für die Bewältigung der Pandemie im Jahr 2020 gar nicht nötig, nach Ansicht der Prüfer hätte eine halbe Milliarde Euro an Not-Krediten gereicht. Darüber hinaus kritisiert der Rechnungshof, dass das Land von den Notlage-Krediten 5,4 Milliarden Euro in eine Pandemie-Rücklage für die Folgejahre geparkt hat, um das Geld für andere Zwecke auszugeben.

„Die Notlagekredite dürfen nicht zur Finanzierung von zusätzlichen Maßnahmen dienen, die schon immer gewünscht waren, sondern müssen zur Bekämpfung der Notlage verwendet werden“, sagte Rechnungshofpräsidentin Klingen.

Mehr als 4 Milliarden Euro aus den Notfallkrediten seien noch nicht ausgegeben, ein kleiner Teil zur Finanzierung etwa von Hochschulbauten ausgegeben worden, obwohl die nichts mit der Coronanotlage zu tun hätten. Das „pauschale Ansparen“ dieser Notlagekredite „verstößt gegen das Haushaltsrecht“, sagte Klingen.

In der Schuldenbremse seien Notlagen vorgesehen, in denen Kredite und höhere Schulden aufgenommen werden könnten. Doch diese Kredite dürften nur für die Bekämpfung der Notlage selbst genutzt und nicht für andere politische Ziele verwendet werden.

Sparkurs gefordert: Ausgeglichener Haushalt bis 2026 „zu wenig ambitioniert“

Auch mit Blick auf die künftige rot-grün-rote Koalition der alten und neuen Bündnispartner SPD, Grüne und Linke mahnt der Rechnungshof zu einem klareren Sparkurs. Das Ziel der Koalition, einen ausgeglichenen Haushalt bis Ende der Legislatur 2026 vorzulegen, sei „zu wenig ambitioniert“.

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Dazu zählen auch die Überlegungen des künftigen Regierungsbündnisses im Koalitionsvertrag, erst zum Ende der Legislatur mit der Tilgung der Notfallkredite zu beginnen. Auch die Überlegung, die Kredite nur zurückzuzahlen, wenn diese nicht ausgeschöpft werden, wird von den Prüfern kritisiert.

Bislang sähen die Pläne vor, den Haushalt 2022/23 durch den Einsatz aller Rücklagen auszugleichen. Für die beiden Folgejahre gebe es Finanzierungslücken von je 2,7 Milliarden Euro. Für eine „nachhaltige und generationengerechte Finanzpolitik“ müsse Berlin zu ausgeglichenen Haushalten und einem an der Konjunktur orientierten Schuldenabbau zurückkehren.

Umgang mit Investitionen und Landesfirmen kritisiert

Auch der Umgang der Koalition mit den Finanzen bei den landeseigenen Unternehmen wird vom Rechnungshof heftig in Zweifel gezogen. Anlass ist die Ankündigung, die Verluste der Landesfirmen im Haushalt 2022/23 durch erneute Notfallkredite abzufedern, obwohl in der Pandemierücklage noch Milliarden liegen.

Rechnungshofpräsidentin Karin Klingen.

© dpa

Ähnlich liegt es auch bei den Investitionen. Die sollen zwar verstärkt werden, das wird auch vom Rechnungshof gelobt. Doch das Land will auch hier die Landesfirmen bemühen. „Wir sehen Pläne, die Investitionstätigkeit in Bereiche außerhalb des Kernhaushaltes zu verlagern, als problematisch an“, sagte Klingen.

Zugleich warnte Klingen vor den Folgen dieser Schattenhaushalt-Praxis, um Investitionen abzudecken. „Wenn etwa Landesunternehmen oder Sondervermögen dafür Kredite aufnehmen, erhöht dies nicht nur deren Schuldenstand, sondern auch das finanzielle Risiko des Landes“, sagte Klingen.

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Zu den Rekordschulden des Landes in Höhe von 63,7 Milliarden Euro kommen noch die Schulden der Unternehmen, Fonds und Einrichtungen des Landes. Die sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen und beliefen sich im Jahr 2020 auf 21,5 Milliarden Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung je Einwohner ist ebenfalls gestiegen: Von rund 20.100 Euro im Jahr 2019 auf 22.150 Euro im vergangenen Jahr – 10.000 Euro pro Kopf mehr als im Durchschnitt der übrigen Bundesländer.

Eine Umgehung der Schuldenbremse, indem Kreditaufnahmen in Fonds, Nebenhaushalte und andere Konstrukte ausgelagert werden, sollte vermieden werden. Daher werde der Rechnungshof derartige Auslagerungen von Krediten und Investitionen in Landesunternehmen künftig stärker prüfen.

Die rot-grün-rote Koalition müsse wegen der besonderen Herausforderungen nun die Finanzierung ihrer Pläne konkret benennen, denn die Bündnispartner „stellen auch die Weichen für den zukünftigen Umgang mit der hohen Verschuldung“, sagte Klingen. „Das wird Auswirkungen für mehrere Generationen haben.“

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