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Jens Großpietsch, 67, hat sich als erfolgreicher Leiter der Moabiter Heinrich-von-Stephan-Schule einen Namen gemacht. Inzwischen berät er die freie Freudberg-Schule.

© Kai-Uwe Heinrich

Interview mit Berliner Schulleiter: "Wir brauchen ein Ausstiegsszenario für schlechte Schulleiter"

Wie kann es gelingen, im sozialen Brennpunkt die Unterrichtsqualität zu verbessern? Ideen eines Rektors mit Erfolg.

Herr Großpietsch, wegen ihrer Erfolge als Schulleiter im sozialen Brennpunkt wurden Sie gebeten, als Schulentwickler im Turnaround-Programm der Bosch-Stiftung mitzuwirken. Warum haben Sie abgelehnt?

Weil die Entwickler nicht genug Handhabe haben. Man kann nur etwas erreichen, wenn man einen schwachen Schulleiter versetzen oder als Lehrer zurück ins Glied schicken kann. Es gibt noch immer kein Ausstiegsszenario für schlechte Schulleiter. Auch müsste es möglich sein, einen Teil des Kollegiums umzusetzen.

Es gibt aber offenbar nicht genug geeignete Bewerber für die vielen vakanten Schulleitungsstellen. Liegt das am fehlenden Beamtenstatus?

Mir ist kein Fall bekannt, in dem eine gute Kraft deshalb nicht nach Berlin gekommen wäre, weil hier nicht verbeamtet wird. Wenn jemand nur bei Verbeamtung kommt, wäre ich vorsichtig.

Wie könnte man denn die Schulleitungsstellen sonst attraktiver machen?

Die Schulleiter werden überfrachtet mit neuen Vorschriften und Verordnungen im Tagesrhythmus bis hin zu den neuen Rahmenplänen. Ich glaube, es gibt mehr Verordnungen als Schultage. Für die eigentliche pädagogische Arbeit bleibt kaum Zeit.

Was schlagen Sie vor?

Die Schulen brauchen viel mehr Entscheidungsfreiheit. Es wird immer wieder von mehr Eigenverantwortung gesprochen, aber nichts passiert.

Die Brennpunktschulen bekommen aber viel Geld, mit dem sie eigenverantwortlich Honorarkräfte bezahlen können.

Eine schlechte Schule hat aber Probleme, das Geld sinnvoll auszugeben. Da gibt es dann 1000 Arbeitsgemeinschaften, aber kein Schüler geht hin.

Es ist schwierig, Lehrer für Brennpunktschulen zu gewinnen. Was soll die Behörde tun, wenn alle nach Zehlendorf wollen?

Da muss die Verwaltung eingreifen. Das könnte bedeuten, dass Brennpunktschulen bei Lehrercastings zuerst das Zugriffsrecht haben oder dass Lehrer im Brennpunkt mehr Geld bekommen. Das wurde alles diskutiert, aber nichts passiert.

Selbst gut geführte Schulen im Brennpunkt haben Quoten von 20 Prozent Schülern ohne Abschluss. Vielleicht ist bei einer gewissen Klientel einfach nichts zu machen?

Es gibt Schulen, die es dennoch schaffen. Aber im staatlichen System kann es 15 Jahre dauern, bis sich bei der Schülerleistung etwas grundlegend ändert. Bei freien Trägern kann es schneller gehen. Ohne Frage: Es ist ein mühseliges, sehr anspruchsvolles Geschäft.

Was würde den Brennpunktschulen denn helfen – abgesehen vom besseren Personal?

Wenn es Probleme mit Schülern gibt, sind da vier oder fünf Institutionen beteiligt und keiner weiß vom anderen. Die Vernetzung zwischen Schule, Jugendamt, Schulpsychologen und Schulamt müsste viel besser werden. Außerdem gibt es zu wenig Schulpsychologen.

Hilferuf. Die Ernst-Reuter-Oberschule hat nicht nur ein Sanierungsproblem.
Hilferuf. Die Ernst-Reuter-Oberschule hat nicht nur ein Sanierungsproblem.

© Susanne Vieth-Entus

Gerade haben Lehrer der Ernst-Reuter-Schule in Mitte Alarm geschlagen – wegen Gewaltvorfällen und Personalproblemen. Sie beklagen auch die bauliche Situation.

Ich habe immer in Mitte gearbeitet. Der Bezirk wurde sehr lange schlecht regiert und war dadurch auch finanziell nicht mehr handlungsfähig.

Die dringend notwendige Toilettensanierung der Reuter-Schule und vieles andere wird vom Bezirk mit Hinweis auf eine „große Lösung“ immer wieder verzögert.

Es ist ein Skandal, dass der Bezirk auf solche Zustände nicht reagiert. Es kann doch nicht verkehrt sein, die Toiletten zu sanieren. Die Schule sollte vor dem Rathaus demonstrieren.

Mehr über Jens Großpietsch lesen Sie hier.

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