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Regine Günther, Berliner Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz

© Thilo Rückeis

Berliner Verkehrssenatorin Günther: "Wir zetteln keinen Kulturkampf gegen das Auto an"

Tempo 30 auf Hauptstraßen, E-Busse bei der BVG und Radwege: Verkehrssenatorin Regine Günther erklärt ihren Plan für den Berliner Verkehr.

Wohin steuert der Verkehr? Hat der Senat einen Plan für die Stadt? Und wenn ja: welchen? Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) sagt:  „Es wird kein Kulturkampf gegen das Auto angezettelt. Wir stellen neue Weichen für eine urbane Mobilität. Das kann nur gelingen, wenn wir die Stadtgesellschaft mitnehmen.“

Wie emotional die Aufgabenfelder derzeit besetzt sind, ließ sich am Montagabend in der Urania beobachten. 300 Menschen folgten den Gedanken der Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, teils auch mit lauten Zwischenrufen. Rasch fiel Günthers Wort auf mögliche Diesel-Fahrverbote. „Es wäre richtig, wenn die Bundesregierung die Autokonzerne zur Nachrüstung verpflichten würde“, sagte Günther unter starkem Beifall. „Wir bestrafen mit Fahrverboten die Betrogenen. Das halte ich für sehr schwierig“.

Auf fünf Hauptstraßen gilt bald Tempo 30

Ob Fahrverbote, das Mobilitätsgesetz, energetische Sanierungen: Die Senatorin sieht sich derzeit auch mit vielen Vorwürfen konfrontiert. Den Fragen, wie Berlin gesünder, klimafreundlicher und mobiler werden kann, wie mit öffentlichem Raum umgegangen werden soll, stellte sich Günther in einer Podiumsdiskussion des Tagesspiegels und der Architektenkammer. Mit ihr diskutierten die Vorstandsmitglieder der Architektenkammer, Hille Bekic und Daniel Sprenger.

60 Straßenkilometer seien über den Grenzwerten, doch weite Strecken davon nur knapp, wie Günther sagte. Hier könnten Software-Nachrüstungen, Nachrüstungen an Bussen und „Entschleunigungen“ bereits ausreichen. Günther spielt auf die fünf Hauptstraßen an, auf denen ab April Tempo 30 gelten soll. „Ein Modell, das wir bei Erfolg weiter ausrollen werden.“ Weitere 12 Straßen seien im Visier. „Wir haben auch Straßen, die so stark über den Grenzwerten liegen, dass die Maßnahmen wohl nicht ausreichen. Dort werden wir wahrscheinlich streckenbezogene Fahrverbote verhängen müssen.“ Man bereite diese vor, müsse aber die schriftlichen Ausführungen des Diesel-Urteils im April abwarten.

„Klimaneutral bis 2050“ lautet das Ziel des Berliner Senats. „Was ich vermisse, sind Anregungen eines ganzheitlichen Ansatzes für ein nachhaltiges Stadtgebiet. Wie erreichen wir das in einer sich verdichtenden Stadt?“, fragte Sprengel. Immerhin sei die Umweltverwaltung doch der größte Flächenbesitzer, so Sprengel. Bekic setzte nach: „So, wie die Stadt wächst, könnten wir nicht schnell genug sein. Auch was die energetischen Sanierungen betrifft, ist noch einiges zu tun.“ Angesichts des Zeitraumes von rund 30 Jahren müsse nun jedes Haus, das saniert werde, im gleichen Zug klimaneutral gestellt werden.

Bürger fordern mehr Transparenz von der Verkehrssenatorin

Doch kann der Senat seine Ziele erreichen und tragen nicht die Mieter die Kosten? „Wenn wir nichts tun, haben wir die Kosten doch auch, etwa durch Starkregenereignisse. Die Frage ist nur, ob wir es schnell gestalten oder alles auf uns zukommen lassen“, sagte Günther. Die Senatorin mahnt gerade im Gebäudesektor schnellere Fortschritte an. Im Energiesektor sei der Ausstieg aus der Braunkohle gelungen, auch über den Steinkohle-Ausstieg bis 2030 werde nun verhandelt. Zudem bestehe eine breites Repertoire an Maßnahmen im Verkehrssektor. 

An Heerstraße fallen über 60 Bäume für einen Radweg

Erst im Februar beschloss der Senat das bundesweit erste Mobilitätsgesetz. Rot-Rot-Grün will damit den Verkehr von Autos, Bussen, Bahnen und Fahrrädern regeln, mehr Sicherheit auf den Straßen gewährleisten. Die Opposition warnte, einzelne Verkehrsarten würden diskriminiert. „An erster Stelle steht der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs“, sagte Günther am Montag. Derzeit habe man zu wenig Wagen bei BVG und S-Bahn. „Wir haben eine Durststrecke und eine echte Herausforderung vor uns.“ Die Busflotte solle zunehmend auf E-Mobilität umgestellt werden. Doch leider müsse man in „homöopathischen Dosen“ anfangen. Den Ankauf chinesischer E-Modelle könne sie sich ebenfalls vorstellen. „Ich hielte es für grundverkehrt, auf gasbetriebene Busse umzustellen.“ Auch die Taktverdichtung in die Metropolregion sei wichtig, entspreche der Bewegung der wachsenden Stadt. Der Ausbau der Infrastruktur, etwa von Spandau nach Nauen, brauche sieben bis acht Jahre. „Der politische Wille ist groß. Es braucht aber Zeit.“

Doch wie klimafreundlich sind Verkehrs- und Umweltpolitik, wenn für Radwege und Dachgeschossausbau Bäume gefällt werden müssten? So etwa an der Heerstraße in Spandau, wo Dutzende Bäume für einen Radweg fielen. Bekic und Sprengel berichteten zudem von einem teureren Dachgeschossausbau, da der zweite Rettungsweg, ohne Bäume zu fällen, oft nicht zugänglich sei. Günther sagt: „Ob Radwege oder Dachgeschossausbau: Es werden vereinzelt auch mal Bäume gefällt.“

Als gegen Ende der Veranstaltung das Publikum zu Wort kam, erfährt Günther auch starke Kritik. Ein älterer Mann bezeichnet die geplanten Tempo-30-Zonen als „Alibi-Maßnahmen“. Andere fordern von der Senatorin mehr Transparenz rund um die Diesel-Politik, unterbrechen sie auch in ihren Antworten. Auch fehlende Elektrozapfsäulen werden beklagt. Günther betonte, man sei nicht so schlecht aufgestellt. Doch gelte auch hier: Es braucht eben mehr Zeit.

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