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Berlin: Zeig mir, wo die Blumen sind

Zwischen Lietzenseepark und Jungfernheide: Der Gartenarchitekt Erwin Barth prägte das grüne Berlin

Berlin ist nicht, wie oft behauptet wird, eine steinerne, sondern eine ausgesprochen grüne Großstadt. Dass neben dicht bebauten Flächen auch ausgedehnte Volksparks und gärtnerisch gestaltete Ruhe- und Schmuckplätze das Stadtbild prägen, ist neben Peter Joseph Lenné und Gustav Meyer, den herausragenden Gartenkünstlern des 19. Jahrhunderts, dem heute nur noch Spezialisten bekannten Erwin Barth zu verdanken.

Als Stadtgartendirektor von Charlottenburg verantwortete er zwischen 1912 und 1926 Stadtplätze wie den Savignyplatz oder den Brixplatz, wo erstmals ökologische Erkenntnisse umgesetzt wurden. Zu den kommunalen Großvorhaben gehörten neben dem Lietzenseepark vor allem der Volkspark Jungfernheide, ein Musterbeispiel sozialer Gartenkunst der Weimarer Republik. In seinen dreieinhalb Jahren als Gartendirektor von Groß-Berlin entstanden – trotz Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit – der Volkspark Rehberge und die Themengärten im zugeschütteten Luisenstädtischen Kanal.

Ab Herbst 1929 baute der 1880 geborene Lübecker, der an der Königlichen Gärtner-Lehranstalt in Potsdam-Wildpark gelernt hatte, als erster deutscher Hochschulprofessor für Gartenkunst in Dahlem die akademische Ausbildung von Gartenarchitekten auf. Trotz aller Rückschläge eine beispiellose Karriere, die noch lange nicht beendet zu sein schien.

Doch Erwin Barth erschoss sich am 8. Juli 1933 in seiner Charlottenburger Wohnung. Über die Motive des Zweiundfünfzigjährigen rätselten Frau und Kinder, Freunde und Kollegen. Eindeutig geklärt sind sie bis heute nicht. Er hinterließ keinen Abschiedsbrief.

Eine schlüssige Antwort haben auch Jürgen Wenzel, der an der TU Freiraumplanung lehrt, und Dietmar Land, der dort über Erwin Barth promoviert hat, nicht zu bieten. Doch mit ihrer materialreichen Monografie nähern sie sich dem Gartengestalter so anschaulich, wie es die wenigen Selbstzeugnisse zulassen. Barth gehörte zu den Wortkargen, nur in seinen Gärten wurde er gesprächiger.

In einem erhellenden Einleitungskapitel parallelisieren Wenzel und Land ihren Helden mit dem nur fünf Jahre älteren Thomas Mann. Beide wuchsen im konservativen Lübeck auf, beide besuchten dieselbe höhere Schule. Doch anders als bei dem Senatorensohn Mann, so die Autoren, „erzwang im Falle Barths letztlich die Überlebensnotwendigkeit, dass er seine, ebenfalls vorhandenen, weltfremden Neigungen und Dispositionen nicht offen zeigen und leben konnte, sondern sie stattdessen in einem Panzer aus Selbstbeherrschung, Pflichtbewusstsein und Härte zu verbergen suchte“.

Der Kleinbürger ging den soliden Weg – obgleich Gartenarchitekt damals noch keineswegs zu den sonderlich respektablen Berufen gehörte. Barth plante eine Karriere als kommunaler Gartenamtsleiter in einer „mittleren Stadt“. Doch schon in seiner Vaterstadt Lübeck, wo er zwischen 1908 und Ende 1911 als oberster „Stadtgärtner“ wirkte, scheiterte er am Krämergeist der Vorgesetzten. Seine gemäßigt modernen Gärten haben sich hingegen als robust erwiesen. In Berlin werden sie seit Jahren als Gartendenkmale vorbildlich betreut. Das Charlottenburger Bezirksamt, wo ein Teil des Nachlasses verwahrt wird, hat Erwin Barth in diesem Sommer mit einer – leider schon beendeten – kleinen Ausstellung und der Förderung dieses gewichtigen Buches gewürdigt.

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