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Am Dienstag kam es in Berlin zu einem islamfeindlichen Übergriff auf eine kopftuchtragende Muslima.

© Wolfgang Kumm/dpa

Nach Übergriff auf Muslima: "Wir erleben die Hetze tagtäglich"

Nach dem Übergriff auf eine kopftuchtragende Muslima in Spandau am Dienstag reagieren Verbände besorgt. Die Antidiskriminierungsstelle sieht ein "Klima religiöser Intoleranz".

Nach dem vermutlich antimuslimisch motivierten Übergriff auf eine Frau in Spandau am Dienstag reagieren nun auch Politik und Verbände auf die Tat. "Wir erleben es tagtäglich auf unseren Seiten im Netz: Hass gegen Muslime und Hetze, fast wöchentlich Briefe mit Morddrohungen und Drohungen mit Vernichtung von Muslimen", so der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Aiman Mazyek. "Wir haben stets davor gewarnt, dass aus dem verbalen Hass physische Angriffe folgen werden. Die populistische Meinungsmache entfaltet ihre Wirkung."

Auch Bernhard Franke, amtierender Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, warnt vor einem „Klima religiöser Intoleranz“: „Das ist ein beschämender Vorfall. Wir dürfen religionsfeindliche Übergriffe nicht hinnehmen  – ganz gleich, ob sie sich gegen Juden oder wie in diesem Fall gegen eine Muslima richten“, sagte Franke dem Tagesspiegel. „Auch bei der Jobsuche, in Fitnessstudios oder in der Schule dürfen Menschen wegen religiöser Symbole nicht pauschal ausgegrenzt werden – leider beobachten wir das aber immer wieder.“

Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster: „Ich beobachte mit großer Sorge, dass sich in Deutschland ein Klima der Intoleranz ausbreitet. Wenn sich Bürger allein aufgrund ihrer Religion hier nicht mehr sicher fühlen können, müssen in Politik und Gesellschaft alle Alarmsignale angehen. Wir müssen auf allen Ebenen, in den sozialen Netzwerken, in den Schulen, in Vereinen und am Arbeitsplatz gegen die wachsende Intoleranz vorgehen.“

Spandaus Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD) sagte, es könne keine Toleranz dafür geben, dass "wieder eine Frau Opfer männlicher Gewalt" geworden sei. "Solche Übergriffe sind eine Schande für Spandau. Sie stellen eine Straftat dar und werden als solche auch verfolgt und geahndet." So sei jeder im Bezirk aufgefordert, "rassistische, rechte und diskriminierende Vorfälle", ob selber erlebt oder beobachtet, unter register.spandau@giz.berlin an die Registerstelle Spandau zu melden.

Die große Empörungswelle blieb aus

Am Dienstag wurde eine Frau in Spandau Opfer eines Übergriffs - mutmaßlich wegen ihres Kopftuchs. Ein Mann fragte die 36-Jährige nach Angaben der Polizei an einer Bushaltestelle auf der Falkenseer Chaussee nach ihrem Kopftuch. Sie antwortete, es gerne zu tragen und Muslima zu sein. Woraufhin der 67-Jährige ihr mit der Hand ins Gesicht schlug. Die große Empörungswelle blieb zunächst aus, erst auf Nachfrage des Tagesspiegels äußerten sich Politik und Verbandsvertreter zu dem Vorfall.

Immer wieder kommt es zu Übergriffen mit antireligiösem Hintergrund. Prominent wurde der jüngste antisemitische Vorfall im Prenzlauer Berg, wo ein Kippa tragender Israeli Mitte April von einem 19-jährigen Syrer am Helmholtzplatz als "Jude" beschimpft und mit einem Gürtel geschlagen wurde. Laut Bundesinnenministerium kam es im Jahr 2017 zu 1495 politisch motivierten Taten mit antisemitischem Hintergrund. 1069 Taten waren antimuslimisch, 127 christenfeindlich motiviert.

Erst im April hetzten zwei Männer in Lichtenberg einen Pitbull auf eine Deutschtürkin und ihren türkischen Begleiter, ebenfalls im April wurde in Osnabrück einer 11-Jährigen von einem Mann das Kopftuch heruntergerissen. Auch nach dem Brandanschlag auf eine Moschee in Reinickendorf – am gleichen Wochenende brannten deutschlandweit mindestens zwei weitere – blieben die Reaktionen vereinzelt.

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