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Miguel Góngora , 18, war bis Juli 2020 Berlins viel gefragter Landesschülersprecher.

© privat

Interview mit Berlins Landesschülersprecher: "Wir brauchen ein Kinder- und Jugendparlament“

Miguel Góngora hat Berlins Schülern eine starke Stimme gegeben. Jetzt will er aus den Schulgremien in die Politik wechseln

Ein – coronabedingt – extremes Schuljahr ist zu Ende. Hat Berlin das Beste draus gemacht?
Die Coronakrise hat gezeigt, wie weit hinten Berlin liegt in Fragen der Digitalisierung, der Personalausstattung, der Lehrerfortbildung zum Digitalen Lernen und bei der Hygiene an den Schulen. Das Land war daher gar nicht imstande, das Beste aus der Lage zu machen. Bis heute fehlt ein Konzept zur Lehrstoffvermittlung in Zeiten von Schulschließungen.

Der Landesschülerausschuss hat gegen die Abiturprüfungen gekämpft. Abgesehen von Mathematik lief es aber gut. War der Kampf also überflüssig?
Die Prüfungen durchzuziehen, fand ich als Landesschülersprecher nicht richtig, denn die Mehrheit der Betroffenen war dagegen. Ich weiß, dass viele Schülerinnen und Schüler wegen der Situation ernsthafte Probleme hatten, die von der Spitze der Bildungsverwaltung ignoriert wurden. Dennoch freue ich mich sehr, dass das Abitur so gut ausgefallen ist.

Berlin hätte die Prüfungen doch gar nicht ausfallen lassen können ohne eine entsprechende Einigung auf Bundesebene.
Aus meiner Sicht hätte unsere Senatorin mutiger sein müssen, sich in der Kultusministerkonferenz für eine bundesweite Regelung einzusetzen, um mehr Rücksicht auf Betroffene zu nehmen.

Es wird befürchtet, dass die anderen Jahrgänge mehr Probleme als die Abschlussjahrgänge bekommen werden – vor allem Schüler, denen die Eltern nicht helfen konnten. Was muss aus Ihrer Sicht geschehen?
Es müssen jetzt Formate geschaffen werden, durch die Schülerinnen und Schüler zusätzliche Unterstützung bekommen, wenn sie sie benötigen. Mein Konzept zur Wahrung und Stärkung der Bildungsgerechtigkeit beim Abitur 2021 beinhaltet eine Erhöhung der Auswahlmöglichkeiten bei den Klausuren, die Aufarbeitung des Lehrstoffes durch eine Verschiebung der Abiturprüfungen und das Angebot für Abiturienten, das vierte Semester zu verlängern. Außerdem sollte es einen ausführlichen Musterplan zu den Unterrichtsinhalten des zweiten Semesters geben. Zusätzlich braucht Berlin eine Expertenkommission für das Matheabitur, damit es nicht wieder die Probleme mit zu vielen, redundanten und zum Teil unverständlich formulierten Aufgaben gibt.

Der Klausurenmarathon während der Pandemie war für den Landesschülerausschuss ein großes Thema.

© Tobias Schwarz/AFP

Kann die Sommerschule helfen?
Die Sommerschule ist eine Hilfe für aktuell maximal 11.000 Schülerinnen und Schüler – das sind nur rund drei Prozent der Gesamtschülerschaft. Es werden daher viele weitere Maßnahmen erforderlich sein, um den verloren gegangen Lehrstoff nachzuarbeiten.

Sie haben sich vor allem um die Corona-Fragen gekümmert, aber auch um die Lage der Staatlichen Ballettschule. Was nehmen Sie an Erfahrungen mit?
Die Ballettschule ist für mich ein persönliches Anliegen, da ich sehr viel Mitgefühl mit den Betroffenen empfinde. Es ist für mich unverständlich, wie unser Rechtsstaat und unsere Politik derartige Zustände über eine so lange Zeit haben dulden können. Daher sehe ich diese Kindeswohlgefährdung als Ansporn dafür, weiterzumachen und für die Menschen zu kämpfen, die es am meisten brauchen.

Früher war vom Landesschülerausschuss wenig zu hören. In den letzten Jahren wurde das mehr, der LSA gab etwa den Anstoß für das Schulfach Politik. Ist das eine personengebundene Entwicklung oder sind die Schüler insgesamt interessierter geworden?
Aus meiner Sicht ist die Schülerschaft politikinteressierter geworden. Ob sich allerdings der Landesschülerausschuss stark präsentiert und viele Positionen entwickelt oder eher weniger erarbeitet, ist doch eher eine personengebundene Frage. Ich freue mich darüber, dass ich zu einer Zeit das Amt des Vorsitzenden bekleidet habe, in der ich ein starkes Team an meiner Seite im Landesschülerausschuss hatte.

Wohl kaum ein Landesschülersprecher vor Ihnen hat in den letzten rund 25 Jahren die Berliner Schüler derart aktiv und meinungsstark repräsentiert. Woher kommt die Lust an der Einmischung?
Ich engagiere mich sehr gerne, weil ich Menschen eine Stimme verleihen möchte, die sonst nicht in unseren Parlamenten repräsentiert werden. Daher ist es für mich ein zentrales Anliegen, mich mit dem Problem von jeder einzelnen Person auseinanderzusetzen und besonders für die Menschen zu arbeiten, die Schwierigkeiten haben, sich Gehör zu verschaffen.

Sie haben sich mit neun Jahren erfolgreich für ein Jugendzentrum in Charlottenburg-Nord starkgemacht. Wie kam’s?
Damals bin ich durch Zufall in einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf hineingeraten. Das hing damit zusammen, dass ich mich im Kinder- und Jugendparlament Charlottenburg-Wilmersdorf engagierte. Dort habe ich spontan eine Rede gehalten, die dazu führte, dass eine neue Jugendfreizeiteinrichtung in Charlottenburg-Nord erbaut wurde.

Sie sind 18 Jahre alt, wollen jetzt studieren und schon 2021 für die SPD ins Abgeordnetenhaus. Was sagen Sie denen, die Ihnen raten, erst mal als Verordneter in einer BVV mitzuarbeiten?
Ich engagiere mich bereits seit vielen Jahren in der Bezirkspolitik – nicht nur als Vorsitzender des Kinder- und Jugendparlaments Charlottenburg-Wilmersdorf. Durch mein politisches Engagement habe ich viele Erfahrungen gesammelt und jetzt den Wunsch nach größeren Handlungsmöglichkeiten. Ich möchte mich für meine Themen starkmachen und Menschen repräsentieren, denn das macht mir großen Spaß. Ich möchte mich für eine Reform des Schulgesetzes einsetzen und für ein Demokratiefördergesetz auf Bundesebene, für weitere Maßnahmen gegen Diskriminierung und vor allem für ein Kinder- und Jugendparlament auf Landesebene. Denn damit können wir Beteiligungsrechte für Kinder und Jugendliche sichern und ermöglichen, dass sie eine Leidenschaft für die Politik entwickeln. Ich sage den Menschen, die an mir zweifeln, dass sie mich trotz meines Alters ernst nehmen sollen.

Miguel Góngoras Konzept zur Wahrung und Stärkung der Bildungsgerechtigkeit beim Abitur 2021 in Berlin hier als PDF zum Download.
Miguel Góngoras Konzept zur Gewährleistung des Kinderschutzes und zur Bekämpfung von Diskriminierung an den Berliner Schulen hier als PDF zum Download.

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